Jahresarchiv: 2024

Veganerin tobt, weil Ex-Mann den Kindern heimlich Fleisch gibt

Ich habe einen interessanten Artikel vom 22. November 2024 in Focus Online gelesen, der mich zum Nachdenken anregte. Der Beitrag handelte von einer Veganerin, die sich darüber aufregte, dass ihr Ex-Mann den gemeinsamen Kindern heimlich Fleisch zu essen gab. Diese Situation kann ich mir aus meiner täglichen Praxis sehr gut vorstellen.

Bei getrennt lebenden Eltern ist die Frage der Ernährung im jeweiligen Haushalt, auch bei Umgangskontakten, eine Angelegenheit der Personensorge. Diese wird vom jeweils betreuenden Elternteil alleine entschieden. Dies ergibt sich aus § 1626 BGB, der die elterliche Sorge regelt.

Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Ernährung des Kindes aus gesundheitlichen Gründen eine Kindeswohlgefährdung darstellen würde, beispielsweise bei Allergien. In solchen Fällen könnte gemäß § 1666 BGB das Familiengericht eingreifen.

Die rein ethische oder religiöse Entscheidung, bestimmte Lebensmittel nicht zu konsumieren oder das Kind diese nicht konsumieren zu lassen, fällt jedoch nicht unter das gemeinsame Sorgerecht. Dies wurde auch in der Rechtsprechung bestätigt, wie beispielsweise im Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 04.09.2019 (Az. 2 UF 156/19).

Daher würde in einem Fall wie dem im Artikel beschriebenen weder eine Übertragung des alleinigen Sorgerechts noch ein Ausschluss des Umgangsrechts vor Gericht erfolgen. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat in einem ähnlichen Fall (Beschluss vom 20.10.2020, Az. 10 UF 1152/20) entschieden, dass die Ernährungsweise des Kindes während der Umgangszeit grundsätzlich dem umgangsberechtigten Elternteil obliegt.

Als Fazit lässt sich festhalten: Solange keine Gesundheitsgefährdung vorliegt, haben beide Elternteile das Recht, während ihrer Betreuungszeit über die Ernährung der Kinder zu entscheiden – auch wenn dies zu Unstimmigkeiten führen kann.

Aktuelle Rechtsprechung: Kein automatischer Schadensersatz bei fehlendem Kita-Platz

Das Landgericht Frankenthal hat in einem wegweisenden Urteil vom 19.09.2024 (Az. 3 O 313/23) entschieden, dass Gemeinden nicht ohne Weiteres zum Schadensersatz verpflichtet sind, wenn sie den Anspruch auf einen Kita-Platz nicht erfüllen können.

Hintergrund des Falls

Eine Mutter hatte für ihr im Mai 2020 geborenes Kind einen Kita-Platz ab Mai 2021 beantragt. Die Stadt wies dem Kind erst im April 2023 einen Platz ab September 2023 zu. Die Mutter verlangte daraufhin von der Stadt Ersatz für die zwischenzeitlich entstandenen privaten Betreuungskosten.

Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Frankenthal wies die Klage in seinem Urteil vom 19.09.2024 (Az. 3 O 313/23) ab.

Begründung des Urteils

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Eltern es vorwerfbar unterlassen hätten, ihren Kita-Anspruch im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht durchzusetzen. Die Pflicht der Gemeinde zum Schadensersatz sei dem primären Ziel, rechtzeitig einen Kita-Platz zu bekommen, untergeordnet.

Bedeutung für Eltern

Dieses Urteil verdeutlicht, dass Eltern zunächst alle rechtlichen Mittel ausschöpfen müssen, um einen Kita-Platz zu erhalten, bevor sie Schadensersatzansprüche geltend machen können. Es besteht kein Wahlrecht zwischen der Einklagung eines Kita-Platzes und der Forderung nach Geldzahlung bei Verweigerung des Platzes.

Empfehlung zur rechtlichen Beratung

Angesichts der Komplexität solcher Fälle empfehlen wir Eltern, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, sich an einen Fachanwalt für Sozialrecht wie Holger Thieß zu wenden. Er ist unser Experte mit jahrelanger Erfahrung in der Kanzlei Templin & Thieß.

Sie erreichen ihn wie folgt:

Holger Thieß
Fachanwalt für Sozialrecht
Kanzlei Templin & Thies
Telefon: 04331 – 33 73 0
E-Mail: info@templin-thiess.de

Eine fachkundige Beratung kann Ihnen helfen, Ihre Rechte und Möglichkeiten in Bezug auf den Anspruch auf einen Kita-Platz zu verstehen und gegebenenfalls durchzusetzen.

Erbstreit um wertvolle Briefmarkensammlung: Stieftochter gegen Putzfrau

Auch dieser Fall aus London zeigt eindrucksvoll, wie komplex erbrechtliche Streitigkeiten sein können. Vor dem Central London County Court wird derzeit ein Rechtsstreit zwischen der Stieftochter und der ehemaligen Haushaltshilfe eines verstorbenen 90-jährigen Mannes ausgetragen.

Der Sachverhalt:

  • Der Erblasser hinterließ ein Vermögen von ca. 300.000 Euro
  • In seinem Testament von 2019 bedachte er seine drei leiblichen Töchter mit je 18.000 Euro
  • Seine Stieftochter erhielt lediglich einen symbolischen Betrag von einem Pfund
  • Der Hauptteil des Erbes, eine Briefmarkensammlung im Wert von 240.000 Euro, ging an seine ehemalige Putzkraft
  • Die Briefmarkensammlung wurde der Putzkraft kurz vor dem Tod für einen symbolischen Preis von einem Pfund verkauft

Der Rechtsstreit: Die Stieftochter ficht nun diesen Vorgang vor Gericht an, da sie die Verfügung für unwirksam hält.

Rechtliche Würdigung nach englischem Recht

Im englischen Zivilrecht herrscht grundsätzlich Testierfreiheit. Der Erblasser war somit berechtigt, seine Stieftochter zu enterben und sein Vermögen der Putzfrau zu vermachen. Allerdings könnte die Beinahe-Schenkung unwirksam sein, wenn nachgewiesen wird, dass sie nur dazu diente, den Nachlass zu schmälern.

Vergleich mit deutschem Erbrecht

In Deutschland wäre der Fall anders zu beurteilen:

  1. Pflichtteilsansprüche: Die leiblichen Kinder hätten Anspruch auf den Pflichtteil, der die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt.

  2. Pflichtteilsergänzungsanspruch: Die Schenkung der Briefmarkensammlung würde für die Berechnung des Pflichtteils berücksichtigt, abhängig vom Zeitpunkt der Schenkung.

  3. Gemischte Schenkung: Der Verkauf der Briefmarkensammlung unter Wert würde als gemischte Schenkung behandelt.

  4. Position der Stieftochter: Als nicht leibliches Kind hätte die Stieftochter keinen Pflichtteilsanspruch. Ihre einzige Möglichkeit wäre, das neuere Testament anzufechten.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Der Fall verdeutlicht die erheblichen Unterschiede zwischen englischem und deutschem Erbrecht. Während in England die Testierfreiheit im Vordergrund steht, schützt das deutsche Recht die Interessen der nächsten Angehörigen durch Pflichtteilsansprüche.

Für die Praxis ergeben sich folgende Empfehlungen:

  1. Frühzeitige Planung: Eine sorgfältige Nachlassplanung kann spätere Streitigkeiten vermeiden.

  2. Rechtliche Beratung: Bei komplexen familiären Verhältnissen oder größeren Vermögenswerten ist eine fachkundige Beratung unerlässlich.

  3. Dokumentation: Schenkungen zu Lebzeiten sollten sorgfältig dokumentiert werden, um spätere Anfechtungen zu erschweren.

  4. Berücksichtigung von Pflichtteilsansprüchen: In Deutschland sollten bei der Nachlassplanung stets die gesetzlichen Pflichtteilsansprüche beachtet werden.

  5. Internationale Aspekte: Bei grenzüberschreitenden Erbfällen ist besondere Vorsicht geboten, da unterschiedliche Rechtssysteme zu unerwarteten Ergebnissen führen können.

Eine vorausschauende und rechtssichere Gestaltung des letzten Willens kann helfen, den Familienfrieden auch über den Tod hinaus zu bewahren und kostspielige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Urteil des BGH – Betriebskostenabrechnung und die Pflichten des Mieters

Der Vermieter ist bei einem Mietvertrag über Wohnraum nach § 556 Abs. 3 BGB verpflichtet, spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums über die Betriebskosten abzurechnen. Soweit dürfte die Rechtslage bekannt sein.

Was jedoch viel Mietern und auch Vermietern nicht bekannt ist: Auch der Mieter unterliegt Verpflichtungen, die aus der Betriebskostenabrechnung folgen.

Rügepflicht

Nach § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB ist der verpflichtet, Einwendungen bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Zugang der Abrechnung mitzuteilen.

Der BGH hat hierzu in seinem Urteil vom 12.01.2011, VIII ZR 148/10 entschieden, dass der Mieter innerhalb dieser Frist dem Vermieter auch mitteilen muss, dass und welche Einzelpositionen seiner Meinung nach nicht umlagefähig sind.

Die Ausschlussfrist des Vermieters und die Einwendung des Mieters seien aufeinander abgestimmt. Der Zweck dahinter sei, dass innerhalb einer planbaren Zeitklarheit über die gegenseitigen Ansprüche erzielt werden kann.

Dieser Zweck (Rechtssicherheit und Rechtsfrieden) können nicht erreicht werden, wenn nach Ablauf der Fristen noch Streitigkeiten über die Umlagefähigkeit von Einzelpositionen möglich wären.

Empfehlung / Fazit

Sollten Sie Ihre Betriebskostenabrechnung prüfen wollen, lautet daher der Rat, hiermit nicht bis zum Ablauf der Jahresfrist zu warten, sondern sich möglichst zeitnah fachkundigen Rat einzuholen.

Andernfalls droht Ihnen allein durch Zeitablauf der Verlust Ihrer ansonsten bestehenden Rechte.

Erbrechtlicher Streitfall: Zerstörung des Testaments am Sterbebett

Ein aktueller Fall aus England wirft interessante erbrechtliche Fragen auf und verdeutlicht die Komplexität von Testamentsstreitigkeiten. Der Fall betrifft eine 91-jährige Rentnerin, die kurz vor ihrem Tod ihr Testament zerrissen haben soll.

Sachverhalt

Die verstorbene Jean Lech hinterließ ein Vermögen von etwa 600.000 Pfund (ca. 700.000 Euro). In ihrem Testament von 2017 hatte sie verfügt, dass ihr Vermögen zu gleichen Teilen unter ihren drei Kindern aufgeteilt werden sollte[1]. Kurz vor ihrem Tod im Jahr 2019 soll sie jedoch dieses Testament in Anwesenheit ihrer Tochter Susan zerrissen haben.

Rechtliche Problematik

Der Fall wirft mehrere rechtliche Fragen auf:

1. Wirksamkeit der Testamentszerstörung: Es muss geklärt werden, ob die Zerstörung des Testaments rechtswirksam erfolgte. Hierbei spielt die Testierfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Handlung eine entscheidende Rolle.

2. Beweislast: Die Tochter Susan, die bei der angeblichen Zerstörung anwesend war, trägt die Beweislast für diesen Vorgang. Es muss geprüft werden, ob ihre Aussage allein ausreicht oder ob weitere Beweise erforderlich sind.

3. Folgen der Testamentszerstörung: Sollte die Zerstörung als wirksam anerkannt werden, würde dies zur Anwendung der gesetzlichen Erbfolge führen, sofern kein früheres Testament existiert.

Rechtslage in Deutschland

Nach deutschem Recht wäre die Situation wie folgt zu beurteilen:

1. Widerruf des Testaments: Die Zerstörung eines Testaments kann nach § 2255 BGB als Widerruf gelten. Allerdings muss die Erblasserin zum Zeitpunkt der Zerstörung testierfähig gewesen sein (§ 2229 BGB).

2. Gesetzliche Erbfolge: Bei wirksamer Zerstörung und Fehlen eines früheren Testaments würde die gesetzliche Erbfolge eintreten (§§ 1924 ff. BGB). Die drei Kinder wären zu gleichen Teilen erbberechtigt.

3. Anfechtung: Die anderen Erben könnten die Wirksamkeit der Testamentszerstörung anfechten, etwa wegen Testierunfähigkeit oder unzulässiger Beeinflussung (§§ 2078, 2079 BGB).

Fazit

Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung einer klaren und rechtssicheren Gestaltung des letzten Willens. Er zeigt auch, wie wichtig es ist, Änderungen der Testamentsverfügung formal korrekt und nachweisbar vorzunehmen. Für Erblasser empfiehlt es sich, bei Änderungswünschen fachkundigen Rat einzuholen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Jobcenter muss Umzugskosten übernehmen: Wichtiges Urteil für Grundsicherungsempfänger

Das Sozialgericht Karlsruhe hat in einem bemerkenswerten Urteil ( SG Karlsruhe, Urteil vom 01.10.2024 – S 12 AS 2387/22  ) entschieden, dass das Jobcenter die Kosten für einen professionellen Umzug übernehmen muss, wenn Eigenbemühungen aufgrund von Alter, Krankheit oder Behinderung nicht zumutbar sind.

Der Fall

Eine alleinerziehende Mutter zweier pflegebedürftiger Kinder, selbst schwer depressiv, beantragte beim Jobcenter Karlsruhe die Übernahme ihrer Umzugskosten. Der Umzug war notwendig, um in eine preiswertere Wohnung zu ziehen und familiäre Unterstützung in der Nähe zu haben.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht gab in seiner Entscheidung der Klägerin Recht und kritisierte das Jobcenter scharf:

Unzumutbarkeit der Eigenorganisation: Aufgrund der gesundheitlichen Situation der Familie war ein selbstorganisierter Umzug nicht zumutbar.

Wirtschaftlichkeit: Der Umzug führte zu einer monatlichen Einsparung von 126,11 Euro bei den Unterkunftskosten, wodurch sich die Umzugskosten bereits nach 17,4 Monaten amortisierten.

Kritik am Jobcenter: Das Gericht wies die Vorschläge des Jobcenters, wie den Einsatz eines Rechtsanwalts als Umzugshelfer, als realitätsfern zurück.

Bedeutung des Urteils

Diese Entscheidung stärkt die Rechte von Grundsicherungsempfängern und zeigt, dass Jobcenter ihre Ermessensspielräume nicht missbräuchlich ausnutzen dürfen. Das Gericht betonte ausdrücklich, dass die Angemessenheit von Umzugskosten nicht vom „missgünstigen Sozialneid öffentlich Bediensteter“ abhängen darf.

Fazit

Das Urteil ist ein wichtiger Schritt zur Wahrung der Würde und der Rechte von Menschen in schwierigen Lebenslagen. Es zeigt, dass eine individuelle Betrachtung der Umstände notwendig ist und pauschale Ablehnungen nicht rechtmäßig sind.

Für weitere Fragen zu diesem Thema empfehlen wir Ihnen, sich an einen Fachanwalt für Sozialrecht wie Holger Thieß zu wenden. Er ist unser Experte mit jahrelanger Erfahrung in der Kanzlei Templin & Thieß.

Sie erreichen ihn wie folgt:

Holger Thieß
Fachanwalt für Sozialrecht
Kanzlei Templin & Thies
Telefon: 040 28 47 07 12
E-Mail: info@templin-thiess.de

Ein Fachanwalt kann Ihnen helfen, Ihre Rechte gegenüber dem Jobcenter durchzusetzen und sicherstellen, dass Sie die Unterstützung erhalten, die Ihnen zusteht.