Erbstreit um wertvolle Briefmarkensammlung: Stieftochter gegen Putzfrau

Auch dieser Fall aus London zeigt eindrucksvoll, wie komplex erbrechtliche Streitigkeiten sein können. Vor dem Central London County Court wird derzeit ein Rechtsstreit zwischen der Stieftochter und der ehemaligen Haushaltshilfe eines verstorbenen 90-jährigen Mannes ausgetragen.

Der Sachverhalt:

  • Der Erblasser hinterließ ein Vermögen von ca. 300.000 Euro
  • In seinem Testament von 2019 bedachte er seine drei leiblichen Töchter mit je 18.000 Euro
  • Seine Stieftochter erhielt lediglich einen symbolischen Betrag von einem Pfund
  • Der Hauptteil des Erbes, eine Briefmarkensammlung im Wert von 240.000 Euro, ging an seine ehemalige Putzkraft
  • Die Briefmarkensammlung wurde der Putzkraft kurz vor dem Tod für einen symbolischen Preis von einem Pfund verkauft

Der Rechtsstreit: Die Stieftochter ficht nun diesen Vorgang vor Gericht an, da sie die Verfügung für unwirksam hält.

Rechtliche Würdigung nach englischem Recht

Im englischen Zivilrecht herrscht grundsätzlich Testierfreiheit. Der Erblasser war somit berechtigt, seine Stieftochter zu enterben und sein Vermögen der Putzfrau zu vermachen. Allerdings könnte die Beinahe-Schenkung unwirksam sein, wenn nachgewiesen wird, dass sie nur dazu diente, den Nachlass zu schmälern.

Vergleich mit deutschem Erbrecht

In Deutschland wäre der Fall anders zu beurteilen:

  1. Pflichtteilsansprüche: Die leiblichen Kinder hätten Anspruch auf den Pflichtteil, der die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt.

  2. Pflichtteilsergänzungsanspruch: Die Schenkung der Briefmarkensammlung würde für die Berechnung des Pflichtteils berücksichtigt, abhängig vom Zeitpunkt der Schenkung.

  3. Gemischte Schenkung: Der Verkauf der Briefmarkensammlung unter Wert würde als gemischte Schenkung behandelt.

  4. Position der Stieftochter: Als nicht leibliches Kind hätte die Stieftochter keinen Pflichtteilsanspruch. Ihre einzige Möglichkeit wäre, das neuere Testament anzufechten.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Der Fall verdeutlicht die erheblichen Unterschiede zwischen englischem und deutschem Erbrecht. Während in England die Testierfreiheit im Vordergrund steht, schützt das deutsche Recht die Interessen der nächsten Angehörigen durch Pflichtteilsansprüche.

Für die Praxis ergeben sich folgende Empfehlungen:

  1. Frühzeitige Planung: Eine sorgfältige Nachlassplanung kann spätere Streitigkeiten vermeiden.

  2. Rechtliche Beratung: Bei komplexen familiären Verhältnissen oder größeren Vermögenswerten ist eine fachkundige Beratung unerlässlich.

  3. Dokumentation: Schenkungen zu Lebzeiten sollten sorgfältig dokumentiert werden, um spätere Anfechtungen zu erschweren.

  4. Berücksichtigung von Pflichtteilsansprüchen: In Deutschland sollten bei der Nachlassplanung stets die gesetzlichen Pflichtteilsansprüche beachtet werden.

  5. Internationale Aspekte: Bei grenzüberschreitenden Erbfällen ist besondere Vorsicht geboten, da unterschiedliche Rechtssysteme zu unerwarteten Ergebnissen führen können.

Eine vorausschauende und rechtssichere Gestaltung des letzten Willens kann helfen, den Familienfrieden auch über den Tod hinaus zu bewahren und kostspielige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Erbstreit um wertvolle Briefmarkensammlung: Stieftochter gegen Putzfrau was last modified: November 29th, 2024 by Kai Breuning

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