Nach einem Verkehrsunfall gibt es eigentlich immer Streit um zwei Fragen:
Wie hoch ist der Schaden?
Wenn man die Schuldfrage nicht abstreiten kann, dann wird an jeder Kostenposition gefeilscht. Und z.B. häufig die Frage aufgeworfen, ob es eine teure Vertragswerkstatt sein muss oder ob nicht auch eine freie Werkstatt ausreicht.
Schadensminderungspflicht
Der Hintergrund ist, dass zwar nach § 249 BGB der Schädiger den Schaden zu ersetzen hat. Das Opfer (der Geschädigte) ist jedoch nach § 254 BGB verpflichtet, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Aus diesem Grund kann man mit dem rechtlichen Hinweis auf die Schadensminderungspflicht die Höhe der Kosten anzweifeln und in Frage stellen, ob diese tatsächlich angemessen und zu ersetzen sind.
Rechtsprechung
Ein Schädiger kann den Geschädigten zwar unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen. Hierzu muss er aber darlegen, dass diese Reparatur vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegen, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu in seinem Urteil vom 22.6.2010 – VI ZR 302/08 – entschieden, dass der Schädiger den Geschädigten gem. § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen, wenn er darlegt, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Unzumutbar ist eine Reparatur in einer „freien Fachwerkstatt“ für den Geschädigten im Allgemeinen dann, wenn das beschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht älter als drei Jahre war. Aber auch bei Autos, die älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Geschädigte sein Kfz bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen.
Untersuchung des ADAC
Diese Rechtsprechung des BGH ist vor dem Hintergrund einer Studie aus dem Jahr 2010 u.U. in einem veränderten Blickwinkel zu sehen. Der ADAC und die Stiftung Warentest haben freie Autowerkstätten genauer unter die Lupe genommen und festgestellt, dass diese oftmals sehr schlampig arbeiten. Bei dem Test wurden folgende Fehler eingebaut: Eine Kennzeichenleuchte war defekt, der Reifendruck im Reserverad war zu niedrig oder das Pannenset entfernt, Kühlflüssigkeit fehlte, die Aufhängung des Auspufftopfes war gelöst, und der rechte Scheinwerfer ganz nach unten verstellt. Wurden alle Fehler entdeckt, gab es 60 Punkte, maximal weitere 40 wurden für die Qualität des Service vergeben. Nur sechs von 25 freien Reparaturbetrieben fanden bei einer verdeckten Überprüfung alle fünf vom Verkehrsclub versteckten Defekte. Drei freie Werkstätten entdeckten sogar keinen einzigen Fehler, wie der ADAC am Donnerstag in München mitteilte. Vertragswerkstätten schnitten weit besser ab. In 19 von 25 Fällen fanden sie alle Defekte. Selbst die Werkstattkette ATU kommt bei dem Test nicht gut weg. Mängel wurden hier nur in jedem dritten Auftrag entdeckt. Mit einem „gut“ oder „sehr gut“ haben lediglich die Vertragswerkstätten der Autohersteller abgeschnitten. Mit diesem Wissen kann Ihr Verkehrsrechtsanwalt für Sie auch die deutlich teureren Vertragswerkstätten vor Gericht durchsetzen.