OLG Hamm zum Thema Erwerbsobliegenheit bei Betreuung minderjähriger Kinder: Einordnung und Auswirkungen

Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Urteil vom 04.07.2024 (II-4 UF 35/24) erneut die Frage der Erwerbsobliegenheit unterhaltsberechtigter Ehegatten bei Betreuung minderjähriger Kinder beleuchtet.

Ein Thema, das in der Praxis häufig für Unsicherheit und Konflikte sorgt, insbesondere in Trennungs- und Scheidungssituationen.

Die Entscheidung des OLG Hamm im Kontext

Die Entscheidung des OLG Hamm ist kein revolutionärer Paradigmenwechsel, sondern eine differenzierte Auseinandersetzung mit den individuellen Umständen des Einzelfalls.

Im Kern ging es um die Frage, ob eine Erwerbstätigkeit von 20-25 Stunden pro Woche als ausreichend anzusehen ist, wenn der Unterhaltsberechtigte gleichzeitig die Betreuung minderjähriger Kinder wahrnimmt.

Das Gericht hat betont, dass eine pauschale Antwort nicht möglich ist. Vielmehr sind die konkreten Betreuungsbedürfnisse der Kinder und die gelebte Aufteilung der Betreuung zwischen den Eltern entscheidend.

Kindeswohl und Erwerbsobliegenheit: Ein Spannungsverhältnis

Die Rechtsprechung zur Erwerbsobliegenheit im Kontext der Kinderbetreuung bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen dem Anspruch des unterhaltsberechtigten Ehegatten auf angemessenen Unterhalt und dem Grundsatz, dass jeder Ehegatte nach der Trennung grundsätzlich selbst für seinen Lebensunterhalt verantwortlich ist.

Besonders relevant sind folgende Aspekte:

  • Alter und Entwicklungsstand der Kinder: Je jünger die Kinder, desto höher ist in der Regel der Betreuungsbedarf.
  • Gesundheitliche Besonderheiten: Sind die Kinder auf besondere Betreuung angewiesen, kann dies die Erwerbsobliegenheit erheblich einschränken.
  • Betreuungsmöglichkeiten: Stehen Betreuungsplätze in Kita oder Hort zur Verfügung? Werden diese genutzt oder ist eine individuelle Betreuung erforderlich?
  • Aufteilung der Betreuung: Wie teilen sich die Eltern die Betreuung der Kinder auf? Gibt es eine klare Vereinbarung oder ist die Betreuungssituation unklar?

Trennungsunterhalt vs. Nachehelicher Unterhalt: Die zeitliche Dimension

Es ist wichtig, zwischen Trennungsunterhalt und nachehelichem Unterhalt zu unterscheiden:

  • Trennungsunterhalt: Während des Trennungsjahres ist die Erwerbsobliegenheit oft weniger streng. Dies soll dem Unterhaltsberechtigten die Möglichkeit geben, sich auf die neue Situation einzustellen und gegebenenfalls eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder auszuweiten.
  • Nachehelicher Unterhalt: Nach der Scheidung sind die Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit in der Regel höher. Das Gesetz sieht die Möglichkeit vor, den Unterhalt zeitlich zu begrenzen oder sogar ganz auszuschließen.

Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Hamm verdeutlicht, dass die Frage der Erwerbsobliegenheit in jedem Einzelfall sorgfältig geprüft werden muss. Eine umfassende Dokumentation der Betreuungssituation und eine realistische Einschätzung der eigenen Erwerbsmöglichkeiten sind entscheidend.

Handlungsempfehlungen

  • Frühzeitige Beratung: Lassen Sie sich frühzeitig von einem Fachanwalt für Familienrecht beraten, um Ihre Rechte und Pflichten im Detail zu klären.
  • Dokumentation: Dokumentieren Sie Ihren Betreuungsaufwand und Ihre Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit sorgfältig.
  • Kooperation: Suchen Sie das Gespräch mit dem anderen Elternteil, um eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Wir stehen Ihnen gerne für eine individuelle Beratung zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns, um einen Termin zu vereinbaren.

Hinweis: Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und stellt keine Rechtsberatung dar.

OLG Hamm zum Thema Erwerbsobliegenheit bei Betreuung minderjähriger Kinder: Einordnung und Auswirkungen was last modified: März 7th, 2025 by Ralf Römling

Sie vermissen ein spezielles Thema? Dann mailen Sie uns!!