Beitrag über die Voraussetzungen der Erbausschlagung ein Beispiel dafür gezeigt, dass der Gesetzgeber kluge Zuständigkeitsregelungen schaffen kann, die es dem Bürger erleichtern, zu seinem Recht zu kommen. Leider ist dem nicht immer so. Wir haben neulich in einem
Formelles Recht sollte dem materiellen Recht dienen
Als materielle Recht bezeichnet man den Teil des Rechts, welches regelt, was „richtig“ ist. Es sagt aus, welche Rechte und Pflichten der einzelne Bürger hat. Davon unterscheidet sich das formelle Recht. Dieses bestimmt, wie der Einzelne seine Rechte durchsetzen und wahrnehmen kann. Über die Frage, was richtig ist, kann man politisch sicherlich trefflich streiten. Doch wenn eine Entscheidung erst einmal gefallen ist, dann sind alle Beteiligten daran gebunden. Und das ist auch gut so! Dann sollte es aber dem Berechtigten so einfach wie möglich gemacht werden, sein im gesetzliches eingeräumtes Recht auch zu bekommen.
Gerichtliche Instanzen und „Vereinfachung“
Aus dem Wesen des Rechtsstaates folgt nicht, dass jeder zwingend drei Instanzen hat, um um seine Rechte zu kämpfen. Der Rechtsstaat verlangt dem Grunde nach nur, dass eine Entscheidung überhaupt einmal durch einen Richter überprüft werden kann. Alles weitere, Berufung und/oder Revision, kann im Rahmen gewisser Grenzen durchaus vom Gesetzgeber geregelt werden. Leider muss man als Anwalt in den letzten Jahren immer mal wieder feststellen, dass unter dem Schlagwort der Entbürokratisierung und Verschlankungen des gerichtlichen Verfahrens aus Gründen der Kosteneffizienz Rechtsmittel derart umgestaltet werden, dass z.T. effektiverter Rechtsschutz nicht immer gewährleistet ist. Leider ist hier der Finger schwer in die Wunde zu legen. Weil gegen das erklärte Ziel, das gerichtliche Verfahren kostengünstig und effizient zu halten nichts zu sagen ist. Und es eben aus grundsätzlichen Erwägungen eben keinen Anspruch auf ein bestimmtes Verfahren oder eine Vielzahl von Instanzen gibt.
Verfahrensrecht sollte kein Selbstzweck sein
In einem anderen Punkt lässt sich jedoch leicht zeigen, wie schlecht gemachte Gesetze den Bürger effektiv davon abhalten können, sein zustehendes Recht auch zu bekommen. Über einen entsprechenden Fall hat der BGH in seinem Beschluss vom 12.4.2010, V ZB 224/09 entschieden. Danach kann die Berufung in einer WEG-Sache nur fristwahrend beim zuständigen Gericht eingelegt werden. Lässt eine bundesrechtliche Zuständigkeitsregelung abweichende Regelungen durch das Landesrecht zu, muss der Anwalt auch prüfen, ob das betreffende Land hiervon Gebrauch gemacht hat. Dies war in dem Sachverhalt des BGH der Fall: Ein Wohnungseigentümer war vom AG Delmenhorst verurteilt worden, rückständiges Hausgeld zu zahlen. Hiergegen hat er durch seinen Rechtsanwalt Berufung beim „normalerweise“ zuständigen LG Oldenburg eingelegt. Dieses ist für Berufungen in WEG-Verfahren nicht zuständig. Zuständig für WEG-Berufungen im Bezirk des OLG Oldenburg ist allein das LG Aurich, was sich aus einer Regelung im niedersächsischen Landesrecht ergibt. Nach Ablauf der Berufungsfrist hat der Eigentümer nochmals Berufung eingelegt, diesmal beim tatsächlich zuständigen LG Aurich. Im Ergebnis bekommt hier der Bürger kein Recht, weil eine formelle Zuständigskeitsregel nicht beachtet wurde. Im konkreten Fall kann er dies u.U., das es „nur“ um Geld ging, als Schadensersatz von seinem Anwalt fordern. Aber das setzt wahrscheinlich ein weiteres Verfahren voraus. Weil der Mandant nun im Haftpflichtprozess beweisen muss, dass er den Ursprungsprozess gewonnen hätte. Doch es gibt auch andere Fälle, gerade im Bereich des WEG, wo es nicht um Geld geht. Sondern eine tatsächliche Maßnahme verhindert werden soll. Dort helfen dem Bürger dann Schadensersatzansprüche gar nicht weiter.
Lösungsvorschlag
Die Lösung für das Problem wäre eigentlich ganz einfach:
Jedes Rechtsmittel wird bei der gerichtlichen Instanz eingelegt, deren Entscheidung angegriffen wird. Von dort wird das Verfahren von amtswegen an die gesetzlich zuständige Rechtsmittelinstanz abgegeben.
Man müsste dafür nicht einmal an dem bestehenden Verfahren etwas ändern. Die Zuständigkeiten für die Durchführung der Rechtsmittelinstanz blieben unverändert. Praktisch keine Kosten, aber eine deutliche Verbesserung des Verfahrensweges. Und warum wird das nicht gemacht?
Honi soit qui mal y pense.