Jahresarchiv: 2025

Texting oder wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte

Konflikte in der Familie, insbesondere wenn Kinder involviert sind, können durch digitale Kommunikation über Messenger-Dienste wie WhatsApp verschärft werden. Oft führt diese Art der schnellen und emotionalen Kommunikation zu Missverständnissen und weiteren Streitigkeiten. 

Eine aktuelle Studie belegt, dass eine Mehrheit der Deutschen Beziehungskonflikte zunehmend in die virtuelle Welt verlagert – und das meist per Textnachricht.In diesen Fällen freut sich sprichwörtlich der „Dritte“, der Rechtsanwalt oder das Gericht, die sich später durch unklare und fragmentierte Kommunikationsverläufe kämpfen müssen.

Messenger-Dienste als Konfliktverstärker

In meinen Erfahrungen zeigt sich immer wieder, dass Messenger-Dienste wie WhatsApp oder ähnliche in emotional schwierigen Situationen von vielen Menschen nicht mehr sinnvoll bedient werden können.

Deshalb empfehle ich meinen Mandanten in solchen Fällen, Messenger eher zu vermeiden und stattdessen E-Mails zu nutzen.

Streit in der digitalen Welt: „Fexting“

  • Fast zwei Drittel (63 Prozent) haben bereits Streitigkeiten per Messenger mit ihrem Partner geführt. Dabei empfinden viele, dass über Textnachrichten schneller Streit entsteht als in persönlichen Gesprächen.

  • Zudem wird das Phänomen „Fexting“ genannt, eine Kombination aus „Fighting“ und „Texting“ – also streiten per Schreiben.

  • Besonders verbreitet ist es bei Jüngeren: 84 Prozent der 18- bis 39-Jährigen kennen das. Emojis können dabei Missverständnisse auslösen oder Streits abmildern, aber insgesamt ist die Kommunikation per Messenger in Konfliktsituationen oft problematisch.

Die Lösung: Digitale Werkzeuge zur Deeskalation

Um Streitigkeiten zu vermeiden und eine sachliche Kommunikation zu ermöglichen, empfiehlt sich die Nutzung von speziellen Apps für getrennte Eltern. Diese Dienste bieten eine neutrale Plattform und können die Kommunikation deutlich verbessern.

Ein Beispiel ist die App „Getrennt Gemeinsam“, die folgende Funktionen bietet:

  • Ein gemeinsamer Kalender zur besseren Organisation.

  • Die Möglichkeit zum Austausch wichtiger Dokumente (z. B. Schulzeugnisse).

  • Ein interner Messenger, der eine sachliche Kommunikation fördert.

Fazit & Empfehlung: Kommunikation mit Bedacht wählen

Die Wahl des richtigen Kommunikationsmittels ist im Konfliktfall entscheidend. Statt schneller, emotionaler Textnachrichten über Messenger-Dienste ist es ratsam, auf klarere und weniger missverständliche Kommunikationswege zu setzen.

  • Kernbotschaft: Emotionale Konflikte per Messenger-Dienst zu führen, verschärft den Streit.

  • Empfehlung: Setzen Sie auf spezialisierte Apps oder E-Mails, um die Kommunikation zu deeskalieren und Sachverhalte klar zu dokumentieren.

Bestattungskosten: Vorsorge ist richtig, Steuermodell nicht

Es ist gesetzlich geregelt, dass die Bestattungskosten vom Erben zu tragen sind.

Diese Kosten gehören somit zu den Nachlassverbindlichkeiten und mindern ganz selbstverständlich den Nachlasswert. Daher werden die Bestattungskosten auch bei Berechnung von Pflichtteilsansprüchen in Abzug gebracht. So weit, so eindeutig.

Viele Menschen treffen für ihre Bestattung daher schon zu Lebzeiten Vorsorge, etwa durch Verträge mit Bestattungsunternehmen. Das erleichtert den Erben im Todesfall die Organisation und Finanzierung der Bestattung und ist grundsätzlich sinnvoll und legitim.

Spannend wird die Sache jedoch, wenn ein noch lebender künftiger Erblasser diese Vorsorge zur Steuerersparnis nutzen möchte.

Die Idee klingt zunächst ungewöhnlich – doch genau darum ging es in einem Fall, über den das Finanzgericht (FG) Münster im Urteil vom 23. Juni 2025 (Az. 10 K 1483/24 E) entschieden hat.

Sachverhalt des Urteils

Der Kläger hatte zu Lebzeiten einen Bestattungsvorsorgevertrag abgeschlossen und dafür 6.500 Euro an ein Bestattungsunternehmen gezahlt.

Diese Aufwendung wollte er in seiner Einkommensteuererklärung 2019 als außergewöhnliche Belastung geltend machen, um seine Steuerlast zu mindern.

Seine Argumentation: Da die Bestattungskosten sonst die Erben im Nachlass belasteten und als außergewöhnliche Belastung anerkannt würden, solle dies auch für die Vorauszahlung im Rahmen der Vorsorge gelten.

Das Finanzamt erkannte dies nicht an, und so kam es zum Gerichtsverfahren.

Ergebnis der Entscheidung

Das Finanzgericht Münster bestätigte die Entscheidung des Finanzamtes und lehnte die Anerkennung der Bestattungsvorsorgeaufwendungen als außergewöhnliche Belastung ab. Die Begründung:

  • Nach § 33 EStG sind außergewöhnliche Belastungen nur solche Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, außergewöhnlich und in Höhe angemessen entstehen.
  • Die Bestattungsvorsorge ist eine freiwillige, nicht zwingende Leistung, weil jeder Mensch durch den eigenen Tod ohnehin früher oder später Bestattungskosten verursacht. Der Tod ist kein außergewöhnliches Ereignis, sondern ein absolut normales und unvermeidliches.
  • Die Vorsorgeaufwendungen gelten steuerlich nicht als Mehraufwand, sondern als Vorleistung. Ein Todesfall und dessen Kosten sind zum Zeitpunkt der Zahlung nicht eingetreten, sodass keine rechtsverbindliche Belastung vorliegt.
  • Die entsprechenden Ausgaben sind mit denen für eine Sterbegeldversicherung vergleichbar, bei der ebenfalls keine steuerliche Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung möglich ist.
  • Die Aufwendungen dienen zu Lebzeiten allein der Erleichterung für die Erben und mindern nicht die aktuelle Steuerlast des Vorsorgenden.

Fazit

Für Erblasser heißt das: Bestattungsvorsorge ist sinnvoll und entlastet die Angehörigen finanziell und organisatorisch im Ernstfall.

Steuerlich wirkt sich die Vorsorge aber nicht als außergewöhnliche Belastung oder Betriebsausgabe aus.

Der Tod ist keine außergewöhnliche Belastung im steuerlichen Sinne, sondern ein ganz normales Ereignis, das jeder Mensch betrifft.

Eine steuerliche Vorteilnahme durch vorweggenommene Bestattungskostenaufwendungen ist daher nicht möglich. Die Finanzbehörden und Gerichte setzen hier klare Grenzen.

Wenn Sie Fragen zur Bestattungsvorsorge oder zu Erbrecht und Steuerrecht haben, beraten wir Sie gern!

Ich glaube an eines: Den Rechtsstaat

Im Grundgesetz gibt es viele Freiheiten, die für unsere Gesellschaft elementar sind: etwa die Religionsfreiheit, die Erziehungsfreiheit der Eltern und das staatliche Recht auf Bildung.

Was banal klingt, hat im Alltag weitreichende Folgen, da diese Freiheiten sich gegenseitig begrenzen müssen, damit sie möglichst wirksam und gerecht umgesetzt werden können.

Juristen sprechen hier von der „praktischen Konkordanz“ – meine Mutter hätte gesagt: Die Freiheit des Einzelnen endet am Ellenbogen des Anderen. Letztlich läuft alles auf denselben Grundgedanken hinaus.

Ein wesentlicher Aspekt für das Zusammenleben in Deutschland ist daher, dass sich alle Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich an das deutsche Recht halten müssen – Ausnahmen kann es geben, wenn Grundrechte im Einzelfall etwas anderes verlangen.

Wie konkret das aussehen kann, zeigt ein Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 15.04.2025 (Az. 2 K 1112/24).

Der Fall: Religion vs. Schwimmunterricht

Eine strenggläubige Familie wollte ihre Tochter aus dem Schwimmunterricht befreien lassen.

Die Eltern beriefen sich auf die Regeln der Palmarianischen Kirche, nach denen bereits das Betreten eines Schwimmbads als „Todsünde“ gilt; der Grund: Unsittlichkeit durch die Zurschaustellung des Körpers und das Tragen von enganliegender Kleidung.

Die Familie lehnte jegliche Kompromisslösung ab – eine separate Umkleidekabine oder alternative Badebekleidung (wie ein Burkini) war für sie keine Option. Schon der Schwimmbadbesuch, so das Argument, dürfe nicht stattfinden.

Die zuständige Schule entschied gegen eine Befreiung vom Schwimmunterricht. Daraufhin klagten die Eltern vor dem Verwaltungsgericht Freiburg.

Das Urteil: Kompromiss oder Pflicht?

Das Gericht erkannte zwar an, dass die Schulpflicht den Eltern einen Widerspruch zu ihren Glaubensregeln auferlegt und somit einen Eingriff in das religiöse Erziehungsrecht darstellt (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 GG).

Allerdings genießt auch der staatliche Erziehungs- und Bildungsauftrag (Art. 7 Abs 1 GG) Verfassungsrang und muss gleichermaßen geschützt werden.rsw.beck+1

Entscheidend war: Praktische Konkordanz verlangt einen Ausgleich zwischen den Grundrechten.

Normalerweise wird versucht, einen Kompromiss zu erzielen – zum Beispiel durch organisatorische Maßnahmen wie getrennte Umkleiden oder alternative Badebekleidung. Doch die Eltern lehnten jede Kompromisslösung kategorisch ab; sie wollten absolut verhindern, dass ihre Tochter ein Schwimmbad betritt.

Eine einseitige Ausnahme im Sinne der Familie hätte die Schule und ihren Bildungsauftrag im Kern gefährdet, urteilte das Gericht.

Das Gericht stellte außerdem klar, dass ein „freiwilliger Ungehorsam“ nach ihrem eigenen Katechismus Voraussetzung für eine Sünde sei.

Da die Teilnahme am Schwimmunterricht nicht freiwillig ist und durch staatliche Vorgaben erzwungen wird, sei der Vorwurf der „Todsünde“ nicht haltbar.

Selbst bei „besonders gravierenden“ Einschränkungen obsiegt der staatliche Bildungsauftrag, da den Eltern außerhalb des Schwimmunterrichts weiterhin alle Möglichkeiten zur religiösen Erziehung ihrer Tochter offen stehen.

Einschätzung eines Familienrechtlers

Als Fachanwalt für Familienrecht komme ich persönlich mit solchen Fällen meist nur dann in Berührung, wenn Eltern in der Erziehung unterschiedlicher Meinung sind und einer sich ans Gesetz halten möchte, der andere aber nicht.

Die Diskussion um religiöse Gründe für die Befreiung vom Schwimmunterricht ist dennoch faszinierend und zeigt, welche Konflikte sich aus unserem pluralistischen Schulsystem ergeben können.

Was hier verhandelt wird, sind Grundsatzfragen des Zusammenlebens – der Rechtsstaat verlangt eine Balance zwischen individuellen Freiheiten und gemeinschaftlichen Pflichten.

Mein Fazit: Der Rechtsstaat ist stark, weil er keine absolute Freiheit gewährt, sondern den Ausgleich sucht. Und das ist gut so.

Milliarden-Unterstützung für Alleinerziehende: Der Staat greift ein – und stößt an Grenzen

Die rechtliche Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt stellt in Deutschland ein hohes gesellschaftliches Gut dar und dient vor allem dem Schutz von minderjährigen Kindern.

Wer sich dieser Pflicht entzieht oder nicht im geforderten Umfang nachkommt, muss mit erheblichen Konsequenzen rechnen: Die sogenannten erhöhten Erwerbsobliegenheiten verlangen vom Unterhaltsschuldner, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um seiner Zahlungspflicht nachzukommen. Die Nichterfüllung kann sogar strafrechtlich relevant sein (§170 StGB).

In der Praxis zeigt sich jedoch immer wieder: Viele Unterhaltsschuldner sind mit den gesetzlichen Anforderungen überfordert oder verweigern die Zahlung – und selbst nach gerichtlicher Durchsetzung verlaufen Vollstreckungsversuche oft ins Leere.

Für solche Fälle hat der Gesetzgeber die Unterhaltsvorschusskassen geschaffen. Der Zweck: Eine erste Absicherung für betreuende Elternteile und ihre Kinder, wenn der zuständige Elternteil nicht zahlt. Der Staat geht hier in Vorleistung, mit dem Ziel, sich das gezahlte Geld zurückzuholen.

Milliardenleistungen – geringe Rückholquote

Die neuesten Zahlen belegen, wie essenziell diese Absicherung ist: 2024 wurden rund 3,2Milliarden€ an Unterhaltsvorschuss ausbezahlt – 551Millionen€ mehr als im Vorjahr.

Doch die sogenannten Rückgriffquoten auf die eigentlich unterhaltspflichtigen Elternteile zeigen ein deutliches Problem: Im vergangenen Jahr konnte der Staat lediglich etwa 17% (545Millionen€) der gezahlten Beträge von den Unterhaltsschuldnern zurückholen. Die Quote ist damit sogar leicht gesunken und rangiert bereits seit Jahren auf niedrigem Niveau.n-tv

Was bedeutet das für getrennt lebende Elternteile?

Für betreuende Eltern, die vor der Herausforderung stehen, Kindesunterhalt durchzusetzen, empfiehlt sich unbedingt, parallel oder ergänzend zur zivilrechtlichen Durchsetzung über Anwalt oder Jugendamt auch die Hilfeleistung der Unterhaltsvorschusskasse zu nutzen.

Zwar liegt der Unterhaltsvorschuss etwas unter dem gesetzlichen Mindestunterhalt, doch ist er oft die einzige reale finanzielle Sicherung, wenn der andere Elternteil nicht zahlt.

Er hilft nicht nur, sofortige finanzielle Engpässe zu überbrücken, sondern gibt Kindern einen rechtlich abgesicherten Mindeststandard zur Versorgung.

Fazit: Rechtliche Durchsetzung und Vorsorge kombinieren

Die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen bleibt eine Herausforderung – sei es wegen hoher Erwerbsobliegenheiten, begrenzter Einkommensverhältnisse oder der unwilligen Zahlung.

Die Unterhaltsvorschusskassen stellen hier eine wichtige Absicherung für betreuende Eltern dar.

Daher sollte jeder, der Probleme bei der Zahlung und Durchsetzung von Kindesunterhalt erlebt, diese staatliche Unterstützung unbedingt in Anspruch nehmen – sie ist zwar nicht die ideale Lösung, aber besser als gar keine Unterstützung und kann für viele Familien existenziell sein.

„Leben Sie Ihr Leben – aber richtig!“ – Das OLG Stuttgart und die Ausübungskontrolle von Eheverträgen


Thema Eheverträge und deren Wirksamkeit – Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart vom 26. Juni 2025, Az. 11 UF 194/24)

Eheverträge dürfen bei ihrer Beurkundung nicht sittenwidrig sein und müssen am Ende der Ehezeit auch einer sogenannten Ausübungskontrolle standhalten.

Was ist die Ausübungskontrolle?

  • Die Ausübungskontrolle dient der Überprüfung, ob ein Ehevertrag in der tatsächlichen Umsetzung auch den Vorstellungen und dem fairen Ausgleich zwischen den Ehepartnern entspricht.
  • Es geht also nicht nur darum, was vertraglich vereinbart wurde, sondern auch darum, ob die getroffenen Vereinbarungen tatsächlich gelebt und umgesetzt wurden.
  • Dies ist zentral, um spätere Nachteile für einen der Partner bestmöglich zu vermeiden.

Kompensationszahlungen als Absicherung

Um eine Sittenwidrigkeit des Vertrags und mögliche Probleme bei der Ausübungskontrolle zu verhindern, hat es sich bewährt, dass der wirtschaftlich besser gestellte Ehepartner dem anderen Kompensationszahlungen zusichert.

Diese sollen künftige Nachteile ausgleichen, die trotz der vertraglichen Regelungen auftreten könnten.

Das Urteil des OLG Stuttgart im Fall des Oberarztes

Im Fall, der dem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart zugrunde lag (Beschluss vom 26. Juni 2025, Az. 11 UF 194/24), war diese Praxis ebenfalls gegeben.

Der Ehevertrag enthielt eine Ausschlussvereinbarung über den Versorgungsausgleich. Zugleich wurden Kompensationsleistungen vereinbart, die auch tatsächlich von der Ehefrau erhalten wurden.

Jedoch zeigte sich, dass die Ehefrau die erhaltenen Kompensationszahlungen nicht als Vorsorge anlegte, sondern verbrauchte.

Dies wurde vom Gericht als entscheidend angesehen. Das OLG stellte klar, dass nicht jeder Verstoß gegen die Ausübungskontrolle, also nicht jeder Fall, in dem das ursprünglich vorgesehene Ergebnis des Vertrags nicht eintrat, automatisch zur Unwirksamkeit des Ehevertrags führt. Vielmehr kommt es darauf an, ob die vereinbarten Leistungen auch tatsächlich erbracht wurden und wie sie genutzt wurden.

Die Entscheidung des OLG lautete, dass das schlichte Verbrauchen der Kompensationszahlungen anstelle einer Vorsorge nicht ausreichend ist, um den Ehevertrag als sittenwidrig anzusehen oder die Wirksamkeit infrage zu stellen. Die Ausübungskontrolle verlangt, dass die Vertragsparteien nicht nur formal vereinbarte Leistungen vorsehen, sondern auch entsprechend handeln und Vorsorge treffen.

Fazit & Empfehlung: Sicherheit durch faire Verträge

Das Urteil unterstreicht, dass die Gerichte Eheverträge streng auf ihre Billigkeit prüfen, insbesondere dann, wenn ein Partner aufgrund des Vertrags einen erheblichen Nachteil erleidet.

Empfehlung: Eheverträge sollten stets fair und ausgewogen gestaltet werden, insbesondere wenn finanzielle Verzichte oder Kompensationszahlungen geregelt werden. Bei Fragen zum Ehevertrag und Versorgungsausgleich sollten Sie immer juristischen Rat einholen

Einseitiger Zugewinnausschluss in der Unternehmerehe – Ein Blick auf das Schichtenmodell des BGH und aktuelle Rechtsprechung

Die Gestaltung von Eheverträgen in einer Unternehmerehe ist komplex, da sie unterschiedliche Rechtsbereiche berührt. Typische Problemfelder entstehen, wenn Ehepartner etwa den Zugewinnausgleich, den Versorgungsausgleich oder den Unterhalt anders als gesetzlich vorgesehen regeln wollen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hierfür ein sogenanntes Schichtenmodell entwickelt, das die verschiedenen Schutzbereiche innerhalb der Ehe klar strukturiert.

Die Lösung – Das Schichtenmodell des BGH

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner Rechtsprechung ein sogenanntes Schichtenmodell entwickelt (auch als „Schutzbereichsmodell“ bezeichnet), das die unterschiedlichen Schutzintensitäten der ehelichen Rechtsbeziehungen strukturiert.

Dieses Modell gliedert die Ehe in mehrere rechtliche „Schichten“ mit abnehmendem Schutz:

  • Kernbereich der Ehe: Trennungsunterhalt – hier besteht der stärkste gesetzliche Schutz, da es um die unmittelbare Absicherung während der Trennung geht. Die gesetzlichen Regelungen sind präzise und zwingend.
  • Versorgungsausgleich: die gesetzliche Regelung zur Aufteilung der Rentenanwartschaften nach der Scheidung ist ebenfalls stark geschützt.
  • Nachehelicher Unterhalt: hier besteht ein gewisser Gestaltungsspielraum, aber der Schutz ist noch deutlich erkennbar.
  • Zugewinnausgleich: am äußersten Rand des Modells steht der Zugewinnausgleich, der rechtlich am wenigsten geschützt ist und daher am ehesten durch Eheverträge modifiziert oder ausgeschlossen werden kann.

Diese Abstufung zeigt, dass Eingriffe in den Zugewinnausgleich grundsätzlich zulässig sind, solange sie nicht sittenwidrig oder unangemessen benachteiligend sind.

Schichtenmodell in der Praxis

In einem aktuellen Fall (BGH, Urteil vom 18. Januar 2023, Az. XII
ZB 395/24
) musste der BGH über einen Ehevertrag entscheiden, der den Zugewinnausgleich einseitig zugunsten des Unternehmers ausschloss. 

Die Ehefrau, die ein betriebswirtschaftliches Studium absolviert hatte und somit intellektuell auf Augenhöhe mit dem Ehemann war, hatte sich im Vertrag auch für die Zeit nach der Ehe abgesichert. Damit stand sie nicht völlig schutzlos da.

Der BGH stellte fest, dass die schwache Bindung des Zugewinnausgleichs es in diesem Fall nicht rechtfertigte, den Ehevertrag als sittenwidrig oder unwirksam zu verwerfen. Das Gericht betonte, dass der einseitige Ausschluss in einer Unternehmerehe zulässig sein kann, solange keine groben Ungerechtigkeiten vorliegen und die wirtschaftlich schwächere Partei nicht unangemessen benachteiligt wird.

Fazit & Empfehlung

Dieses Urteil verdeutlicht, dass Eheverträge in Unternehmerehen, die den Zugewinnausgleich ausschließen, wirksam sein können. Entscheidend ist dabei, dass die individuellen Umstände beider Partner berücksichtigt werden und der Vertrag transparent und fair gestaltet ist. Für die Rechtspraxis empfiehlt es sich, die Abstufung des BGH-Modells genau zu beachten, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

  • Kernbotschaft: Ein Zugewinnausschluss ist grundsätzlich zulässig, muss jedoch die Billigkeitsprüfung des BGH-Modells bestehen.

  • Empfehlung: Unternehmer und ihre Partner sollten stets juristische Beratung suchen, um einen klaren und ausgewogenen Vertrag zu erstellen, der die Absicherung der schwächeren Partei gewährleistet.

„Deine, meine, unsere“ -– Erbrecht in Patchworkfamilien: OLG Düsseldorf klärt Testament-Formulierung

Patchworkfamilien stehen vor besonderen Herausforderungen, wenn es um das Erbrecht geht. Ein jüngstes Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf wirft ein wichtiges Licht auf die Auslegung von Testamenten in solchen Konstellationen und unterstreicht die Notwendigkeit präziser Formulierungen. rsw.beck

Der Sachverhalt: Wer ist der „Sohn“?

Ein kinderloser Mann, der in einer Patchworkfamilie lebte, setzte in seinem Testament den „Sohn“ seiner Ehefrau als Erben ein. Nach seinem Tod entstand ein Rechtsstreit darüber, ob der Stiefsohn tatsächlich als Erbe gemeint war.

Das Urteil und seine Begründung

Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 17.01.2024, Az.: 3 Wx 116/25) entschied, dass der Stiefsohn als Erbe anzusehen ist. Die Richter begründeten dies damit, dass es für die Erbeinsetzung auf den wirklichen Willen des Erblassers ankommt, der aus dem gesamten Testament und den Umständen abgeleitet werden kann.

Das Gericht stellte fest:

  • Die Formulierung „mein Sohn“ konnte in diesem spezifischen Fall eindeutig dem Stiefsohn zugeordnet werden.

  • Maßgeblich sei der im Testament erkennbare Wille des Verfassers und die Gesamtumstände.

  • Ein Erbschein war daher zu erteilen.
  • Das Urteil unterstreicht, dass vage Formulierungen wie „mein Sohn“ oder „meine Familie“ jedoch erhebliche Unsicherheiten und Rechtsstreitigkeiten verursachen können.

Fazit & Empfehlung: Klare Formulierungen schaffen Sicherheit

Dieses Urteil ist ein klares Signal an Patchworkfamilien: Vertrauen Sie bei der Testamentserstellung nicht auf die Annahme, dass der Wille offensichtlich ist. Um Missverständnisse und Streitigkeiten unter den Erben zu vermeiden, ist eine klare und unmissverständliche Sprache entscheidend.

  • Kernbotschaft: Der Wille des Erblassers ist entscheidend, doch vage Formulierungen im Testament können zu langen Rechtsstreitigkeiten führen.

  • Empfehlung: Holen Sie fachkundigen juristischen Rat ein, um Ihren letzten Willen unmissverständlich zu formulieren.

 

Testierfreiheit: Ein hohes Gut mit (wenigen) Grenzen – Aktuelle Entwicklungen im Erbrecht

Testierfreiheit: Ein hohes Gut mit (wenigen) Grenzen – Aktuelle Entwicklungen im Erbrecht

Die Testierfreiheit ist für mich eine der schönsten und zugleich wichtigsten Errungenschaften unseres Erbrechts.

Sie bedeutet, dass jeder Erblasser grundsätzlich frei darüber verfügen kann, was nach seinem Tod mit seinem Vermögen geschieht.

Diese Freiheit ist Ausdruck von Selbstbestimmung und persönlicher Lebensgestaltung – und sie ist rechtlich ein sehr hohes Gut.

Die Grenzen der Testierfreiheit

Natürlich ist die Testierfreiheit nicht grenzenlos. Sie wird im Wesentlichen durch zwei Dinge beschränkt:

  • Formvorschriften: Ein Testament muss bestimmte formale Anforderungen erfüllen, um wirksam zu sein (§§ 2231 ff. BGB).

  • Gesetzliche Vorgaben: Hierzu zählt vor allem das Pflichtteilsrecht (§§ 2303 ff. BGB), das sicherstellt, dass nahe Angehörige nicht vollkommen leer ausgehen.

Darüber hinaus gibt es aber auch gesetzliche Verbote bestimmter erbrechtlicher Regelungen.

Sittenwidrigkeit und das „Geliebte Testament“

Ein klassisches Beispiel für eine Grenze der Testierfreiheit war lange Zeit das sogenannte „geliebte Testament“.

Damit ist gemeint, dass ein Erblasser etwa seine Geliebte testamentarisch bevorzugt, was früher als sittenwidrig angesehen werden konnte. In der Rechtsprechung wurde dies vor allem dann angenommen, wenn das Testament Ausdruck einer sittenwidrigen Beziehung oder eines besonders anstößigen Verhaltens war (§ 138 BGB).

Aus meiner Sicht ist dieses Thema heute weitgehend überholt. Die gesellschaftliche Liberalisierung der letzten Jahrzehnte hat dazu geführt, dass solche Testamente kaum noch als sittenwidrig eingestuft werden.

In den letzten 20 Jahren ist mir persönlich kein einziger Fall begegnet, in dem ein Testament wegen Sittenwidrigkeit im Zusammenhang mit einer Liebesbeziehung für nichtig erklärt wurde.

Die Lebensentwürfe sind vielfältiger geworden – und das spiegelt sich auch im Erbrecht wider.

Neue Entwicklungen: Zuwendungen an Berater und Betreuer

Was sich dagegen in den letzten Jahren häuft, sind Fälle, in denen Berater oder Betreuer des Erblassers im Testament bedacht werden.

Hier stellt sich die Frage, ob diese Personen ihre besondere Stellung möglicherweise ausnutzen, um sich selbst zu begünstigen.

Besonders sensibel ist das Verhältnis zwischen Arzt und Patient, Anwalt und Mandant oder Betreuer und Betreutem.

Der Fall vor dem BGH

Im entschiedenen Fall hatte eine Patientin ihren langjährigen Hausarzt testamentarisch zum Alleinerben eingesetzt.

Die Erben der Patientin hielten dies für unzulässig und beriefen sich auf das berufsrechtliche Zuwendungsverbot für Ärzte (§ 14 Abs. 7 Musterberufsordnung-Ärzte).

Der BGH (Urteil vom 15.05.2024, IV ZR 93/24) entschied, dass das berufsrechtliche Zuwendungsverbot für Ärzte grundsätzlich keine Auswirkungen auf die zivilrechtliche Wirksamkeit eines Testaments hat.

Das bedeutet: Auch wenn ein Arzt nach der Berufsordnung eine Zuwendung nicht annehmen darf, bleibt das Testament zivilrechtlich wirksam.

Die Erben können sich also nicht auf eine Unwirksamkeit des Testaments berufen.

Allenfalls kann die Ärztekammer berufsrechtliche Maßnahmen gegen den Arzt ergreifen.

Rechtliche Einordnung

Der BGH stellt klar:

  • Das Zuwendungsverbot nach § 14 Abs. 7 MBO-Ärzte ist ein berufsrechtliches Verbot, das keine zivilrechtliche Nichtigkeitsfolge nach sich zieht.

  • Die Testierfreiheit bleibt also auch in solchen Fällen grundsätzlich bestehen.

  • Nur in Ausnahmefällen, etwa bei einer nachweislichen Ausnutzung einer Willensschwäche des Erblassers oder bei Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB), könnte ein Testament sittenwidrig und damit nichtig sein.

Fazit

Die Testierfreiheit bleibt ein hohes Gut, das nur in wenigen Ausnahmefällen eingeschränkt wird.

Die Rechtsprechung des BGH zeigt, dass berufsrechtliche Verbote nicht automatisch zu einer Unwirksamkeit von Testamenten führen.

Dennoch bleibt ein gewisser Schutzmechanismus bestehen: Wird die Willensschwäche des Erblassers ausgenutzt, kann das Testament im Einzelfall sittenwidrig und damit nichtig sein.

Für mich bleibt die Testierfreiheit ein Ausdruck von persönlicher Freiheit – und das ist gut so. Die wenigen Grenzen, die das Recht setzt, sind sinnvoll und dienen dem Schutz der Schwächeren, ohne die Selbstbestimmung des Einzelnen unnötig einzuschränken.


Wenn der Gläubiger nicht mitspielt: Wie Schuldner trotzdem schuldbefreiend leisten können

Wer als Anwalt im Forderungsmanagement tätig ist, kennt das: Schuldner versuchen regelmäßig, eine Zahlung zu vermeiden – sei es, weil sie die Forderung bestreiten, die Höhe anzweifeln oder die Fälligkeit in Frage stellen.

Doch manchmal erleben wir das genaue Gegenteil: Der Schuldner möchte zahlen, aber der Gläubiger macht es ihm schwer – etwa, indem er die Annahme der Zahlung verweigert oder keine Kontoverbindung mitteilt.

Genau mit dieser Konstellation hatte sich das Landgericht Baden-Baden auseinanderzusetzen (LG Baden-Baden, Urteil vom 22.03.2024, 2 S 24/24, beck-link).

Im zugrundeliegenden Fall wollte der Schuldner einen Betrag zahlen und forderte vom Gläubiger die Mitteilung einer Bankverbindung. Der Gläubiger verweigerte dies – und der Schuldner klagte auf Auskunft. Doch das Gericht stellte klar: Ein Anspruch auf Mitteilung der Bankverbindung besteht nicht.

Die Rechtslage: Kein Anspruch auf Kontoverbindungsmitteilung

Das Landgericht Baden-Baden hat deutlich gemacht, dass ein Schuldner grundsätzlich keinen Anspruch darauf hat, vom Gläubiger eine Bankverbindung zur Zahlung zu erhalten.

Maßgeblich ist hier § 362 Abs. 1 BGB, wonach die Leistung an den Gläubiger zur Erfüllung führt. Wie diese Leistung zu erbringen ist, bestimmt sich nach dem Schuldverhältnis und den Umständen des Einzelfalls.

Zwar kann eine Überweisung mit Einverständnis des Gläubigers eine ordnungsgemäße Leistung sein (§ 270 BGB), doch ist der Gläubiger grundsätzlich nicht verpflichtet, eine Bankverbindung bekanntzugeben.

Auch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) lässt sich ein solcher Anspruch nicht ableiten, wie bereits das OLG München (Urteil vom 18.06.2013, 18 U 4555/12) und das OLG Frankfurt (Urteil vom 14.12.2015, 1 U 102/15) entschieden haben.

Die Lösung des Gesetzgebers: Hinterlegung nach §§ 372 ff. BGB

Was bleibt dem zahlungswilligen Schuldner? Der Gesetzgeber hat hierfür eine klare Regelung geschaffen: Die Möglichkeit der Hinterlegung.

Nach § 372 BGB kann der Schuldner eine Geldschuld bei einer Hinterlegungsstelle (in der Regel die Gerichtskasse) hinterlegen, wenn der Gläubiger die Annahme der Leistung verweigert oder – wie im vorliegenden Fall – die zur Leistung erforderlichen Mitwirkungshandlungen unterlässt.

Das Gericht betont: Die Hinterlegung ist das gesetzlich vorgesehene Mittel, um den Schuldner zu schützen und ihm eine schuldbefreiende Leistung zu ermöglichen, wenn der Gläubiger nicht mitwirkt. Ein Anspruch auf Preisgabe der Bankverbindung würde dieses System unterlaufen.

Wichtig: Die Hinterlegung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich (§ 372 BGB). Der Schuldner muss die Leistung anbieten und der Gläubiger muss die Annahme verweigern oder sich in Annahmeverzug befinden (§ 293 BGB).

Praxistipp: Die Tücken der Hinterlegung

Aus der anwaltlichen Praxis weiß ich: Die Beantragung einer Hinterlegung ist oft mit Hürden verbunden.

Gerichte prüfen sehr genau, ob tatsächlich die Voraussetzungen für eine Hinterlegung vorliegen. Die Antragsformalien sind streng, und häufig werden Nachweise oder weitere Erklärungen verlangt.

Es ist daher ratsam, sich anwaltlicher Hilfe zu bedienen, auch wenn dies zunächst Mehrkosten verursacht. Diese Kosten können unter Umständen später vom Gläubiger zurückgefordert werden, wenn dieser sich unberechtigt weigert, die Leistung anzunehmen.

Fazit

Auch wenn es paradox klingt: Nicht immer ist das Problem, dass Schuldner nicht zahlen wollen – manchmal lässt der Gläubiger die Zahlung schlicht nicht zu.

Für diese Fälle hat der Gesetzgeber mit der Hinterlegung eine klare Lösung geschaffen.

Ein Anspruch auf Mitteilung der Bankverbindung besteht jedoch nicht. Wer als Schuldner in eine solche Situation gerät, sollte nicht zögern, anwaltlichen Rat einzuholen, um die schuldbefreiende Leistung rechtssicher zu erbringen.

Sie haben Fragen zur Hinterlegung oder benötigen Unterstützung bei der Durchsetzung oder Abwehr von Zahlungsansprüchen?
Kontaktieren Sie uns – wir beraten Sie kompetent und praxisnah!

Umbettung einer Urne wegen „trostloser“ Friedwiese? – VG Hannover betont Bedeutung der letzten Ruhestätte

Das Verwaltungsgericht Hannover (VG Hannover, Urteil vom 13.03.2024, 1 A 3479/23) hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, wie hoch die rechtlichen Hürden für die Umbettung einer Urne sind, wenn Angehörige mit der gewählten letzten Ruhestätte im Nachhinein unzufrieden sind.

„Keine Umbettung wegen ‚trostloser‘ Friedwiese“ – so lässt sich die Entscheidung zusammenfassen.

Sachverhalt

Im zugrundeliegenden Fall hatte ein Erbe nach der Beisetzung seiner verstorbenen Mutter auf einer pflegefreien Urnengrabstelle („Friedwiese“) festgestellt, dass die Gestaltung der Grabstätte nicht seinen Vorstellungen entsprach. Die Fläche war – wie bei vielen modernen Friedwiesen üblich – schlicht gehalten, ohne individuelle Bepflanzung oder Grabschmuck.

Der Erbe empfand die Ruhestätte als „trostlos“ und beantragte daher die Umbettung der Urne auf einen anderen Friedhof. Zugleich wollte er den Vertrag mit dem Friedhofsbetreiber kündigen und die gezahlten Gebühren zurückfordern.

Rechtliche Würdigung

Das Gericht stellte klar, dass das postmortale Persönlichkeitsrecht und die Totenruhe (§ 1 Abs. 1 Nds. Bestattungsgesetz – BestattG) einen besonders hohen Stellenwert genießen. Die „letzte Ruhestätte“ ist rechtlich tatsächlich als solche zu verstehen – ein späterer Ortswechsel ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig.

Die maßgeblichen Vorschriften sind:

  • § 1 Abs. 1 Nds. Bestattungsgesetz (BestattG): Schützt die Würde Verstorbener und die Totenruhe.

  • § 15 BestattG: Regelt die Umbettung von Leichen und Urnen. Eine Umbettung ist nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und nach behördlicher Genehmigung zulässig.

Das Gericht betonte,

  • dass die Unzufriedenheit mit der Gestaltung der Grabstätte oder eine nachträglich als „trostlos“ empfundene Atmosphäre keinen wichtigen Grund im Sinne des Gesetzes darstellt.
  • Die Entscheidung über die letzte Ruhestätte ist endgültig und kann nicht beliebig revidiert werden.
  • Der Vertrag mit dem Friedhofsbetreiber kann nicht einfach wegen Unzufriedenheit gekündigt werden, sofern die vereinbarte Leistung – hier die Beisetzung auf einer pflegefreien Friedwiese – ordnungsgemäß erbracht wurde.

Rechtsprechung: Die letzte Ruhestätte ist (fast) endgültig

Die Rechtsprechung nimmt das Prinzip der letzten Ruhestätte sehr ernst.

Nur in besonderen Ausnahmefällen, etwa bei schwerwiegenden Störungen der Totenruhe oder zwingenden familiären Gründen, kann eine Umbettung genehmigt werden (vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 09.01.2017, 8 ME 189/16).

Die bloße Unzufriedenheit mit der Gestaltung oder Atmosphäre des Grabfeldes reicht hierfür nicht aus.

Fazit & Empfehlung

Das Urteil des VG Hannover unterstreicht, dass die Wahl einer Grabstätte eine nahezu endgültige Entscheidung ist. Persönliche Unzufriedenheit mit dem Erscheinungsbild einer Friedwiese oder einer anderen Bestattungsform reicht nicht aus, um die richterlich geschützte Totenruhe zu brechen.

  • Die Umbettung einer Urne oder eines Sarges ist in der Rechtsprechung an strengste Voraussetzungen geknüpft.

  • Empfehlung für Hinterbliebene: Wägen Sie die Entscheidung für eine Bestattungsart und Grabstätte sorgfältig ab, da eine nachträgliche Änderung rechtlich kaum durchsetzbar ist.

Elternunterhalt, Sozialhilferegress und die „Einheit der Rechtsordnung“ – Wenn Theorie und Praxis auseinandergehen

Jurastudierende lernen schon im ersten Semester das Schlagwort von der Einheit der Rechtsordnung: Ein und dieselbe Rechtsfrage soll in allen Rechtsgebieten möglichst gleich beantwortet werden.

Doch die Praxis zeigt, dass diese Einheit oft an den Grenzen der einzelnen Rechtsgebiete scheitert.

Besonders deutlich wird dies im Spannungsfeld zwischen dem Unterhaltsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und dem Sozialrecht, wie ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zeigt (BGH, Beschluss vom 23.10.2024 – XII ZB 6/24).

Der Fall: Elternunterhalt und Einkommensgrenze

Im entschiedenen Fall verlangte ein Sozialhilfeträger von einem Sohn die Erstattung von Pflegekosten für seine Mutter, nachdem diese Sozialhilfe bezogen hatte.

Der Sohn hatte ein Jahresbruttoeinkommen von 133.000 €, also über der im Angehörigen-Entlastungsgesetz (§ 94 Abs. 1a SGB XII) festgelegten Grenze von 100.000 €.

Die Vorinstanzen hatten argumentiert, dass der Sohn wegen seines tatsächlichen Nettoeinkommens und der zu berücksichtigenden Selbstbehaltsgrenzen nicht leistungsfähig sei.

Der BGH aber stellte klar: Die Einkommensgrenze von 100.000 € in § 94 Abs. 1a SGB XII ist eine absolute Bruttogrenze. Wird sie überschritten, gehen sämtliche Unterhaltsansprüche auf den Sozialhilfeträger über. Die unterhaltsrechtlichen Selbstbehaltsregelungen (z. B. § 1603 BGB) oder eine pauschale Nettojahresgrenze spielen hier keine Rolle.

Die maßgeblichen Paragrafen

  • § 1601 BGB: Begründet die Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber ihren Eltern.

  • § 1603 BGB: Regelt die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und den Selbstbehalt.

  • § 94 SGB XII: Ordnet den Übergang von Unterhaltsansprüchen auf den Sozialhilfeträger an, wenn Sozialhilfe gewährt wird.

  • § 94 Abs. 1a SGB XII: Schließt den Übergang von Unterhaltsansprüchen aus, wenn das Jahresbruttoeinkommen des Kindes unter 100.000 € liegt.

Unterschiedliche Rechtsfolgen in BGB und SGB XII

Aspekt Unterhaltsrecht (BGB) Sozialrecht (SGB XII, § 94 Abs. 1a)
Maßstab für Leistungsfähigkeit Individuelle Prüfung nach Einkommen, Selbstbehalt, weiteren Verpflichtungen (§§ 1603, 1610 BGB) Starre Bruttogrenze von 100.000 € (§ 94 Abs. 1a SGB XII)
Berücksichtigung von Freibeträgen/ Ja, detaillierte Einzelfallprüfung, z. B. Mindestselbstbehalt von 2.650 € (BGH, 23.10.2024, XII ZB 6/24) Nein, sobald die Bruttogrenze überschritten ist, keine weitere Prüfung
Selbstbehalt    
Überleitung auf Sozialhilfeträger Nur bei Leistungsfähigkeit nach BGB-Maßstäben Automatisch bei Überschreiten der Bruttogrenze, unabhängig vom realen Nettoeinkommen
 

Der BGH hat ausdrücklich betont, dass die sozialrechtliche Wertung des Angehörigen-Entlastungsgesetzes nicht in das bürgerliche Unterhaltsrecht „hineinstrahlt“.

Die Einkommensgrenze des § 94 Abs. 1a SGB XII ist nicht analog auf andere unterhaltsrechtliche oder schenkungsrechtliche Fragen übertragbar (BGH, Urteil vom 16.04.2024 – X ZR 14/23).

Fazit: Einheit der Rechtsordnung – ein Wunschtraum?

Der Fall zeigt exemplarisch, dass die Einheit der Rechtsordnung in der Praxis an den Grenzen der einzelnen Rechtsgebiete scheitert.

Während das Unterhaltsrecht des BGB eine individuelle Prüfung der Leistungsfähigkeit vorsieht, zieht das Sozialrecht eine starre Bruttogrenze.

Wer also im Sozialrecht die Einkommensgrenze überschreitet, kann sich nicht auf unterhaltsrechtliche Freibeträge oder Selbstbehalte berufen. Umgekehrt wirkt das Angehörigen-Entlastungsgesetz nicht auf andere bürgerlich-rechtliche Ansprüche aus.

Wichtiger Hinweis:
Ich biete selbst keine sozialrechtliche Beratung an. Für Fragen zum Sozialrecht, insbesondere zum Sozialhilferegress, verweise ich gerne auf meinen Kooperationspartner Herrn Holger Thiess, Fachanwalt für Sozialrecht.

Ein interessantes Urteil aus dem Mietrecht – und warum Worte für Juristen zählen

Obwohl ich seit Jahren kein Mietrecht mehr bearbeite, ist mir unlängst ein Urteil begegnet, das ich für so allgemein bedeutsam halte, dass ich es an dieser Stelle vorstellen möchte.

Es zeigt exemplarisch, wie entscheidend präzise Formulierungen und schriftliche Bestätigungen im juristischen Alltag sind – und wie schnell sich daraus weitreichende Konsequenzen ergeben können.

Der Sachverhalt des Urteils

Im Mittelpunkt des Urteils stand die Frage, wie mit der Wohnsituation nach einer Trennung umzugehen ist, insbesondere wenn die Wohnung nicht dem Paar selbst, sondern beispielsweise der Schwiegermutter gehört.

Nach einer Trennung muss die Wohnsituation oft neu geregelt werden. Gerade in Zeiten von knappem und teurem Wohnraum führt dies regelmäßig zu Streitigkeiten darüber, wer in der bisherigen Ehewohnung verbleiben darf.

Im konkreten Fall vor dem Oberlandesgericht Celle (Urteil vom 03.04.2024 – 21 UF 237/24) ging es darum, dass nach der Trennung eines Ehepaares die Wohnung der Schwiegermutter gehörte.

Die zentrale Frage war: Wer darf bleiben? Und wie lange?

Das Gericht musste klären, ob und wie lange ein Ehepartner nach der Trennung in der Wohnung verbleiben kann, wenn diese einem Dritten (hier der Schwiegermutter) gehört.

Besonders relevant wurde dies, als die Schwiegermutter Eigenbedarf anmeldete und die Nutzung der Wohnung durch das getrennte Paar beenden wollte.

Maßgebliche Paragrafen

Für die Entscheidung waren folgende Vorschriften maßgeblich:

  • § 1361b BGB: Regelt die Zuweisung der Ehewohnung an einen Ehegatten
    während der Trennung.
  • § 1568a BGB: Regelt die Wohnungszuweisung nach der Scheidung.

Die Vorschriften verlangen eine Abwägung der Interessen beider Ehegatten sowie gegebenenfalls der Kinder und berücksichtigen auch die Eigentumsverhältnisse und Lebensumstände.

Das OLG Celle stellte klar, dass bei einer Wohnung im Eigentum Dritter das Nutzungsrecht des Ehegatten nicht grenzenlos ist.

Insbesondere kann der Eigentümer – hier die Schwiegermutter – unter bestimmten Voraussetzungen Eigenbedarf geltend machen und so die Nutzung durch das getrennte Paar beenden (OLG Celle, Urteil vom 03.04.2024 – 21 UF 237/24).

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