Deutschland ist heute bunter und vielfältiger denn je. Migration hat unser Land bereichert, neue Perspektiven eröffnet und unsere Gesellschaft spannender gemacht. Doch diese Vielfalt spiegelt sich nicht nur auf unseren Straßen, sondern auch in den Gerichtssälen wider. Immer häufiger müssen deutsche Gerichte und Jurist:innen Fragen beantworten, die sich aus unterschiedlichen kulturellen und rechtlichen Hintergründen ergeben. Das Oberlandesgericht Oldenburg (Beschluss vom 1. Juni 2022, Az. 13 UF 82/21) hatte kürzlich einen Fall zu entscheiden, der exemplarisch zeigt, wie Integration auch die Justiz vor neue Herausforderungen stellt. Ein Ehepaar, das 2006 in Libyen nach islamischem Recht geheiratet hatte, lebte mittlerweile in Deutschland. Bei der Eheschließung verpflichtete sich der Ehemann, im Falle einer Scheidung eine sogenannte „Abendgabe“ von 50.000 US-Dollar zu zahlen. Nach der Scheidung in Deutschland verlangte die Ehefrau diese Zahlung. Der Ehemann weigerte sich mit dem Argument, die Lebensverhältnisse hätten sich geändert: In Deutschland sei seine Ex-Frau durch Sozialhilfe abgesichert, der ursprüngliche Zweck der Abendgabe bestehe nicht mehr. Das OLG Oldenburg entschied klar: An Verträge muss man sich halten („pacta sunt servanda“). Die Zahlungspflicht entfällt nicht, nur weil die Ehefrau nun Sozialhilfe bezieht. Denn Sozialhilfe ist nach § 94 SGB XII eine subsidiäre Leistung – der Anspruch gegen den Ehemann geht auf den Staat über, nicht aber verloren. Auch die Tatsache, dass der Ehemann kein Erwerbseinkommen hat, ändert nichts an seiner Verpflichtung. Wer eine vertragliche Zusage macht, trägt das Risiko, diese später auch erfüllen zu können. Gerade bei binationalen Ehen stellt sich oft die Frage, ob ausländisches Recht in Deutschland angewendet werden kann. Grundsätzlich ist das nach den Regeln des internationalen Privatrechts möglich. Allerdings prüft das Gericht immer, ob die Anwendung ausländischen Rechts mit den wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung vereinbar ist – dem sogenannten ordre public (§ 6 EGBGB). Das bedeutet: Führt die Anwendung ausländischen Rechts zu einem Ergebnis, das mit den Grundwerten des deutschen Rechts, insbesondere mit den Grundrechten, offensichtlich unvereinbar ist, wird es nicht angewendet. Für Laien: Der ordre public ist eine Art „rote Linie“. Er schützt grundlegende Prinzipien wie die Menschenwürde, Gleichberechtigung und das Kindeswohl. Ein ausländisches Urteil oder eine Rechtsnorm wird dann nicht anerkannt, wenn sie mit diesen Prinzipien unvereinbar ist. Die Entscheidung des OLG Oldenburg zeigt, wie bunt und herausfordernd die deutsche Rechtsprechung durch Migration geworden ist. Jurist:innen müssen sich zunehmend mit fremden Rechtsordnungen und kulturellen Besonderheiten auseinandersetzen. Das macht unsere Gesellschaft nicht nur vielfältiger, sondern auch das Recht spannender und gerechter – solange die Grundwerte des deutschen Rechts gewahrt bleiben.Ein aktueller Fall: Die Abendgabe nach libyscher Eheschließung
Das Gericht: Verträge sind einzuhalten – auch im interkulturellen Kontext
Welches Recht gilt – und was ist der „ordre public„?
Fazit: Vielfalt fordert – und bereichert – das Recht

Vielfalt vor Gericht: Abendgabe nach Scheidung – Wenn deutsches Familienrecht auf ausländische Traditionen trifft
Vielfalt vor Gericht: Abendgabe nach Scheidung – Wenn deutsches Familienrecht auf ausländische Traditionen trifft was last modified: Juni 14th, 2025 by