Jahresarchiv: 2025

Texting oder wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte

Konflikte in der Familie, insbesondere wenn Kinder involviert sind, können durch digitale Kommunikation über Messenger-Dienste wie WhatsApp verschärft werden. Oft führt diese Art der schnellen und emotionalen Kommunikation zu Missverständnissen und weiteren Streitigkeiten. 

Eine aktuelle Studie belegt, dass eine Mehrheit der Deutschen Beziehungskonflikte zunehmend in die virtuelle Welt verlagert – und das meist per Textnachricht.In diesen Fällen freut sich sprichwörtlich der „Dritte“, der Rechtsanwalt oder das Gericht, die sich später durch unklare und fragmentierte Kommunikationsverläufe kämpfen müssen.

Messenger-Dienste als Konfliktverstärker

In meinen Erfahrungen zeigt sich immer wieder, dass Messenger-Dienste wie WhatsApp oder ähnliche in emotional schwierigen Situationen von vielen Menschen nicht mehr sinnvoll bedient werden können.

Deshalb empfehle ich meinen Mandanten in solchen Fällen, Messenger eher zu vermeiden und stattdessen E-Mails zu nutzen.

Streit in der digitalen Welt: „Fexting“

  • Fast zwei Drittel (63 Prozent) haben bereits Streitigkeiten per Messenger mit ihrem Partner geführt. Dabei empfinden viele, dass über Textnachrichten schneller Streit entsteht als in persönlichen Gesprächen.

  • Zudem wird das Phänomen „Fexting“ genannt, eine Kombination aus „Fighting“ und „Texting“ – also streiten per Schreiben.

  • Besonders verbreitet ist es bei Jüngeren: 84 Prozent der 18- bis 39-Jährigen kennen das. Emojis können dabei Missverständnisse auslösen oder Streits abmildern, aber insgesamt ist die Kommunikation per Messenger in Konfliktsituationen oft problematisch.

Die Lösung: Digitale Werkzeuge zur Deeskalation

Um Streitigkeiten zu vermeiden und eine sachliche Kommunikation zu ermöglichen, empfiehlt sich die Nutzung von speziellen Apps für getrennte Eltern. Diese Dienste bieten eine neutrale Plattform und können die Kommunikation deutlich verbessern.

Ein Beispiel ist die App „Getrennt Gemeinsam“, die folgende Funktionen bietet:

  • Ein gemeinsamer Kalender zur besseren Organisation.

  • Die Möglichkeit zum Austausch wichtiger Dokumente (z. B. Schulzeugnisse).

  • Ein interner Messenger, der eine sachliche Kommunikation fördert.

Fazit & Empfehlung: Kommunikation mit Bedacht wählen

Die Wahl des richtigen Kommunikationsmittels ist im Konfliktfall entscheidend. Statt schneller, emotionaler Textnachrichten über Messenger-Dienste ist es ratsam, auf klarere und weniger missverständliche Kommunikationswege zu setzen.

  • Kernbotschaft: Emotionale Konflikte per Messenger-Dienst zu führen, verschärft den Streit.

  • Empfehlung: Setzen Sie auf spezialisierte Apps oder E-Mails, um die Kommunikation zu deeskalieren und Sachverhalte klar zu dokumentieren.

FG Münster – Bestattungskosten: Vorsorge ist richtig, Steuermodell nicht

Es ist gesetzlich geregelt, dass die Bestattungskosten die Erben zu tragen haben. Diese Ausgaben mindern den Nachlasswert und somit auch die Erbschaftsteuer. Doch wie verhält es sich, wenn man die Kosten bereits zu Lebzeiten über ein sogenanntes „Steuermodell“ im Voraus bezahlt? Ein aktuelles Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster schafft hier Klarheit.

Die Idee klingt zunächst ungewöhnlich – doch genau darum ging es in einem Fall, über den das Finanzgericht (FG) Münster im Urteil vom 23. Juni 2025 (Az. 10 K 1483/24 E) entschieden hat.

Sachverhalt des Urteils

  • Der Kläger hatte zu Lebzeiten einen Bestattungsvorsorgevertrag abgeschlossen und dafür 6.500 Euro an ein Bestattungsunternehmen gezahlt.
  • Diese Aufwendung wollte er in seiner Einkommensteuererklärung 2019 als außergewöhnliche Belastung geltend machen, um seine Steuerlast zu mindern.
  • Seine Argumentation: Da die Bestattungskosten sonst die Erben im Nachlass belasteten und als außergewöhnliche Belastung anerkannt würden, solle dies auch für die Vorauszahlung im Rahmen der Vorsorge gelten.

Das Finanzamt erkannte dies nicht an, und so kam es zum Gerichtsverfahren.

Das Urteil des FG Münster: Keine Steuerersparnis zu Lebzeiten

Das Finanzgericht Münster bestätigte die Entscheidung des Finanzamtes und lehnte die Anerkennung der Bestattungsvorsorgeaufwendungen als außergewöhnliche Belastung ab. Die Begründung:

  • Nach § 33 EStG sind außergewöhnliche Belastungen nur solche Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, außergewöhnlich und in Höhe angemessen entstehen.
  • Die Bestattungsvorsorge ist eine freiwillige, nicht zwingende Leistung, weil jeder Mensch durch den eigenen Tod ohnehin früher oder später Bestattungskosten verursacht. Der Tod ist kein außergewöhnliches Ereignis, sondern ein absolut normales und unvermeidliches.
  • Die Vorsorgeaufwendungen gelten steuerlich nicht als Mehraufwand, sondern als Vorleistung. Ein Todesfall und dessen Kosten sind zum Zeitpunkt der Zahlung nicht eingetreten, sodass keine rechtsverbindliche Belastung vorliegt.
  • Die entsprechenden Ausgaben sind mit denen für eine Sterbegeldversicherung vergleichbar, bei der ebenfalls keine steuerliche Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung möglich ist.
  • Die Aufwendungen dienen zu Lebzeiten allein der Erleichterung für die Erben und mindern nicht die aktuelle Steuerlast des Vorsorgenden.

Fazit – Bestattungsvorsorge ist kein Steuermodell

Für Erblasser heißt das: Bestattungsvorsorge ist sinnvoll und entlastet die Angehörigen finanziell und organisatorisch im Ernstfall.

Steuerlich wirkt sich die Vorsorge aber nicht als außergewöhnliche Belastung oder Betriebsausgabe aus.

Der Tod ist keine außergewöhnliche Belastung im steuerlichen Sinne, sondern ein ganz normales Ereignis, das jeder Mensch betrifft.

Eine steuerliche Vorteilnahme durch vorweggenommene Bestattungskostenaufwendungen ist daher nicht möglich. Die Finanzbehörden und Gerichte setzen hier klare Grenzen.

Wenn Sie Fragen zur Bestattungsvorsorge oder zu Erbrecht und Steuerrecht haben, beraten wir Sie gern!

Ich glaube an eines: Den Rechtsstaat

Im Grundgesetz gibt es viele Freiheiten, die für unsere Gesellschaft elementar sind: etwa die Religionsfreiheit, die Erziehungsfreiheit der Eltern und das staatliche Recht auf Bildung.

Was banal klingt, hat im Alltag weitreichende Folgen, da diese Freiheiten sich gegenseitig begrenzen müssen, damit sie möglichst wirksam und gerecht umgesetzt werden können.

Juristen sprechen hier von der „praktischen Konkordanz“ – meine Mutter hätte gesagt: Die Freiheit des Einzelnen endet am Ellenbogen des Anderen. Letztlich läuft alles auf denselben Grundgedanken hinaus.

Ein wesentlicher Aspekt für das Zusammenleben in Deutschland ist daher, dass sich alle Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich an das deutsche Recht halten müssen – Ausnahmen kann es geben, wenn Grundrechte im Einzelfall etwas anderes verlangen.

Wie konkret das aussehen kann, zeigt ein Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 15.04.2025 (Az. 2 K 1112/24).

Der Fall: Religion vs. Schwimmunterricht

Eine strenggläubige Familie wollte ihre Tochter aus dem Schwimmunterricht befreien lassen.

Die Eltern beriefen sich auf die Regeln der Palmarianischen Kirche, nach denen bereits das Betreten eines Schwimmbads als „Todsünde“ gilt; der Grund: Unsittlichkeit durch die Zurschaustellung des Körpers und das Tragen von enganliegender Kleidung.

Die Familie lehnte jegliche Kompromisslösung ab – eine separate Umkleidekabine oder alternative Badebekleidung (wie ein Burkini) war für sie keine Option. Schon der Schwimmbadbesuch, so das Argument, dürfe nicht stattfinden.

Die zuständige Schule entschied gegen eine Befreiung vom Schwimmunterricht. Daraufhin klagten die Eltern vor dem Verwaltungsgericht Freiburg.

Das Urteil: Kompromiss oder Pflicht?

Das Gericht erkannte zwar an, dass die Schulpflicht den Eltern einen Widerspruch zu ihren Glaubensregeln auferlegt und somit einen Eingriff in das religiöse Erziehungsrecht darstellt (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 GG).

Allerdings genießt auch der staatliche Erziehungs- und Bildungsauftrag (Art. 7 Abs 1 GG) Verfassungsrang und muss gleichermaßen geschützt werden.rsw.beck+1

Entscheidend war: Praktische Konkordanz verlangt einen Ausgleich zwischen den Grundrechten.

Normalerweise wird versucht, einen Kompromiss zu erzielen – zum Beispiel durch organisatorische Maßnahmen wie getrennte Umkleiden oder alternative Badebekleidung. Doch die Eltern lehnten jede Kompromisslösung kategorisch ab; sie wollten absolut verhindern, dass ihre Tochter ein Schwimmbad betritt.

Eine einseitige Ausnahme im Sinne der Familie hätte die Schule und ihren Bildungsauftrag im Kern gefährdet, urteilte das Gericht.

Das Gericht stellte außerdem klar, dass ein „freiwilliger Ungehorsam“ nach ihrem eigenen Katechismus Voraussetzung für eine Sünde sei.

Da die Teilnahme am Schwimmunterricht nicht freiwillig ist und durch staatliche Vorgaben erzwungen wird, sei der Vorwurf der „Todsünde“ nicht haltbar.

Selbst bei „besonders gravierenden“ Einschränkungen obsiegt der staatliche Bildungsauftrag, da den Eltern außerhalb des Schwimmunterrichts weiterhin alle Möglichkeiten zur religiösen Erziehung ihrer Tochter offen stehen.

Einschätzung eines Familienrechtlers

Als Fachanwalt für Familienrecht komme ich persönlich mit solchen Fällen meist nur dann in Berührung, wenn Eltern in der Erziehung unterschiedlicher Meinung sind und einer sich ans Gesetz halten möchte, der andere aber nicht.

Die Diskussion um religiöse Gründe für die Befreiung vom Schwimmunterricht ist dennoch faszinierend und zeigt, welche Konflikte sich aus unserem pluralistischen Schulsystem ergeben können.

Was hier verhandelt wird, sind Grundsatzfragen des Zusammenlebens – der Rechtsstaat verlangt eine Balance zwischen individuellen Freiheiten und gemeinschaftlichen Pflichten.

Mein Fazit: Der Rechtsstaat ist stark, weil er keine absolute Freiheit gewährt, sondern den Ausgleich sucht. Und das ist gut so.

Milliarden-Unterstützung für Alleinerziehende: Der Staat greift ein – und stößt an Grenzen


Milliarden-Unterstützung für Alleinerziehende: Der Staat stößt an seine Grenzen

Die Zahlung von Kindesunterhalt ist eine zentrale gesetzliche Pflicht. Wer dieser nicht nachkommt, muss mit Konsequenzen rechnen – von erhöhten Erwerbsobliegenheiten bis hin zur möglichen Strafbarkeit (§ 170 StGB). Doch in der Praxis zeigt sich, dass Vollstreckungsversuche oft ins Leere laufen. Der Staat greift daher über die Unterhaltsvorschusskasse ein und geht in Milliardenhöhe in Vorleistung.

Milliardenleistungen – geringe Rückholquote

Die staatliche Unterhaltsvorschusskasse dient als erste finanzielle Absicherung für den betreuenden Elternteil und die Kinder, wenn der eigentlich zuständige Elternteil nicht zahlt. Der Staat zahlt in diesen Fällen vorab aus, um sich das Geld anschließend vom Unterhaltsschuldner zurückzuholen.

Aktuelle Zahlen belegen die Herausforderung:

  • Im Jahr 2024 wurden rund 3,2 Milliarden Euro an Unterhaltsvorschuss ausbezahlt.

  • Die sogenannte Rückgriffquote auf die unterhaltspflichtigen Elternteile liegt jedoch bei nur etwa 17 %.

  • Trotz der hohen staatlichen Vorleistung kann nur ein geringer Teil der Gelder von den Schuldnern zurückgefordert werden. n-tv

Was bedeutet das für getrennt lebende Elternteile?

Die geringe Rückholquote unterstreicht, dass die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen zivilrechtlich schwierig bleibt. Für betreuende Eltern ist der Unterhaltsvorschuss daher eine existenzielle Notwendigkeit, selbst wenn er unter dem gesetzlichen Mindestunterhalt liegt.

Empfehlungen für die Praxis:

  • Nutzen Sie parallel zur zivilrechtlichen Durchsetzung unbedingt die Hilfe der Unterhaltsvorschusskasse.

  • Der Vorschuss überbrückt sofortige finanzielle Engpässe und sichert Kindern einen Mindeststandard zur Versorgung.


Fazit: Rechtliche Durchsetzung und staatliche Vorsorge kombinieren

Die Durchsetzung des Kindesunterhalts bleibt eine große gesellschaftliche und juristische Herausforderung. Die Unterhaltsvorschusskassen sind zwar teuer für den Staat, stellen aber eine unverzichtbare Absicherung dar. Jeder betreuende Elternteil, der Probleme bei der Zahlung erlebt, sollte diese staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen.

  • Kernbotschaft: Die Unterhaltsvorschusskasse ist die wichtigste reale finanzielle Sicherung, da zivilrechtliche Vollstreckungen oft scheitern.

  • Empfehlung: Anspruchsberechtigte sollten Unterhaltsvorschuss unbedingt nutzen und die rechtliche Durchsetzung des Unterhalts parallel verfolgen.

 

„Leben Sie Ihr Leben – aber richtig!“ – Das OLG Stuttgart und die Ausübungskontrolle von Eheverträgen


Thema Eheverträge und deren Wirksamkeit – Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart vom 26. Juni 2025, Az. 11 UF 194/24)

Eheverträge dürfen bei ihrer Beurkundung nicht sittenwidrig sein und müssen am Ende der Ehezeit auch einer sogenannten Ausübungskontrolle standhalten.

Was ist die Ausübungskontrolle?

  • Die Ausübungskontrolle dient der Überprüfung, ob ein Ehevertrag in der tatsächlichen Umsetzung auch den Vorstellungen und dem fairen Ausgleich zwischen den Ehepartnern entspricht.
  • Es geht also nicht nur darum, was vertraglich vereinbart wurde, sondern auch darum, ob die getroffenen Vereinbarungen tatsächlich gelebt und umgesetzt wurden.
  • Dies ist zentral, um spätere Nachteile für einen der Partner bestmöglich zu vermeiden.

Kompensationszahlungen als Absicherung

Um eine Sittenwidrigkeit des Vertrags und mögliche Probleme bei der Ausübungskontrolle zu verhindern, hat es sich bewährt, dass der wirtschaftlich besser gestellte Ehepartner dem anderen Kompensationszahlungen zusichert.

Diese sollen künftige Nachteile ausgleichen, die trotz der vertraglichen Regelungen auftreten könnten.

Das Urteil des OLG Stuttgart im Fall des Oberarztes

Im Fall, der dem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart zugrunde lag (Beschluss vom 26. Juni 2025, Az. 11 UF 194/24), war diese Praxis ebenfalls gegeben.

Der Ehevertrag enthielt eine Ausschlussvereinbarung über den Versorgungsausgleich. Zugleich wurden Kompensationsleistungen vereinbart, die auch tatsächlich von der Ehefrau erhalten wurden.

Jedoch zeigte sich, dass die Ehefrau die erhaltenen Kompensationszahlungen nicht als Vorsorge anlegte, sondern verbrauchte.

Dies wurde vom Gericht als entscheidend angesehen. Das OLG stellte klar, dass nicht jeder Verstoß gegen die Ausübungskontrolle, also nicht jeder Fall, in dem das ursprünglich vorgesehene Ergebnis des Vertrags nicht eintrat, automatisch zur Unwirksamkeit des Ehevertrags führt. Vielmehr kommt es darauf an, ob die vereinbarten Leistungen auch tatsächlich erbracht wurden und wie sie genutzt wurden.

Die Entscheidung des OLG lautete, dass das schlichte Verbrauchen der Kompensationszahlungen anstelle einer Vorsorge nicht ausreichend ist, um den Ehevertrag als sittenwidrig anzusehen oder die Wirksamkeit infrage zu stellen. Die Ausübungskontrolle verlangt, dass die Vertragsparteien nicht nur formal vereinbarte Leistungen vorsehen, sondern auch entsprechend handeln und Vorsorge treffen.

Fazit & Empfehlung: Sicherheit durch faire Verträge

Das Urteil unterstreicht, dass die Gerichte Eheverträge streng auf ihre Billigkeit prüfen, insbesondere dann, wenn ein Partner aufgrund des Vertrags einen erheblichen Nachteil erleidet.

Empfehlung: Eheverträge sollten stets fair und ausgewogen gestaltet werden, insbesondere wenn finanzielle Verzichte oder Kompensationszahlungen geregelt werden. Bei Fragen zum Ehevertrag und Versorgungsausgleich sollten Sie immer juristischen Rat einholen

Einseitiger Zugewinnausschluss in der Unternehmerehe – Ein Blick auf das Schichtenmodell des BGH und aktuelle Rechtsprechung

Die Gestaltung von Eheverträgen in einer Unternehmerehe ist komplex, da sie unterschiedliche Rechtsbereiche berührt. Typische Problemfelder entstehen, wenn Ehepartner etwa den Zugewinnausgleich, den Versorgungsausgleich oder den Unterhalt anders als gesetzlich vorgesehen regeln wollen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hierfür ein sogenanntes Schichtenmodell entwickelt, das die verschiedenen Schutzbereiche innerhalb der Ehe klar strukturiert.

Die Lösung – Das Schichtenmodell des BGH

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner Rechtsprechung ein sogenanntes Schichtenmodell entwickelt (auch als „Schutzbereichsmodell“ bezeichnet), das die unterschiedlichen Schutzintensitäten der ehelichen Rechtsbeziehungen strukturiert.

Dieses Modell gliedert die Ehe in mehrere rechtliche „Schichten“ mit abnehmendem Schutz:

  • Kernbereich der Ehe: Trennungsunterhalt – hier besteht der stärkste gesetzliche Schutz, da es um die unmittelbare Absicherung während der Trennung geht. Die gesetzlichen Regelungen sind präzise und zwingend.
  • Versorgungsausgleich: die gesetzliche Regelung zur Aufteilung der Rentenanwartschaften nach der Scheidung ist ebenfalls stark geschützt.
  • Nachehelicher Unterhalt: hier besteht ein gewisser Gestaltungsspielraum, aber der Schutz ist noch deutlich erkennbar.
  • Zugewinnausgleich: am äußersten Rand des Modells steht der Zugewinnausgleich, der rechtlich am wenigsten geschützt ist und daher am ehesten durch Eheverträge modifiziert oder ausgeschlossen werden kann.

Diese Abstufung zeigt, dass Eingriffe in den Zugewinnausgleich grundsätzlich zulässig sind, solange sie nicht sittenwidrig oder unangemessen benachteiligend sind.

Schichtenmodell in der Praxis

In einem aktuellen Fall (BGH, Urteil vom 18. Januar 2023, Az. XII
ZB 395/24
) musste der BGH über einen Ehevertrag entscheiden, der den Zugewinnausgleich einseitig zugunsten des Unternehmers ausschloss. 

Die Ehefrau, die ein betriebswirtschaftliches Studium absolviert hatte und somit intellektuell auf Augenhöhe mit dem Ehemann war, hatte sich im Vertrag auch für die Zeit nach der Ehe abgesichert. Damit stand sie nicht völlig schutzlos da.

Der BGH stellte fest, dass die schwache Bindung des Zugewinnausgleichs es in diesem Fall nicht rechtfertigte, den Ehevertrag als sittenwidrig oder unwirksam zu verwerfen. Das Gericht betonte, dass der einseitige Ausschluss in einer Unternehmerehe zulässig sein kann, solange keine groben Ungerechtigkeiten vorliegen und die wirtschaftlich schwächere Partei nicht unangemessen benachteiligt wird.

Fazit & Empfehlung

Dieses Urteil verdeutlicht, dass Eheverträge in Unternehmerehen, die den Zugewinnausgleich ausschließen, wirksam sein können. Entscheidend ist dabei, dass die individuellen Umstände beider Partner berücksichtigt werden und der Vertrag transparent und fair gestaltet ist. Für die Rechtspraxis empfiehlt es sich, die Abstufung des BGH-Modells genau zu beachten, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

  • Kernbotschaft: Ein Zugewinnausschluss ist grundsätzlich zulässig, muss jedoch die Billigkeitsprüfung des BGH-Modells bestehen.

  • Empfehlung: Unternehmer und ihre Partner sollten stets juristische Beratung suchen, um einen klaren und ausgewogenen Vertrag zu erstellen, der die Absicherung der schwächeren Partei gewährleistet.

„Deine, meine, unsere“ -– Erbrecht in Patchworkfamilien: OLG Düsseldorf klärt Testament-Formulierung

Patchworkfamilien stehen vor besonderen Herausforderungen, wenn es um das Erbrecht geht. Ein jüngstes Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf wirft ein wichtiges Licht auf die Auslegung von Testamenten in solchen Konstellationen und unterstreicht die Notwendigkeit präziser Formulierungen. rsw.beck

Der Sachverhalt: Wer ist der „Sohn“?

Ein kinderloser Mann, der in einer Patchworkfamilie lebte, setzte in seinem Testament den „Sohn“ seiner Ehefrau als Erben ein. Nach seinem Tod entstand ein Rechtsstreit darüber, ob der Stiefsohn tatsächlich als Erbe gemeint war.

Das Urteil und seine Begründung

Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 17.01.2024, Az.: 3 Wx 116/25) entschied, dass der Stiefsohn als Erbe anzusehen ist. Die Richter begründeten dies damit, dass es für die Erbeinsetzung auf den wirklichen Willen des Erblassers ankommt, der aus dem gesamten Testament und den Umständen abgeleitet werden kann.

Das Gericht stellte fest:

  • Die Formulierung „mein Sohn“ konnte in diesem spezifischen Fall eindeutig dem Stiefsohn zugeordnet werden.

  • Maßgeblich sei der im Testament erkennbare Wille des Verfassers und die Gesamtumstände.

  • Ein Erbschein war daher zu erteilen.
  • Das Urteil unterstreicht, dass vage Formulierungen wie „mein Sohn“ oder „meine Familie“ jedoch erhebliche Unsicherheiten und Rechtsstreitigkeiten verursachen können.

Fazit & Empfehlung: Klare Formulierungen schaffen Sicherheit

Dieses Urteil ist ein klares Signal an Patchworkfamilien: Vertrauen Sie bei der Testamentserstellung nicht auf die Annahme, dass der Wille offensichtlich ist. Um Missverständnisse und Streitigkeiten unter den Erben zu vermeiden, ist eine klare und unmissverständliche Sprache entscheidend.

  • Kernbotschaft: Der Wille des Erblassers ist entscheidend, doch vage Formulierungen im Testament können zu langen Rechtsstreitigkeiten führen.

  • Empfehlung: Holen Sie fachkundigen juristischen Rat ein, um Ihren letzten Willen unmissverständlich zu formulieren.

 

TESTIERFREIHEIT 2.0: Grenzen und aktuelle BGH-Rechtsprechung

Die Testierfreiheit ist ein fundamentales Prinzip des deutschen Erbrechts und ein starker Ausdruck der Selbstbestimmung jedes Einzelnen über sein Vermögen nach dem Tod. Sie gehört zu den höchsten Rechtsgütern. Jüngste Entwicklungen, insbesondere eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), präzisieren die wenigen Grenzen dieser Freiheit.

 

1. Die verbleibenden Grenzen der Testierfreiheit

 

Die Verfügungsfreiheit des Erblassers ist nur in wenigen Ausnahmen eingeschränkt. Diese umfassen primär:

  • Formvorschriften (§§ 2231 ff. BGB): Das Testament muss bestimmte formale Anforderungen (z.B. eigenhändige Niederschrift und Unterschrift) erfüllen, um zivilrechtlich wirksam zu sein.

  • Pflichtteilsrecht (§§ 2303 ff. BGB): Nahen Angehörigen (Abkömmlinge, Ehegatten, Eltern) steht ein gesetzlicher Mindestanteil am Nachlass zu, der Pflichtteil, selbst wenn sie enterbt wurden.

  • Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB): Das Testament ist nichtig, wenn es gegen die guten Sitten verstößt.

 

2. Entwicklung der Sittenwidrigkeit: Berater-Testamente im Fokus

 

Während das sogenannte „Geliebtentestament“ in der modernen Rechtsprechung kaum noch als sittenwidrig gilt, hat sich der Fokus auf Testamente verschoben, die Berater, Ärzte oder Betreuer begünstigen. Hier stellt sich die Frage, ob eine besondere Vertrauensstellung zur Eigennutzung missbraucht wird.

 

3. Schlüsselurteil des BGH zum berufsrechtlichen Zuwendungsverbot

 

Der BGH hat in einem aktuellen Urteil die zivilrechtliche Wirksamkeit solcher Testamente geklärt:

Thema Details
Urteil BGH, Urteil vom 15.05.2024 (Az. IV ZR 93/24)
Sachverhalt Eine Patientin hatte ihren langjährigen Hausarzt als Alleinerben eingesetzt.
Kernfrage Führt das berufsrechtliche Zuwendungsverbot für Ärzte (§ 14 Abs. 7 MBO-Ärzte) automatisch zur zivilrechtlichen Unwirksamkeit des Testaments?
Entscheidung Nein. Das berufsrechtliche Verbot ist primär disziplinarischer Natur und betrifft das Verhältnis zur Ärztekammer, nicht die zivilrechtliche Gültigkeit des Testaments.
Ergebnis Das Testament bleibt grundsätzlich wirksam.

 

Wichtige Ausnahme: Nur wenn eine Ausnutzung der Willensschwäche des Erblassers durch den Begünstigten nachweisbar ist und das Testament deshalb als sittenwidrig (§ 138 BGB) eingestuft wird, kann es für nichtig erklärt werden. Die Hürde hierfür ist jedoch hoch.

 

FAZIT 

 

Die Testierfreiheit bleibt ein hohes Gut. Das BGH-Urteil (IV ZR 93/24) bestätigt, dass berufsrechtliche Verbote (z.B. für Ärzte) keine automatische Nichtigkeit eines Testaments zur Folge haben. Der Schutzmechanismus gegen die Ausnutzung von Willensschwäche bleibt bestehen, schränkt die Selbstbestimmung des Erblassers jedoch nur in extremen Ausnahmefällen ein.

 

Wenn der Gläubiger nicht mitspielt: Wie Schuldner trotzdem schuldbefreiend leisten können

Wenn der Gläubiger nicht mitspielt: Die Hinterlegung als Lösung für Schuldner

Im Forderungsmanagement tritt immer wieder ein ungewöhnliches Problem auf: Ein Schuldner ist willens zu zahlen, doch der Gläubiger verweigert die Annahme der Leistung oder stellt die erforderliche Bankverbindung nicht bereit. In diesen Situationen ist der Schuldner nicht schutzlos. Das Gesetz bietet eine klare Lösung, um die Verpflichtung dennoch zu erfüllen und sich schuldbefreiend zu leisten.

Das Problem: Kein Anspruch auf Kontoverbindung

Ein Schuldner hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihm der Gläubiger seine Bankverbindung mitteilt. Dies ist eine gefestigte Rechtsprechung und ergibt sich aus dem deutschen Vertragsrecht. Genau mit dieser Konstellation hatte sich das Landgericht Baden-Baden auseinanderzusetzen (LG Baden-Baden, Urteil vom 22.03.2024, 2 S 24/24, beck-link).  Auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann kein Anspruch auf die Herausgabe der Bankverbindung abgeleitet werden.

Die Lösung des Gesetzgebers: Die Hinterlegung

Um den Schuldner vor dem Risiko zu schützen, in Verzug zu geraten, sieht das Bürgerliche Gesetzbuch die Hinterlegung vor (§§ 372 ff. BGB). Wenn ein Gläubiger die Annahme der Leistung verweigert oder die notwendigen Mitwirkungshandlungen, wie die Angabe einer Bankverbindung, unterlässt, kann der Schuldner die geschuldete Summe bei einer offiziellen Hinterlegungsstelle – meist bei der Gerichtskasse – einzahlen.

Die Hinterlegung hat zwei wesentliche rechtliche Konsequenzen:

  • Schuldbefreiung: Mit der ordnungsgemäßen Hinterlegung gilt der Schuldner als von seiner Verbindlichkeit befreit.

  • Gefahrenübergang: Das Risiko für den Untergang oder die Beschädigung der hinterlegten Sache geht auf den Gläubiger über.

Fazit & Empfehlung: Hinterlegung als sicherer Ausweg

Die Hinterlegung ist das vom Gesetzgeber vorgesehene Mittel, um einen Konflikt mit einem unkooperativen Gläubiger zu lösen. Sie befreit den Schuldner von seiner Leistungspflicht und schützt ihn vor weiteren Nachteilen. Allerdings ist die Hinterlegung an strenge formale Vorgaben gebunden.

  • Kernbotschaft: Ein Schuldner kann sich durch Hinterlegung der geschuldeten Summe schuldbefreiend leisten, auch wenn der Gläubiger nicht kooperiert.

  • Empfehlung: Holen Sie im Zweifel anwaltlichen Rat ein. Die Kosten für die anwaltliche Unterstützung können unter Umständen vom Gläubiger zurückgefordert werden.

 

Umbettung einer Urne wegen „trostloser“ Friedwiese? – VG Hannover betont Bedeutung der letzten Ruhestätte

Das Verwaltungsgericht Hannover (VG Hannover, Urteil vom 13.03.2024, 1 A 3479/23) hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, wie hoch die rechtlichen Hürden für die Umbettung einer Urne sind, wenn Angehörige mit der gewählten letzten Ruhestätte im Nachhinein unzufrieden sind.

„Keine Umbettung wegen ‚trostloser‘ Friedwiese“ – so lässt sich die Entscheidung zusammenfassen.

Sachverhalt

Im zugrundeliegenden Fall hatte ein Erbe nach der Beisetzung seiner verstorbenen Mutter auf einer pflegefreien Urnengrabstelle („Friedwiese“) festgestellt, dass die Gestaltung der Grabstätte nicht seinen Vorstellungen entsprach. Die Fläche war – wie bei vielen modernen Friedwiesen üblich – schlicht gehalten, ohne individuelle Bepflanzung oder Grabschmuck.

Der Erbe empfand die Ruhestätte als „trostlos“ und beantragte daher die Umbettung der Urne auf einen anderen Friedhof. Zugleich wollte er den Vertrag mit dem Friedhofsbetreiber kündigen und die gezahlten Gebühren zurückfordern.

Rechtliche Würdigung

Das Gericht stellte klar, dass das postmortale Persönlichkeitsrecht und die Totenruhe (§ 1 Abs. 1 Nds. Bestattungsgesetz – BestattG) einen besonders hohen Stellenwert genießen. Die „letzte Ruhestätte“ ist rechtlich tatsächlich als solche zu verstehen – ein späterer Ortswechsel ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig.

Die maßgeblichen Vorschriften sind:

  • § 1 Abs. 1 Nds. Bestattungsgesetz (BestattG): Schützt die Würde Verstorbener und die Totenruhe.

  • § 15 BestattG: Regelt die Umbettung von Leichen und Urnen. Eine Umbettung ist nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und nach behördlicher Genehmigung zulässig.

Das Gericht betonte,

  • dass die Unzufriedenheit mit der Gestaltung der Grabstätte oder eine nachträglich als „trostlos“ empfundene Atmosphäre keinen wichtigen Grund im Sinne des Gesetzes darstellt.
  • Die Entscheidung über die letzte Ruhestätte ist endgültig und kann nicht beliebig revidiert werden.
  • Der Vertrag mit dem Friedhofsbetreiber kann nicht einfach wegen Unzufriedenheit gekündigt werden, sofern die vereinbarte Leistung – hier die Beisetzung auf einer pflegefreien Friedwiese – ordnungsgemäß erbracht wurde.

Rechtsprechung: Die letzte Ruhestätte ist (fast) endgültig

Die Rechtsprechung nimmt das Prinzip der letzten Ruhestätte sehr ernst.

Nur in besonderen Ausnahmefällen, etwa bei schwerwiegenden Störungen der Totenruhe oder zwingenden familiären Gründen, kann eine Umbettung genehmigt werden (vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 09.01.2017, 8 ME 189/16).

Die bloße Unzufriedenheit mit der Gestaltung oder Atmosphäre des Grabfeldes reicht hierfür nicht aus.

Fazit & Empfehlung

Das Urteil des VG Hannover unterstreicht, dass die Wahl einer Grabstätte eine nahezu endgültige Entscheidung ist. Persönliche Unzufriedenheit mit dem Erscheinungsbild einer Friedwiese oder einer anderen Bestattungsform reicht nicht aus, um die richterlich geschützte Totenruhe zu brechen.

  • Die Umbettung einer Urne oder eines Sarges ist in der Rechtsprechung an strengste Voraussetzungen geknüpft.

  • Empfehlung für Hinterbliebene: Wägen Sie die Entscheidung für eine Bestattungsart und Grabstätte sorgfältig ab, da eine nachträgliche Änderung rechtlich kaum durchsetzbar ist.

Elternunterhalt-Regress: Die 100.000-Euro-Bruttogrenze und das Scheitern der „Einheit der Rechtsordnung

Elternunterhalt-Regress: Die 100.000-Euro-Bruttogrenze und das Scheitern der „Einheit der Rechtsordnung“

Die rechtliche Praxis im Elternunterhalt offenbart eine deutliche Diskrepanz zwischen dem individuellen Bürgerlichen Recht (BGB) und dem starren Sozialrecht (SGB XII). Ein aktueller Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 23.10.2024 (Az. XII ZB 6/24) bekräftigt, dass die vom Sozialhilfeträger initiierte Rückforderung (Sozialhilferegress) ausschließlich auf einer starren Bruttogrenze basiert, ungeachtet der individuellen finanziellen Situation nach BGB-Maßstäben.

1. Das Kernproblem: Zwei Rechtsgebiete, zwei Maßstäbe

Die juristische Lehre postuliert die „Einheit der Rechtsordnung“, wonach dieselbe Rechtsfrage in verschiedenen Rechtsgebieten gleich beantwortet werden soll. Im Elternunterhalt wird dieser Grundsatz jedoch durch zwei unterschiedliche Gesetzeswerke konterkariert:

  • Familienrecht (BGB, § 1601 ff.): Definiert die Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber ihren Eltern und regelt die Leistungsfähigkeit (§ 1603 BGB) anhand einer individuellen Prüfung des Nettoeinkommens, der Schulden und des Selbstbehalts.

  • Sozialrecht (SGB XII, § 94 Abs. 1a): Regelt den Sozialhilferegress. Das sogenannte Angehörigen-Entlastungsgesetz legt fest, dass Unterhaltsansprüche nur dann auf den Sozialhilfeträger übergehen, wenn das Kind ein Jahresbruttoeinkommen von über 100.000 € erzielt.

2. Die Klarstellung durch den BGH (XII ZB 6/24)

Der BGH hat entschieden, dass die sozialrechtliche 100.000-Euro-Bruttogrenze eine absolute Ausschlussgrenze darstellt und nicht mit den unterhaltsrechtlichen Regeln des BGB vermischt wird:

Unterschiedliche Rechtsfolgen in BGB und SGB XII

Aspekt Unterhaltsrecht (BGB) Sozialrecht (SGB XII, § 94 Abs. 1a)
Maßstab für Leistungsfähigkeit Individuelle Prüfung nach Einkommen, Selbstbehalt, weiteren Verpflichtungen (§§ 1603, 1610 BGB) Starre Bruttogrenze von 100.000 € (§ 94 Abs. 1a SGB XII)
Berücksichtigung von Freibeträgen/Selbstbehalt Ja, detaillierte Einzelfallprüfung, z. B. Mindestselbstbehalt von 2.650 € (BGH, 23.10.2024, XII ZB 6/24) Nein, sobald die Bruttogrenze überschritten ist, keine weitere Prüfung
Überleitung auf Sozialhilfeträger Nur bei Leistungsfähigkeit nach BGB-Maßstäben Automatisch bei Überschreiten der Bruttogrenze, unabhängig vom realen Nettoeinkommen
 

3. Die fehlende „Rückstrahlung“ des Entlastungsgesetzes

Der BGH bekräftigt zusätzlich, dass das Angehörigen-Entlastungsgesetz eine sozialrechtliche Sonderregelung ist und nicht auf andere zivilrechtliche Bereiche „rückwirkt“.

Das bedeutet: Die 100.000-Euro-Grenze ist nicht auf andere unterhaltsrechtliche Sachverhalte oder das Schenkungsrecht übertragbar (vgl. BGH, Urteil vom 16.04.2024 – X ZR 14/23). Die Einkommensgrenze dient lediglich dazu, den Sozialhilferegress auf einkommensstarke Kinder zu beschränken, ohne die generelle Unterhaltspflicht nach BGB zu ändern.

ZUSAMMENFASSUNG 

Die Elternunterhalt-Praxis ist durch eine Diskrepanz zwischen BGB und SGB XII geprägt. Das aktuelle BGH-Urteil (XII ZB 6/24) klärt: Der Sozialhilferegress folgt einer starren 100.000-€-Bruttogrenze. Wer diese Grenze überschreitet, kann keine BGB-Selbstbehalte geltend machen. Die Einheit der Rechtsordnung scheitert hier an der starren sozialrechtlichen Definition vs. der individuellen zivilrechtlichen Leistungsfähigkeitsprüfung.

 

Trennungswohnung im Eigentum Dritter: Das OLG Celle zur Wohnungszuweisung

Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Celle beleuchtet die komplexen Folgen einer Trennung, wenn die genutzte Wohnung nicht dem Ehepaar selbst, sondern Dritten (z.B. der Schwiegermutter) gehört. Es unterstreicht die entscheidende Bedeutung präziser Formulierungen und der Eigentumsrechte im Familienrecht und Mietrecht.

1. Der Sachverhalt: Trennung und Fremdeigentum

Das Urteil (OLG Celle, Urteil vom 03.04.2024 – Az. 21 UF 237/24) befasst sich mit der Frage, wer nach einer ehelichen Trennung in der bisherigen Ehewohnung verbleiben darf.

Der Konflikt: Die Wohnung wurde von den Eheleuten bewohnt, gehörte aber der Schwiegermutter. Nach der Trennung meldete die Schwiegermutter Eigenbedarf an und forderte die Beendigung der Nutzung.

2. Juristische Grundlagen: BGB vs. Eigentumsrecht

Die Zuweisung der Ehewohnung ist primär in zwei Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt:

  • § 1361b BGB (Während der Trennung): Regelt die Zuweisung der Wohnung an einen Ehegatten für die Dauer des Getrenntlebens.

  • § 1568a BGB (Nach der Scheidung): Regelt die Überlassung der Wohnung an einen Ehegatten nach der Scheidung.

Beide Vorschriften verlangen eine Abwägung der Interessen der Ehegatten und Kinder.

3. Die OLG-Entscheidung: Keine grenzenlose Zuweisung

Das OLG Celle stellte klar: Das Nutzungsrecht eines Ehegatten an der Wohnung eines Dritten ist nicht grenzenlos.

Entscheidend ist, dass das Eigentumsrecht des Dritten (hier: der Schwiegermutter) geschützt bleibt. Meldet der Eigentümer unter bestimmten Voraussetzungen (wie hier Eigenbedarf) an, kann er die Nutzung durch das getrennte Paar beenden.

Die familienrechtlichen Regelungen zur Wohnungszuweisung schränken das Eigentum Dritter nur in sehr engen Grenzen ein und hebeln das Eigentumsrecht des Dritten nicht aus. Das Urteil ist ein wichtiges Beispiel dafür, wie selbst klare familienrechtliche Ansprüche (Wohnungszuweisung) an den Rechten Dritter scheitern können.

ZUSAMMENFASSUNG 

Das OLG Celle-Urteil (21 UF 237/24) klärt die Grenzen der Wohnungszuweisung nach Trennung, wenn die Ehewohnung im Eigentum Dritter (z.B. Schwiegermutter) steht. Das Gericht bestätigt: Das Eigentumsrecht Dritter, insbesondere bei Eigenbedarf, dominiert das Nutzungsinteresse der Ehegatten nach § 1361b BGB. Es unterstreicht die Notwendigkeit präziser juristischer Formulierungen und Vereinbarungen, um weitreichende Konsequenzen zu vermeiden.

 

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