Testierfreiheit vs. Sittenwidrigkeit: Wann ein Hausverbot im Testament ungültig ist

Die Testierfreiheit ist ein hohes Gut. Sie ermöglicht es jedem, selbst zu bestimmen, wer nach dem Tod das eigene Vermögen erhalten soll.

Der Gesetzgeber räumt dem Willen des Erblassers grundsätzlich einen sehr großen Gestaltungsspielraum ein, denn nach dem Ableben kann dieser seinen Willen nicht mehr ändern oder anpassen.

Daher ist es das Ziel, diesen Willen so weit wie möglich zu respektieren und umzusetzen.

Doch diese Freiheit hat Grenzen. Eine davon ist die Sittenwidrigkeit.

Was bedeutet Sittenwidrigkeit im Erbrecht?

Die Sittenwidrigkeit ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 138 BGB) verankert.

Eine Verfügung von Todes wegen (also ein Testament oder Erbvertrag) ist sittenwidrig, wenn sie gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Das bedeutet, dass die Verfügung so unerträglich unfair oder ungerecht ist, dass sie von der Rechtsordnung nicht anerkannt werden kann.

Die Hürden für die Annahme der Sittenwidrigkeit sind hoch. Gerichte greifen nur in Ausnahmefällen in die Testierfreiheit ein. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn die testamentarische Verfügung einen unzumutbaren Druck auf die Erben ausübt und diese in ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich beeinträchtigt.

Der Fall: Hausverbot für den Lebensgefährten

Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (Az.: 10 U 58/21) zeigt, wie die Gerichte die Testierfreiheit und die Sittenwidrigkeit gegeneinander abwägen.

In dem Fall erbte die Tochter einer Verstorbenen zusammen mit ihrer Enkelin ein Haus. Die Mutter der Klägerin hatte im Testament jedoch verfügt, dass der langjährige Lebensgefährte der Tochter das Grundstück nicht betreten darf. Dieser Lebensgefährte wohnte zwar in der Nähe, war aber in dem Haus ein- und ausgegangen, kümmerte sich um Reparaturen und war wie ein Ziehvater für die Enkelin. Es gab nie Streit oder Unstimmigkeiten. Ein Testamentsvollstrecker sollte das Hausverbot durchsetzen und bei Zuwiderhandlung das Haus verkaufen.

Tochter und Enkelin klagten gegen diese Bedingung im Testament, da sie diese für sittenwidrig hielten.

Die Entscheidung des OLG Hamm

Das OLG Hamm gab den Erbinnen Recht. Das Gericht betonte zwar, dass die Testierfreiheit grundsätzlich zu respektieren ist. Im vorliegenden Fall überwiegen jedoch die Freiheitsrechte der Tochter.

Das Gericht argumentierte, dass das Hausverbot den höchstpersönlichen Lebensbereich der Tochter beeinträchtigt. Es würde das bis zum Tod der Mutter gelebte familiäre Zusammenleben unmöglich machen. Der Umstand, dass dem Lebensgefährten, der zugleich Ziehvater der Enkelin ist, der Zugang zu der zuvor gemeinsam genutzten Wohnung verwehrt werden sollte, stellt einen unzumutbaren Eingriff in die Lebensgestaltung der Tochter dar.

Daher sei die Bedingung im Testament sittenwidrig und damit nichtig. Die Tochter und Enkelin erbten das Haus ohne die Auflage, dem Lebensgefährten den Zutritt zu verwehren.

Fazit

Dieser Fall zeigt, dass die Testierfreiheit nicht grenzenlos ist. Verfügungen, die unverhältnismäßig in die Persönlichkeitsrechte der Erben eingreifen, können als sittenwidrig und damit unwirksam erklärt werden.

Es ist daher ratsam, sich bei der Gestaltung eines Testaments rechtlich beraten zu lassen, um sicherzustellen, dass der eigene Wille auch tatsächlich umgesetzt wird und nicht an der Sittenwidrigkeit scheitert.

Testierfreiheit vs. Sittenwidrigkeit: Wann ein Hausverbot im Testament ungültig ist was last modified: März 7th, 2025 by Ralf Römling

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