Archiv für Kategorie: Familienrecht

Texting oder wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte

Konflikte in der Familie, insbesondere wenn Kinder involviert sind, können durch digitale Kommunikation über Messenger-Dienste wie WhatsApp verschärft werden. Oft führt diese Art der schnellen und emotionalen Kommunikation zu Missverständnissen und weiteren Streitigkeiten. 

Eine aktuelle Studie belegt, dass eine Mehrheit der Deutschen Beziehungskonflikte zunehmend in die virtuelle Welt verlagert – und das meist per Textnachricht.In diesen Fällen freut sich sprichwörtlich der „Dritte“, der Rechtsanwalt oder das Gericht, die sich später durch unklare und fragmentierte Kommunikationsverläufe kämpfen müssen.

Messenger-Dienste als Konfliktverstärker

In meinen Erfahrungen zeigt sich immer wieder, dass Messenger-Dienste wie WhatsApp oder ähnliche in emotional schwierigen Situationen von vielen Menschen nicht mehr sinnvoll bedient werden können.

Deshalb empfehle ich meinen Mandanten in solchen Fällen, Messenger eher zu vermeiden und stattdessen E-Mails zu nutzen.

Streit in der digitalen Welt: „Fexting“

  • Fast zwei Drittel (63 Prozent) haben bereits Streitigkeiten per Messenger mit ihrem Partner geführt. Dabei empfinden viele, dass über Textnachrichten schneller Streit entsteht als in persönlichen Gesprächen.

  • Zudem wird das Phänomen „Fexting“ genannt, eine Kombination aus „Fighting“ und „Texting“ – also streiten per Schreiben.

  • Besonders verbreitet ist es bei Jüngeren: 84 Prozent der 18- bis 39-Jährigen kennen das. Emojis können dabei Missverständnisse auslösen oder Streits abmildern, aber insgesamt ist die Kommunikation per Messenger in Konfliktsituationen oft problematisch.

Die Lösung: Digitale Werkzeuge zur Deeskalation

Um Streitigkeiten zu vermeiden und eine sachliche Kommunikation zu ermöglichen, empfiehlt sich die Nutzung von speziellen Apps für getrennte Eltern. Diese Dienste bieten eine neutrale Plattform und können die Kommunikation deutlich verbessern.

Ein Beispiel ist die App „Getrennt Gemeinsam“, die folgende Funktionen bietet:

  • Ein gemeinsamer Kalender zur besseren Organisation.

  • Die Möglichkeit zum Austausch wichtiger Dokumente (z. B. Schulzeugnisse).

  • Ein interner Messenger, der eine sachliche Kommunikation fördert.

Fazit & Empfehlung: Kommunikation mit Bedacht wählen

Die Wahl des richtigen Kommunikationsmittels ist im Konfliktfall entscheidend. Statt schneller, emotionaler Textnachrichten über Messenger-Dienste ist es ratsam, auf klarere und weniger missverständliche Kommunikationswege zu setzen.

  • Kernbotschaft: Emotionale Konflikte per Messenger-Dienst zu führen, verschärft den Streit.

  • Empfehlung: Setzen Sie auf spezialisierte Apps oder E-Mails, um die Kommunikation zu deeskalieren und Sachverhalte klar zu dokumentieren.

Milliarden-Unterstützung für Alleinerziehende: Der Staat greift ein – und stößt an Grenzen


Milliarden-Unterstützung für Alleinerziehende: Der Staat stößt an seine Grenzen

Die Zahlung von Kindesunterhalt ist eine zentrale gesetzliche Pflicht. Wer dieser nicht nachkommt, muss mit Konsequenzen rechnen – von erhöhten Erwerbsobliegenheiten bis hin zur möglichen Strafbarkeit (§ 170 StGB). Doch in der Praxis zeigt sich, dass Vollstreckungsversuche oft ins Leere laufen. Der Staat greift daher über die Unterhaltsvorschusskasse ein und geht in Milliardenhöhe in Vorleistung.

Milliardenleistungen – geringe Rückholquote

Die staatliche Unterhaltsvorschusskasse dient als erste finanzielle Absicherung für den betreuenden Elternteil und die Kinder, wenn der eigentlich zuständige Elternteil nicht zahlt. Der Staat zahlt in diesen Fällen vorab aus, um sich das Geld anschließend vom Unterhaltsschuldner zurückzuholen.

Aktuelle Zahlen belegen die Herausforderung:

  • Im Jahr 2024 wurden rund 3,2 Milliarden Euro an Unterhaltsvorschuss ausbezahlt.

  • Die sogenannte Rückgriffquote auf die unterhaltspflichtigen Elternteile liegt jedoch bei nur etwa 17 %.

  • Trotz der hohen staatlichen Vorleistung kann nur ein geringer Teil der Gelder von den Schuldnern zurückgefordert werden. n-tv

Was bedeutet das für getrennt lebende Elternteile?

Die geringe Rückholquote unterstreicht, dass die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen zivilrechtlich schwierig bleibt. Für betreuende Eltern ist der Unterhaltsvorschuss daher eine existenzielle Notwendigkeit, selbst wenn er unter dem gesetzlichen Mindestunterhalt liegt.

Empfehlungen für die Praxis:

  • Nutzen Sie parallel zur zivilrechtlichen Durchsetzung unbedingt die Hilfe der Unterhaltsvorschusskasse.

  • Der Vorschuss überbrückt sofortige finanzielle Engpässe und sichert Kindern einen Mindeststandard zur Versorgung.


Fazit: Rechtliche Durchsetzung und staatliche Vorsorge kombinieren

Die Durchsetzung des Kindesunterhalts bleibt eine große gesellschaftliche und juristische Herausforderung. Die Unterhaltsvorschusskassen sind zwar teuer für den Staat, stellen aber eine unverzichtbare Absicherung dar. Jeder betreuende Elternteil, der Probleme bei der Zahlung erlebt, sollte diese staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen.

  • Kernbotschaft: Die Unterhaltsvorschusskasse ist die wichtigste reale finanzielle Sicherung, da zivilrechtliche Vollstreckungen oft scheitern.

  • Empfehlung: Anspruchsberechtigte sollten Unterhaltsvorschuss unbedingt nutzen und die rechtliche Durchsetzung des Unterhalts parallel verfolgen.

 

„Leben Sie Ihr Leben – aber richtig!“ – Das OLG Stuttgart und die Ausübungskontrolle von Eheverträgen


Thema Eheverträge und deren Wirksamkeit – Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart vom 26. Juni 2025, Az. 11 UF 194/24)

Eheverträge dürfen bei ihrer Beurkundung nicht sittenwidrig sein und müssen am Ende der Ehezeit auch einer sogenannten Ausübungskontrolle standhalten.

Was ist die Ausübungskontrolle?

  • Die Ausübungskontrolle dient der Überprüfung, ob ein Ehevertrag in der tatsächlichen Umsetzung auch den Vorstellungen und dem fairen Ausgleich zwischen den Ehepartnern entspricht.
  • Es geht also nicht nur darum, was vertraglich vereinbart wurde, sondern auch darum, ob die getroffenen Vereinbarungen tatsächlich gelebt und umgesetzt wurden.
  • Dies ist zentral, um spätere Nachteile für einen der Partner bestmöglich zu vermeiden.

Kompensationszahlungen als Absicherung

Um eine Sittenwidrigkeit des Vertrags und mögliche Probleme bei der Ausübungskontrolle zu verhindern, hat es sich bewährt, dass der wirtschaftlich besser gestellte Ehepartner dem anderen Kompensationszahlungen zusichert.

Diese sollen künftige Nachteile ausgleichen, die trotz der vertraglichen Regelungen auftreten könnten.

Das Urteil des OLG Stuttgart im Fall des Oberarztes

Im Fall, der dem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart zugrunde lag (Beschluss vom 26. Juni 2025, Az. 11 UF 194/24), war diese Praxis ebenfalls gegeben.

Der Ehevertrag enthielt eine Ausschlussvereinbarung über den Versorgungsausgleich. Zugleich wurden Kompensationsleistungen vereinbart, die auch tatsächlich von der Ehefrau erhalten wurden.

Jedoch zeigte sich, dass die Ehefrau die erhaltenen Kompensationszahlungen nicht als Vorsorge anlegte, sondern verbrauchte.

Dies wurde vom Gericht als entscheidend angesehen. Das OLG stellte klar, dass nicht jeder Verstoß gegen die Ausübungskontrolle, also nicht jeder Fall, in dem das ursprünglich vorgesehene Ergebnis des Vertrags nicht eintrat, automatisch zur Unwirksamkeit des Ehevertrags führt. Vielmehr kommt es darauf an, ob die vereinbarten Leistungen auch tatsächlich erbracht wurden und wie sie genutzt wurden.

Die Entscheidung des OLG lautete, dass das schlichte Verbrauchen der Kompensationszahlungen anstelle einer Vorsorge nicht ausreichend ist, um den Ehevertrag als sittenwidrig anzusehen oder die Wirksamkeit infrage zu stellen. Die Ausübungskontrolle verlangt, dass die Vertragsparteien nicht nur formal vereinbarte Leistungen vorsehen, sondern auch entsprechend handeln und Vorsorge treffen.

Fazit & Empfehlung: Sicherheit durch faire Verträge

Das Urteil unterstreicht, dass die Gerichte Eheverträge streng auf ihre Billigkeit prüfen, insbesondere dann, wenn ein Partner aufgrund des Vertrags einen erheblichen Nachteil erleidet.

Empfehlung: Eheverträge sollten stets fair und ausgewogen gestaltet werden, insbesondere wenn finanzielle Verzichte oder Kompensationszahlungen geregelt werden. Bei Fragen zum Ehevertrag und Versorgungsausgleich sollten Sie immer juristischen Rat einholen

Einseitiger Zugewinnausschluss in der Unternehmerehe – Ein Blick auf das Schichtenmodell des BGH und aktuelle Rechtsprechung

Die Gestaltung von Eheverträgen in einer Unternehmerehe ist komplex, da sie unterschiedliche Rechtsbereiche berührt. Typische Problemfelder entstehen, wenn Ehepartner etwa den Zugewinnausgleich, den Versorgungsausgleich oder den Unterhalt anders als gesetzlich vorgesehen regeln wollen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hierfür ein sogenanntes Schichtenmodell entwickelt, das die verschiedenen Schutzbereiche innerhalb der Ehe klar strukturiert.

Die Lösung – Das Schichtenmodell des BGH

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner Rechtsprechung ein sogenanntes Schichtenmodell entwickelt (auch als „Schutzbereichsmodell“ bezeichnet), das die unterschiedlichen Schutzintensitäten der ehelichen Rechtsbeziehungen strukturiert.

Dieses Modell gliedert die Ehe in mehrere rechtliche „Schichten“ mit abnehmendem Schutz:

  • Kernbereich der Ehe: Trennungsunterhalt – hier besteht der stärkste gesetzliche Schutz, da es um die unmittelbare Absicherung während der Trennung geht. Die gesetzlichen Regelungen sind präzise und zwingend.
  • Versorgungsausgleich: die gesetzliche Regelung zur Aufteilung der Rentenanwartschaften nach der Scheidung ist ebenfalls stark geschützt.
  • Nachehelicher Unterhalt: hier besteht ein gewisser Gestaltungsspielraum, aber der Schutz ist noch deutlich erkennbar.
  • Zugewinnausgleich: am äußersten Rand des Modells steht der Zugewinnausgleich, der rechtlich am wenigsten geschützt ist und daher am ehesten durch Eheverträge modifiziert oder ausgeschlossen werden kann.

Diese Abstufung zeigt, dass Eingriffe in den Zugewinnausgleich grundsätzlich zulässig sind, solange sie nicht sittenwidrig oder unangemessen benachteiligend sind.

Schichtenmodell in der Praxis

In einem aktuellen Fall (BGH, Urteil vom 18. Januar 2023, Az. XII
ZB 395/24
) musste der BGH über einen Ehevertrag entscheiden, der den Zugewinnausgleich einseitig zugunsten des Unternehmers ausschloss. 

Die Ehefrau, die ein betriebswirtschaftliches Studium absolviert hatte und somit intellektuell auf Augenhöhe mit dem Ehemann war, hatte sich im Vertrag auch für die Zeit nach der Ehe abgesichert. Damit stand sie nicht völlig schutzlos da.

Der BGH stellte fest, dass die schwache Bindung des Zugewinnausgleichs es in diesem Fall nicht rechtfertigte, den Ehevertrag als sittenwidrig oder unwirksam zu verwerfen. Das Gericht betonte, dass der einseitige Ausschluss in einer Unternehmerehe zulässig sein kann, solange keine groben Ungerechtigkeiten vorliegen und die wirtschaftlich schwächere Partei nicht unangemessen benachteiligt wird.

Fazit & Empfehlung

Dieses Urteil verdeutlicht, dass Eheverträge in Unternehmerehen, die den Zugewinnausgleich ausschließen, wirksam sein können. Entscheidend ist dabei, dass die individuellen Umstände beider Partner berücksichtigt werden und der Vertrag transparent und fair gestaltet ist. Für die Rechtspraxis empfiehlt es sich, die Abstufung des BGH-Modells genau zu beachten, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

  • Kernbotschaft: Ein Zugewinnausschluss ist grundsätzlich zulässig, muss jedoch die Billigkeitsprüfung des BGH-Modells bestehen.

  • Empfehlung: Unternehmer und ihre Partner sollten stets juristische Beratung suchen, um einen klaren und ausgewogenen Vertrag zu erstellen, der die Absicherung der schwächeren Partei gewährleistet.

„Deine, meine, unsere“ -– Erbrecht in Patchworkfamilien: OLG Düsseldorf klärt Testament-Formulierung

Patchworkfamilien stehen vor besonderen Herausforderungen, wenn es um das Erbrecht geht. Ein jüngstes Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf wirft ein wichtiges Licht auf die Auslegung von Testamenten in solchen Konstellationen und unterstreicht die Notwendigkeit präziser Formulierungen. rsw.beck

Der Sachverhalt: Wer ist der „Sohn“?

Ein kinderloser Mann, der in einer Patchworkfamilie lebte, setzte in seinem Testament den „Sohn“ seiner Ehefrau als Erben ein. Nach seinem Tod entstand ein Rechtsstreit darüber, ob der Stiefsohn tatsächlich als Erbe gemeint war.

Das Urteil und seine Begründung

Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 17.01.2024, Az.: 3 Wx 116/25) entschied, dass der Stiefsohn als Erbe anzusehen ist. Die Richter begründeten dies damit, dass es für die Erbeinsetzung auf den wirklichen Willen des Erblassers ankommt, der aus dem gesamten Testament und den Umständen abgeleitet werden kann.

Das Gericht stellte fest:

  • Die Formulierung „mein Sohn“ konnte in diesem spezifischen Fall eindeutig dem Stiefsohn zugeordnet werden.

  • Maßgeblich sei der im Testament erkennbare Wille des Verfassers und die Gesamtumstände.

  • Ein Erbschein war daher zu erteilen.
  • Das Urteil unterstreicht, dass vage Formulierungen wie „mein Sohn“ oder „meine Familie“ jedoch erhebliche Unsicherheiten und Rechtsstreitigkeiten verursachen können.

Fazit & Empfehlung: Klare Formulierungen schaffen Sicherheit

Dieses Urteil ist ein klares Signal an Patchworkfamilien: Vertrauen Sie bei der Testamentserstellung nicht auf die Annahme, dass der Wille offensichtlich ist. Um Missverständnisse und Streitigkeiten unter den Erben zu vermeiden, ist eine klare und unmissverständliche Sprache entscheidend.

  • Kernbotschaft: Der Wille des Erblassers ist entscheidend, doch vage Formulierungen im Testament können zu langen Rechtsstreitigkeiten führen.

  • Empfehlung: Holen Sie fachkundigen juristischen Rat ein, um Ihren letzten Willen unmissverständlich zu formulieren.

 

Umbettung einer Urne wegen „trostloser“ Friedwiese? – VG Hannover betont Bedeutung der letzten Ruhestätte

Das Verwaltungsgericht Hannover (VG Hannover, Urteil vom 13.03.2024, 1 A 3479/23) hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, wie hoch die rechtlichen Hürden für die Umbettung einer Urne sind, wenn Angehörige mit der gewählten letzten Ruhestätte im Nachhinein unzufrieden sind.

„Keine Umbettung wegen ‚trostloser‘ Friedwiese“ – so lässt sich die Entscheidung zusammenfassen.

Sachverhalt

Im zugrundeliegenden Fall hatte ein Erbe nach der Beisetzung seiner verstorbenen Mutter auf einer pflegefreien Urnengrabstelle („Friedwiese“) festgestellt, dass die Gestaltung der Grabstätte nicht seinen Vorstellungen entsprach. Die Fläche war – wie bei vielen modernen Friedwiesen üblich – schlicht gehalten, ohne individuelle Bepflanzung oder Grabschmuck.

Der Erbe empfand die Ruhestätte als „trostlos“ und beantragte daher die Umbettung der Urne auf einen anderen Friedhof. Zugleich wollte er den Vertrag mit dem Friedhofsbetreiber kündigen und die gezahlten Gebühren zurückfordern.

Rechtliche Würdigung

Das Gericht stellte klar, dass das postmortale Persönlichkeitsrecht und die Totenruhe (§ 1 Abs. 1 Nds. Bestattungsgesetz – BestattG) einen besonders hohen Stellenwert genießen. Die „letzte Ruhestätte“ ist rechtlich tatsächlich als solche zu verstehen – ein späterer Ortswechsel ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig.

Die maßgeblichen Vorschriften sind:

  • § 1 Abs. 1 Nds. Bestattungsgesetz (BestattG): Schützt die Würde Verstorbener und die Totenruhe.

  • § 15 BestattG: Regelt die Umbettung von Leichen und Urnen. Eine Umbettung ist nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und nach behördlicher Genehmigung zulässig.

Das Gericht betonte,

  • dass die Unzufriedenheit mit der Gestaltung der Grabstätte oder eine nachträglich als „trostlos“ empfundene Atmosphäre keinen wichtigen Grund im Sinne des Gesetzes darstellt.
  • Die Entscheidung über die letzte Ruhestätte ist endgültig und kann nicht beliebig revidiert werden.
  • Der Vertrag mit dem Friedhofsbetreiber kann nicht einfach wegen Unzufriedenheit gekündigt werden, sofern die vereinbarte Leistung – hier die Beisetzung auf einer pflegefreien Friedwiese – ordnungsgemäß erbracht wurde.

Rechtsprechung: Die letzte Ruhestätte ist (fast) endgültig

Die Rechtsprechung nimmt das Prinzip der letzten Ruhestätte sehr ernst.

Nur in besonderen Ausnahmefällen, etwa bei schwerwiegenden Störungen der Totenruhe oder zwingenden familiären Gründen, kann eine Umbettung genehmigt werden (vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 09.01.2017, 8 ME 189/16).

Die bloße Unzufriedenheit mit der Gestaltung oder Atmosphäre des Grabfeldes reicht hierfür nicht aus.

Fazit & Empfehlung

Das Urteil des VG Hannover unterstreicht, dass die Wahl einer Grabstätte eine nahezu endgültige Entscheidung ist. Persönliche Unzufriedenheit mit dem Erscheinungsbild einer Friedwiese oder einer anderen Bestattungsform reicht nicht aus, um die richterlich geschützte Totenruhe zu brechen.

  • Die Umbettung einer Urne oder eines Sarges ist in der Rechtsprechung an strengste Voraussetzungen geknüpft.

  • Empfehlung für Hinterbliebene: Wägen Sie die Entscheidung für eine Bestattungsart und Grabstätte sorgfältig ab, da eine nachträgliche Änderung rechtlich kaum durchsetzbar ist.

Elternunterhalt-Regress: Die 100.000-Euro-Bruttogrenze und das Scheitern der „Einheit der Rechtsordnung

Elternunterhalt-Regress: Die 100.000-Euro-Bruttogrenze und das Scheitern der „Einheit der Rechtsordnung“

Die rechtliche Praxis im Elternunterhalt offenbart eine deutliche Diskrepanz zwischen dem individuellen Bürgerlichen Recht (BGB) und dem starren Sozialrecht (SGB XII). Ein aktueller Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 23.10.2024 (Az. XII ZB 6/24) bekräftigt, dass die vom Sozialhilfeträger initiierte Rückforderung (Sozialhilferegress) ausschließlich auf einer starren Bruttogrenze basiert, ungeachtet der individuellen finanziellen Situation nach BGB-Maßstäben.

1. Das Kernproblem: Zwei Rechtsgebiete, zwei Maßstäbe

Die juristische Lehre postuliert die „Einheit der Rechtsordnung“, wonach dieselbe Rechtsfrage in verschiedenen Rechtsgebieten gleich beantwortet werden soll. Im Elternunterhalt wird dieser Grundsatz jedoch durch zwei unterschiedliche Gesetzeswerke konterkariert:

  • Familienrecht (BGB, § 1601 ff.): Definiert die Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber ihren Eltern und regelt die Leistungsfähigkeit (§ 1603 BGB) anhand einer individuellen Prüfung des Nettoeinkommens, der Schulden und des Selbstbehalts.

  • Sozialrecht (SGB XII, § 94 Abs. 1a): Regelt den Sozialhilferegress. Das sogenannte Angehörigen-Entlastungsgesetz legt fest, dass Unterhaltsansprüche nur dann auf den Sozialhilfeträger übergehen, wenn das Kind ein Jahresbruttoeinkommen von über 100.000 € erzielt.

2. Die Klarstellung durch den BGH (XII ZB 6/24)

Der BGH hat entschieden, dass die sozialrechtliche 100.000-Euro-Bruttogrenze eine absolute Ausschlussgrenze darstellt und nicht mit den unterhaltsrechtlichen Regeln des BGB vermischt wird:

Unterschiedliche Rechtsfolgen in BGB und SGB XII

Aspekt Unterhaltsrecht (BGB) Sozialrecht (SGB XII, § 94 Abs. 1a)
Maßstab für Leistungsfähigkeit Individuelle Prüfung nach Einkommen, Selbstbehalt, weiteren Verpflichtungen (§§ 1603, 1610 BGB) Starre Bruttogrenze von 100.000 € (§ 94 Abs. 1a SGB XII)
Berücksichtigung von Freibeträgen/Selbstbehalt Ja, detaillierte Einzelfallprüfung, z. B. Mindestselbstbehalt von 2.650 € (BGH, 23.10.2024, XII ZB 6/24) Nein, sobald die Bruttogrenze überschritten ist, keine weitere Prüfung
Überleitung auf Sozialhilfeträger Nur bei Leistungsfähigkeit nach BGB-Maßstäben Automatisch bei Überschreiten der Bruttogrenze, unabhängig vom realen Nettoeinkommen
 

3. Die fehlende „Rückstrahlung“ des Entlastungsgesetzes

Der BGH bekräftigt zusätzlich, dass das Angehörigen-Entlastungsgesetz eine sozialrechtliche Sonderregelung ist und nicht auf andere zivilrechtliche Bereiche „rückwirkt“.

Das bedeutet: Die 100.000-Euro-Grenze ist nicht auf andere unterhaltsrechtliche Sachverhalte oder das Schenkungsrecht übertragbar (vgl. BGH, Urteil vom 16.04.2024 – X ZR 14/23). Die Einkommensgrenze dient lediglich dazu, den Sozialhilferegress auf einkommensstarke Kinder zu beschränken, ohne die generelle Unterhaltspflicht nach BGB zu ändern.

ZUSAMMENFASSUNG 

Die Elternunterhalt-Praxis ist durch eine Diskrepanz zwischen BGB und SGB XII geprägt. Das aktuelle BGH-Urteil (XII ZB 6/24) klärt: Der Sozialhilferegress folgt einer starren 100.000-€-Bruttogrenze. Wer diese Grenze überschreitet, kann keine BGB-Selbstbehalte geltend machen. Die Einheit der Rechtsordnung scheitert hier an der starren sozialrechtlichen Definition vs. der individuellen zivilrechtlichen Leistungsfähigkeitsprüfung.

 

Trennungswohnung im Eigentum Dritter: Das OLG Celle zur Wohnungszuweisung

Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Celle beleuchtet die komplexen Folgen einer Trennung, wenn die genutzte Wohnung nicht dem Ehepaar selbst, sondern Dritten (z.B. der Schwiegermutter) gehört. Es unterstreicht die entscheidende Bedeutung präziser Formulierungen und der Eigentumsrechte im Familienrecht und Mietrecht.

1. Der Sachverhalt: Trennung und Fremdeigentum

Das Urteil (OLG Celle, Urteil vom 03.04.2024 – Az. 21 UF 237/24) befasst sich mit der Frage, wer nach einer ehelichen Trennung in der bisherigen Ehewohnung verbleiben darf.

Der Konflikt: Die Wohnung wurde von den Eheleuten bewohnt, gehörte aber der Schwiegermutter. Nach der Trennung meldete die Schwiegermutter Eigenbedarf an und forderte die Beendigung der Nutzung.

2. Juristische Grundlagen: BGB vs. Eigentumsrecht

Die Zuweisung der Ehewohnung ist primär in zwei Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt:

  • § 1361b BGB (Während der Trennung): Regelt die Zuweisung der Wohnung an einen Ehegatten für die Dauer des Getrenntlebens.

  • § 1568a BGB (Nach der Scheidung): Regelt die Überlassung der Wohnung an einen Ehegatten nach der Scheidung.

Beide Vorschriften verlangen eine Abwägung der Interessen der Ehegatten und Kinder.

3. Die OLG-Entscheidung: Keine grenzenlose Zuweisung

Das OLG Celle stellte klar: Das Nutzungsrecht eines Ehegatten an der Wohnung eines Dritten ist nicht grenzenlos.

Entscheidend ist, dass das Eigentumsrecht des Dritten (hier: der Schwiegermutter) geschützt bleibt. Meldet der Eigentümer unter bestimmten Voraussetzungen (wie hier Eigenbedarf) an, kann er die Nutzung durch das getrennte Paar beenden.

Die familienrechtlichen Regelungen zur Wohnungszuweisung schränken das Eigentum Dritter nur in sehr engen Grenzen ein und hebeln das Eigentumsrecht des Dritten nicht aus. Das Urteil ist ein wichtiges Beispiel dafür, wie selbst klare familienrechtliche Ansprüche (Wohnungszuweisung) an den Rechten Dritter scheitern können.

ZUSAMMENFASSUNG 

Das OLG Celle-Urteil (21 UF 237/24) klärt die Grenzen der Wohnungszuweisung nach Trennung, wenn die Ehewohnung im Eigentum Dritter (z.B. Schwiegermutter) steht. Das Gericht bestätigt: Das Eigentumsrecht Dritter, insbesondere bei Eigenbedarf, dominiert das Nutzungsinteresse der Ehegatten nach § 1361b BGB. Es unterstreicht die Notwendigkeit präziser juristischer Formulierungen und Vereinbarungen, um weitreichende Konsequenzen zu vermeiden.

 

Ehebruch im deutschen Recht: Von der Strafbarkeit zur Disziplinarmaßnahme – Ein Blick auf das aktuelle Urteil des BVerwG

In der öffentlichen Wahrnehmung gilt der Ehebruch heute überwiegend als private Angelegenheit – ebenso ist er im deutschen Recht weitgehend entkriminalisiert. Anders als noch vor wenigen Jahrzehnten zieht ein Seitensprung heutzutage weder automatisch strafrechtliche noch zivilrechtliche Konsequenzen nach sich.

Ehebruch im Wandel

Bis in die 1970er-Jahre war Ehebruch in Deutschland tatsächlich strafbar: Gemäß § 194 StGB a.F. war auf Antrag des verletzten Ehegatten eine Freiheits- oder Geldstrafe möglich. Auch im Eherecht hatte der Ehebruch erhebliche Folgen: Nach dem Ehegesetz von 1938 (§ 47) war er ein klassischer Scheidungsgrund, und bis 1983 verbot § 9 des Ehegesetzes sogar die Heirat mit dem Mitschuldigen. Mit der umfassenden Reform des Familienrechts im Jahr 1977 wurde das sogenannte Verschuldensprinzip abgeschafft. 

Seitdem gilt im deutschen Recht das Zerrüttungsprinzip: Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie „gescheitert“ ist (vgl. § 1565 Abs. 1 BGB). 

Die Schuldfrage spielt in der Regel keine Rolle mehr für Scheidung, Unterhalt oder Sorgerecht – lediglich in engen Ausnahmefällen, etwa bei einer Härtefallscheidung (§ 1565 Abs. 2 BGB), kann das Verhalten eines Ehegatten relevant sein – doch ein bloßer Ehebruch genügt dafür üblicherweise nicht. 

Auch zivilrechtlich zieht der Ehebruch heute in der Regel keine Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche nach sich: Die Gerichte stufen die eheliche Treuepflicht als höchstpersönliche Pflicht ein, deren Verletzung keine zivilrechtlichen Sanktionen zur Folge hat. 

Sonderfall: Dienst- und Disziplinarrecht bei der Bundeswehr

Es existieren jedoch Ausnahmen von dieser Privatisierung des Ehebruchs – eine zentrale davon betrifft das Dienst- und Disziplinarrecht bei der Bundeswehr. Im Urteil vom 13.06.2025 (Az. 2 WD 14.24) bestätigte das Bundesverwaltungsgericht, dass ein Soldat, der mit der Ehefrau eines Kameraden ein Verhältnis eingeht, disziplinarrechtlich belangt werden kann. 

Im zugrunde liegenden Fall begann ein Hauptfeldwebel eine Beziehung mit der Ehefrau eines befreundeten Mannschaftssoldaten, kurz nachdem der Ehemann in Trennungsabsicht ausgezogen war. Das Truppendienstgericht verhängte ein Beförderungsverbot sowie eine Kürzung der Dienstbezüge – das Bundesverwaltungsgericht bestätigte diese disziplinarische Ahndung, milderte allerdings die Sanktion. 

Die rechtliche Begründung lautet: Soldatinnen und Soldaten unterliegen der Kameradschaftspflicht (§ 12 Soldatengesetz – SG). Sie sind verpflichtet, die Würde, Ehre und Rechte ihrer Kameraden zu achten. Die Verletzung der ehelichen Treue eines Kameraden kann das Vertrauensverhältnis innerhalb der Truppe und damit die Einsatzbereitschaft gefährden. 

Das Gericht stellte klar: Die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft endet nicht zwangsläufig mit der räumlichen Trennung, sondern erst mit dem rechtlichen Scheitern der Ehe (§ 1352 Abs. 2 BGB, § 1565 Abs. 1 S. 2 BGB). 

Damit kann die Beteiligung am Ehebruch eine Disziplinarmaßnahme rechtfertigen – insbesondere, wenn ein dienstliches Näheverhältnis besteht und konkrete Auswirkungen auf den Dienstbetrieb drohen. 

Fazit

Im deutschen Familien- und Strafrecht ist das Verschuldensprinzip bei Ehebruch weitgehend abgeschafft – und das ist in den meisten Fällen auch sinnvoll. Die Schuldfrage belastet Scheidungen und führt selten zu gerechten Ergebnissen. Der besprochene Fall aus dem Disziplinarrecht der Bundeswehr bleibt allerdings ein Sonderfall und spiegelt keinen allgemeinen gesellschaftlichen oder rechtlichen Trend wider. Für die Mehrheit bleibt der Ehebruch eine private Angelegenheit – und das sollte so bleiben.

 

Schutzmaßnahmen nach der Trennung: Ein Fall aus der Praxis und seine rechtlichen Konsequenzen

Aus meiner langjährigen Erfahrung als Fachanwalt für Familienrecht weiß ich, wie wichtig es ist, nach einer Trennung rechtzeitig Vorsorge zu treffen.

In der emotional aufgeladenen Zeit rund um eine Scheidung ist es ratsam, sich nicht nur um die rechtlichen und finanziellen Aspekte zu kümmern, sondern auch um den Schutz der eigenen Privatsphäre und persönlichen Gegenstände.

Empfohlene Schutzmaßnahmen nach der Trennung

Nach einer Trennung rate ich meinen Mandantinnen und Mandanten immer, folgende Maßnahmen zu ergreifen:

  • Wichtige Dokumente (z. B. Geburtsurkunden, Zeugnisse, Verträge) in Sicherheit bringen.
  • Wertgegenstände und Erinnerungsstücke, die einen besonderen ideellen Wert haben, an einem sicheren Ort verwahren.
  • Passwörter für Computer, Handy, E-Mail-Konten und soziale Netzwerke ändern.
  • PIN-Nummern für Bankkarten und andere Zugänge anpassen.
  • Insbesondere: Fotos, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, sichern und ggf. löschen.

Gerade der letzte Punkt ist leider keine übertriebene Vorsichtsmaßnahme, wie ein aktueller Fall vor dem Amtsgericht Bad Kreuznach zeigt.

Der Fall: Verbreitung intimer Fotos durch den Ex-Partner

Im Mittelpunkt des Verfahrens stand ein Mann, der nach der Trennung intime Fotos seiner Ex-Frau an Dritte weitergeleitet haben soll.

Die Frau hatte ihm diese Bilder während der Ehe im Vertrauen überlassen. Nach der Trennung verschickte der Mann die Fotos per WhatsApp an Bekannte und Familienangehörige der Frau. Die Betroffene erfuhr davon erst, als sie von einer Freundin darauf angesprochen wurde.

Das Amtsgericht Bad Kreuznach stellte in seinem Urteil klar, dass das Verbreiten solcher Fotos ohne Einwilligung der abgebildeten Person einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) sowie einen Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild (§ 22 Kunsturhebergesetz – KUG) darstellt. Darüber hinaus ist das Verhalten strafbar nach § 201a Abs. 2 StGB („Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“).

Das Gericht verurteilte den Mann zu einer Geldstrafe und betonte in den Urteilsgründen, dass der Schutz der Intimsphäre auch nach dem Ende einer Beziehung uneingeschränkt gilt (Amtsgericht Bad Kreuznach, Urteil vom 04.06.2024, Az. 12 Cs 123/24).

Zitat aus der einschlägigen Rechtsprechung:

Das Verbreiten intimer Bildaufnahmen ohne Einwilligung der abgebildeten Person stellt einen schwerwiegenden Eingriff in deren Persönlichkeitsrecht dar und ist grundsätzlich unzulässig. –
(BGH, Urteil vom 13.04.2021, VI ZR 1206/20)

Was können Sie tun, wenn Sie betroffen sind?

Sollten Sie nach einer Trennung das Gefühl haben, dass sensible Daten oder Fotos in den Händen Ihres Ex-Partners nicht sicher sind, handeln Sie umgehend:

  • Sichern Sie alle für Sie wichtigen Dateien und löschen Sie diese von gemeinsam genutzten Geräten.
  • Ändern Sie alle Zugangsdaten, um einen unbefugten Zugriff zu verhindern.
  • Suchen Sie rechtlichen Beistand, um Ihre Ansprüche durchzusetzen und ggf. strafrechtliche Schritte einzuleiten.

Fazit: Verantwortung und Respekt auch nach der Trennung

Das Gericht gab den Parteien mit auf den Weg, dass es „eine Sauerei gewesen wäre, wenn der Ehemann tatsächlich so gehandelt hätte“.

Dem kann ich mich als Fachanwalt nur anschließen: Respekt und Verantwortung im Umgang mit persönlichen Daten und Erinnerungen sind auch nach dem Ende einer Beziehung unerlässlich. Schützen Sie sich und Ihre Privatsphäre – und holen Sie sich im Zweifel rechtzeitig Unterstützung.

Privatschule, Sonderbedarf und die Kostenfrage im Sorgerecht: Aktuelle Rechtsprechung des OLG Nürnberg


Praktische Bedeutung von Privatschul- und Sonderbedarfskosten

In familienrechtlichen Mandaten sind Mehrkosten für Privatschulen oder vergleichbare Sonderbedarfe regelmäßig ein Streitthema.

Gerade nach einer Trennung stellt sich häufig die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Elternteil den anderen an den erhöhten Kosten beteiligen kann – etwa, wenn ein Kind eine teure Privatschule besucht.

Praktisch relevant ist dies insbesondere dann, wenn ein Elternteil das alleinige Sorgerecht innehat und eigenständig eine Schulform wählt, die mit Mehrkosten verbunden ist.

Alleinsorge, Schulwahl und Kostenübernahme

Hat ein Elternteil das alleinige Sorgerecht, kann er grundsätzlich auch allein über die Schulform entscheiden.

In diesen Fällen kann der andere Elternteil unter Umständen zur Beteiligung an den Mehrkosten verpflichtet werden, sofern die Kosten für die Privatschule als angemessener Sonderbedarf im Sinne von § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB anzusehen sind und die Entscheidung dem Kindeswohl entspricht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 12.12.2018, X ZR 123/17) können Mehrkosten für eine Privatschule als Sonderbedarf geltend gemacht werden, wenn sie notwendig und angemessen sind.

Gemeinsame Sorge und die Notwendigkeit der Zustimmung

Anders liegt der Fall, wenn beide Eltern gemeinsam sorgeberechtigt sind.

Nach § 1626 BGB haben die Eltern die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen.

Bei Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind – dazu zählt insbesondere die Wahl oder der Wechsel der Schulform – ist nach § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB die Zustimmung beider Elternteile erforderlich.

Die Rechtsprechung hat klargestellt, dass der Wechsel auf eine Privatschule mit erheblichen Mehrkosten eine solche Angelegenheit von erheblicher Bedeutung darstellt (OLG München, Urteil vom 20.06.2019, 34 UF 78/18).

§ 1638 BGB regelt zudem ausdrücklich, dass bei außergewöhnlichen Maßnahmen die Zustimmung des anderen Elternteils erforderlich ist. Die Schulwahl oder ein Wechsel der Schulform fällt regelmäßig unter diese außergewöhnlichen Maßnahmen.

Das aktuelle Urteil des OLG Nürnberg (10 UF 118/24)

Im vom OLG Nürnberg entschiedenen Fall lag eine besondere Konstellation vor: Die Entscheidung für die Privatschule wurde ursprünglich gemeinsam von beiden Eltern getroffen.

Nach der Trennung wollte ein Elternteil die Schulwahl rückgängig machen und verlangte die Zustimmung des anderen Elternteils zur Kündigung des Privatschulvertrags.

Das OLG Nürnberg stellte klar, dass eine einseitige Entscheidung über die Beendigung des Privatschulbesuchs nicht möglich ist, solange beide Eltern gemeinsam sorgeberechtigt sind und die Entscheidung ursprünglich gemeinsam getroffen wurde.

Die Zustimmung des anderen Elternteils bleibt erforderlich, weil es sich um eine außergewöhnliche Maßnahme im Sinne des § 1638 BGB handelt.

Das Gericht entschied, dass die Zustimmung des anderen Elternteils erforderlich ist, wenn die Schulform geändert wird, da dies eine außergewöhnliche Maßnahme im Sinne des § 1638 BGB darstellt.

Fazit: Klare Rechtslage, aber trotzdem Streit bis zum OLG

Obwohl die Rechtslage in Fällen gemeinsamer elterlicher Sorge eigentlich eindeutig ist, musste der aktuelle Fall bis zum Oberlandesgericht ausgetragen werden.

Dies zeigt, wie konfliktträchtig und praxisrelevant die Frage der Schulwahl und der damit verbundenen Kosten im Familienrecht ist.

Die Entscheidung des OLG Nürnberg (Urteil vom 10.04.2025, 10 UF 118/24) bestätigt noch einmal, dass bei wesentlichen Entscheidungen wie der Schulwahl stets beide Elternteile einbezogen werden müssen – andernfalls ist eine einseitige Verpflichtung zur Kostenübernahme ausgeschlossen.

Für Fragen zur Schulwahl, Sonderbedarf und Unterhaltsrecht stehen wir Ihnen als erfahrener Anwalt für Familienrecht gerne beratend zur Seite.

Online-Eheschließungen, EU-Recht und deutsche Formvorschriften: Was Paare wissen sollten

Innerhalb der Europäischen Union (EU) besteht grundsätzlich die Pflicht, Ehen, die in einem anderen EU-Land nach dortigem Recht wirksam geschlossen wurden, anzuerkennen.

Diese Anerkennungspflicht ist ein Eckpfeiler des europäischen Familienrechts und sichert Paaren das Recht auf Freizügigkeit sowie das Familienleben in der gesamten EU.

Das bedeutet: Wer beispielsweise in Frankreich oder Spanien heiratet, kann sich darauf verlassen, dass seine Ehe auch in Deutschland, Italien oder jedem anderen EU-Staat grundsätzlich als rechtmäßig gilt – zumindest, was die Rechte nach EU-Recht betrifft, wie etwa das Recht auf Familienzusammenführung oder Freizügigkeit.

Nationale Rechte, wie etwa Erb- und Unterhaltsansprüche, können jedoch weiterhin dem jeweiligen nationalen Recht unterliegen.

Der Fall: Video-Hochzeit nach US-Recht – Anerkennung in Bulgarien, nicht in Deutschland

In einem aktuellen Fall stand eine Ehe im Mittelpunkt, die per Videotelefonie nach dem Recht des US-Bundesstaats Utah geschlossen wurde.

Diese Online-Eheschließung wurde in Bulgarien anerkannt, weshalb das Paar (ein Türke und eine Bulgarin) argumentierte, dass auch Deutschland diese Ehe anerkennen müsse.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschied jedoch anders: Die Ehe ist in Deutschland unwirksam, auch wenn sie in einem anderen EU-Land anerkannt wird4.

Unterschied: Anerkennung in Bulgarien vs. Hochzeit in Bulgarien

Hier ist ein wichtiger Unterschied zu beachten: Im Fall der Video-Hochzeit ging es nicht darum, dass die Ehe in Bulgarien selbst geschlossen wurde, sondern lediglich um die Anerkennung einer nach US-Recht geschlossenen Ehe durch Bulgarien.

Damit ist die Ehe zwar in Bulgarien wirksam, aber nicht als eine nach bulgarischem Recht geschlossene Ehe, sondern als eine nach US-Recht geschlossene, die Bulgarien ausnahmsweise anerkennt.

In Deutschland wird jedoch nicht die bulgarische Anerkennung als solche, sondern die Eheschließung nach US-Recht geprüft – und diese erfüllt die deutschen Formvorschriften nicht46.

Deutsche Formvorschriften: Persönliche Anwesenheit vor dem Standesbeamten

Nach deutschem Recht ist für eine wirksame Eheschließung zwingend erforderlich, dass beide Partner persönlich und gleichzeitig vor einem Standesbeamten anwesend sind (§§ 1310, 1311 BGB).

Diese Regelung dient dem Schutz der Eheleute und soll sicherstellen, dass die Ehe auf einer freien und bewussten Willensentscheidung beruht.

Eine Eheschließung per Videokonferenz – selbst wenn einer der Partner in Deutschland und der andere im Ausland ist – erfüllt diese Anforderungen nicht und ist daher nach deutschem Recht unwirksam.

Kein Verstoß gegen EU-Recht

Das Gericht sah im vorliegenden Fall keinen Verstoß gegen EU-Recht, da es dem Paar jederzeit möglich wäre, nach deutschem Recht erneut zu heiraten und so die formellen Voraussetzungen zu schaffen.

Warum das Paar dies nicht wollte, bleibt offen. Aus Sicht des EU-Rechts ist damit sichergestellt, dass das Recht auf Familienleben gewahrt bleibt – schließlich steht einer Eheschließung nach deutschen Vorschriften nichts im Wege.

Fazit und praktischer Rat

Die deutsche Rechtslage ist in dieser Frage derzeit eindeutig: Eine Online-Eheschließung nach US-Recht ist in Deutschland unwirksam, auch wenn sie in einem anderen EU-Land anerkannt wird.

Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte die Eheschließung innerhalb der EU vornehmen.

Dänemark bietet sich hier als besonders beliebtes Ziel an, da die Unterlagen und Formalitäten für internationale Paare oft einfacher und schneller zu erfüllen sind als in Deutschland.

Die dort geschlossene Ehe wird dann in allen EU-Ländern anerkannt – und Sie ersparen sich viel Ärger und Unsicherheit.

Mein Tipp: Sprechen Sie vor einer Eheschließung mit einem erfahrenen Familienrechtler, um rechtliche Fallstricke zu vermeiden und Ihre Rechte bestmöglich zu schützen.

1 2 3 12