Eheverträge und Scheidungsfolgenvereinbarungen sind ein sensibles Thema. Sie sollen Klarheit schaffen, bergen aber auch das Risiko, einen der Partner zu benachteiligen. Ein aktuelles Urteil des Kammergerichts Berlin (KG, Beschluss vom 28.08.2023 – 16 UF 21/23) zeigt dies deutlich. In dem Fall ging es um eine belarussische Lehrerin, die kurz nach ihrer Einreise nach Deutschland einen Ehevertrag mit ihrem Mann schloss. Dieser sah Gütertrennung, Ausschluss des Versorgungsausgleichs und nachehelichen Unterhalt nur bei Kinderbetreuung vor. Der Mann hatte zuvor monatelang Druck ausgeübt: Unterschreibe sie nicht, würde er sich scheiden lassen, sie ihren Aufenthaltstitel verlieren und ausgewiesen. Da sie in ihrer Heimat bereits alle Zelte abgebrochen hatte, willigte sie schließlich unter Tränen ein. Während der Ehe begleitete sie ihren Mann auf Montageeinsätzen im Ausland, wodurch sie selbst kein eigenes Einkommen erzielen konnte. Er hingegen erwarb eine Eigentumswohnung. Nach der Scheidung erklärte das Familiengericht den Ehevertrag für sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) und ordnete den Versorgungsausgleich an. Das Kammergericht bestätigte diese Entscheidung. Das Gericht betonte, dass der Verzicht auf den Versorgungsausgleich, ein Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts (§ 8 Abs. 1 VersAusglG), nicht kompensiert wurde. Es lag ein deutliches wirtschaftliches Ungleichgewicht zugunsten des Mannes vor, da er Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze erzielte, während ihre Einkünfte gering waren. Zudem wurde berücksichtigt, dass sie ihn auf seinen Reisen begleitete und dadurch keine eigene Karriere entwickeln konnte. Auch ihre ausländerrechtliche Situation, die sie existenziell von der Ehe abhängig machte (§ 31 Abs. 1 AufenthG), spielte eine Rolle. Das Gericht sah auch die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit als gegeben an: Der Mann hatte seine Frau zwar nicht widerrechtlich bedroht (§ 123 Abs. 1 BGB), aber er hatte sie durch ständiges Hinweisen auf ihre hilflose Lage „weichgeklopft“ und zum Vertragsabschluss gedrängt. Allein die Fortführung der Ehe und die mietfreie Mitwohngelegenheit stellten keine ausreichende Kompensation dar. Dieser Fall verdeutlicht ein grundlegendes Problem: Jeder Ehevertrag und jede Scheidungsfolgenvereinbarung birgt das Risiko, einen Partner zu benachteiligen. Dies wird typischerweise anhand der Sittenwidrigkeit zum Zeitpunkt der Beurkundung und durch eine Ausübungskontrolle im Scheidungszeitpunkt beurteilt. Letztere ist juristisch schwer vorhersehbar, da sie davon abhängt, wie die Eheleute ihre rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse tatsächlich gelebt haben. Weicht dies vom Vertrag ab, kann im Nachhinein kaum noch etwas korrigiert werden. Gerade in Situationen, in denen eine Scheidung droht und ein Ehevertrag „in letzter Minute“ geschlossen werden soll, ist Vorsicht geboten. Im oben genannten Fall reichte es dem Gericht nicht aus, dass die Ehe fortgeführt wurde, um den Ausschluss gesetzlicher Ehefolgen zu rechtfertigen. Aus Sicht eines Scheidungsanwalts wäre es ratsam gewesen, die Beweggründe für den Wunsch, verheiratet zu bleiben, sowie die wirtschaftlichen Überlegungen bezüglich der verschiedenen Ausschlussklauseln in der Urkunde detailliert zu dokumentieren. Notare nehmen solche Hintergrundinformationen jedoch selten auf. Ich rate Ihnen dringend, sich vor Abschluss eines Ehevertrages oder einer Scheidungsfolgenvereinbarung anwaltlich beraten zu lassen. Auch wenn dies zunächst mit zusätzlichen Kosten verbunden ist, die im Vergleich zur notariellen Beratung überflüssig erscheinen mögen: Notare beraten zwar umfassend zum reinen materiellen Recht, aber sie treten nicht vor Gericht auf. Daher können sie die praktischen Auswirkungen und die richterliche Auslegung oft anders einschätzen als ein erfahrener Scheidungsanwalt. Eine frühzeitige anwaltliche Beratung kann Sie vor bösen Überraschungen bewahren!Der Fall: Druck zur Unterschrift und wirtschaftliche Ungleichheit
Sittenwidrigkeit und Ausübungskontrolle
Die Tücke von Eheverträgen und Scheidungsfolgenvereinbarungen
Der Rat vom Scheidungsanwalt
Fazit: Anwaltliche Beratung ist unerlässlich!

Ehevertrag – (k)ein Pakt mit dem Teufel? Aktuelle Rechtsprechung beleuchtet Risiken
Ehevertrag – (k)ein Pakt mit dem Teufel? Aktuelle Rechtsprechung beleuchtet Risiken was last modified: Februar 28th, 2025 by