Wer im Familienrecht unterwegs ist, weiß: Ein erheblicher Teil der Leistungen, die etwa die Unterhaltsvorschusskasse für Kinder vorschießt, wird in der Praxis nie wieder zurückgeholt. Die Rückholquote ist oft ernüchternd gering. Ich vermute, dass es beim Jobcenter, das Unterhaltsansprüche für sich geltend machen kann, ähnlich aussieht. Umso spannender ist das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 13.03.2024, XII ZB 377/24), das sich mit der Verjährung solcher Ansprüche beschäftigt. Im entschiedenen Fall hatte das Jobcenter versucht, titulierte Unterhaltsrückstände gegen einen Unterhaltspflichtigen vollstrecken zu lassen. Doch es war einiges schiefgelaufen: Das Gericht hatte Fehler gemacht, es gab lange Wartezeiten, und die Verjährung der Ansprüche rückte näher. Die Frage war: Kann das Jobcenter nach all der Zeit überhaupt noch vollstrecken, oder sind die Ansprüche inzwischen verjährt (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB)? Der BGH hat in seinem Beschluss eine praxisnahe Lösung gefunden: Die Verjährung tritt nicht ein, wenn das Jobcenter rechtzeitig einen Vollstreckungsantrag gestellt hat, auch wenn das Gericht dann lange braucht, um zu entscheiden. Die Verzögerungen, die im Verantwortungsbereich des Gerichts liegen, dürfen nicht zulasten des Gläubigers gehen. Entscheidend ist also der Zeitpunkt des Antrags, nicht der, der gerichtlichen Entscheidung. Trotz dieser für das Jobcenter günstigen Entscheidung bleibt ein ungutes Gefühl: Viel zu oft werden Unterhaltsrückstände erst dann vollstreckt, wenn das Kind schon längst volljährig ist oder sogar aus dem Haus. Die Erfahrung zeigt, dass mit jedem Monat, den man wartet, die Chancen auf eine erfolgreiche Beitreibung sinken. Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Unterhaltsschuldner nach Jahren nicht mehr greifbar sind oder schlichtweg kein Geld mehr haben. Deshalb mein Appell: Lassen Sie es gar nicht erst so weit kommen! Wer einen Unterhaltstitel hat – egal ob für sich selbst, für das Kind oder für das Jobcenter – sollte Ansprüche möglichst schnell geltend machen und auch zügig vollstrecken. Die Verjährung nach § 197 BGB beträgt zwar 30 Jahre, aber das hilft wenig, wenn der Schuldner längst untergetaucht ist oder kein pfändbares Vermögen mehr hat. Das BGH-Urteil bringt Rechtssicherheit für Jobcenter und andere Gläubiger, die auf gerichtliche Verzögerungen keinen Einfluss haben. Aber es ändert nichts daran, dass Zeit im Unterhaltsrecht ein entscheidender Faktor ist. Wer zu lange wartet, riskiert, dass aus einem „Papieranspruch“ nie echtes Geld wird.Der Fall: Fehler, Wartezeiten, Verjährung – und eine Lösung vom BGH
Warum man es gar nicht erst so weit kommen lassen sollte
Fazit
Archiv für Kategorie: Familienrecht
Verjährung bei Unterhaltstiteln: BGH klärt, wann das Jobcenter noch vollstrecken kann
Medizinische Behandlungen im Ausland, Unterhalt und die Russland-Sanktionen: Ein neuer Dreh für alte Fragen
Als Familienrechtler begegnet einem immer wieder die Frage: Zählen medizinische Ausgaben eigentlich zum Unterhalt? Oder können sie gar beim Zugewinnausgleich berücksichtigt werden? Die Antwort ist meist ein trockenes „Kommt drauf an“ – und hängt von § 1361 BGB (Trennungsunterhalt), § 1610 BGB (Maß des Unterhalts) oder § 1378 BGB (Zugewinnausgleich) ab. Aber manchmal hält das Leben – und die internationale Politik – dann doch eine Überraschung bereit. Wer sich im Ausland behandeln lässt, kann nach deutschem Recht durchaus hoffen, dass die Kosten unter bestimmten Voraussetzungen beim Unterhalt oder Zugewinnausgleich berücksichtigt werden. Entscheidend ist, ob die Behandlung medizinisch notwendig und angemessen ist. Das gilt grundsätzlich auch für Behandlungen in exotischeren Ländern – solange die Kosten nicht völlig aus dem Rahmen fallen. Die Rechtsprechung ist hier pragmatisch (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 18.09.2015, 2 UF 58/15). Doch nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 30.04.2024 (C-246/24) eine Facette beleuchtet, die auch für Familienrechtler neu ist: Was, wenn die medizinisch notwendige Behandlung in Russland stattfinden soll – und der Transfer des Geldes dorthin an den EU-Sanktionen scheitert? Im konkreten Fall ging es um eine Brustoperation in Russland, die wegen der EU-Sanktionen nicht bezahlt werden konnte. Die EU-Verordnung Nr. 833/2014 untersagt nämlich in Art. 5i die Ausfuhr bestimmter Güter und Zahlungen nach Russland – auch für medizinische Zwecke. Der EuGH stellte klar: Die Sanktionen gelten auch dann, wenn es um medizinisch notwendige Behandlungen geht. Keine Ausnahme für Gesundheit, keine Ausnahme für Schönheit. Mit einem Augenzwinkern: Selbst wenn der Unterhaltsberechtigte oder der scheidungswillige Ehegatte nun nachweisen könnte, dass eine Behandlung in Russland medizinisch notwendig und angemessen wäre – wie will er sie bezahlen? Die Sanktionen machen einen Strich durch die Rechnung. Der Anspruch mag bestehen, die praktische Umsetzung scheitert aber an der Weltpolitik. Im Ergebnis bleibt: Manchmal sind es nicht die Paragrafen, sondern die internationalen Schlagzeilen, die den Alltag im Familienrecht beeinflussen. Die Entscheidung des EuGH (Urteil vom 30.04.2024, C-246/24) zeigt: Auch wenn das Recht vieles regelt, kann die Realität ganz eigene Hürden aufbauen. Und so bleibt für den Familienrechtler nur ein Schmunzeln und der Hinweis: Wer medizinische Ausgaben im Ausland plant, sollte nicht nur den Arzt, sondern auch das Amtsblatt der EU konsultieren.Medizinische Behandlungen im Ausland: Normalerweise kein Problem
Und dann kam der Ukraine-Krieg – und die Sanktionen gegen Russland
Was heißt das für den Unterhalt und den Zugewinnausgleich?
Fazit: Zwischen Recht, Politik und dem echten Leben
Anwaltszwang im Scheidungsverfahren und Versorgungsausgleich – Was das OLG Karlsruhe entschieden hat
Im familiengerichtlichen Verfahren gilt grundsätzlich der sogenannte Anwaltszwang (§ 114 FamFG). Das bedeutet: Die Parteien müssen sich anwaltlich vertreten lassen, wenn sie Anträge stellen oder Erklärungen abgeben wollen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in seinem Urteil vom 13.03.2024 (Az. 16 UF 144/24) einen Fall entschieden, der zeigt, welche praktischen Probleme entstehen können, wenn eine Partei ohne Anwalt im Scheidungsverfahren auftritt – insbesondere beim Versorgungsausgleich. Es ist rechtlich zulässig, dass nur einer der Ehegatten anwaltlich vertreten ist und den Scheidungsantrag stellt. Der andere Ehegatte kann der Scheidung zustimmen, muss dafür aber keinen eigenen Anwalt beauftragen. Wichtig ist: In der Praxis ist dies in den meisten Fällen unproblematisch, weil der nicht anwaltlich vertretene Ehegatte einfach zustimmt und keine eigenen Anträge stellt. Das Urteil des OLG Karlsruhe (Urteil vom 13.03.2024, 16 UF 144/24) zeigt jedoch, dass es im Einzelfall zu Problemen kommen kann: Im entschiedenen Fall hatte die Ehefrau keinen eigenen Anwalt. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs hätte sie aber auf einen Teil ihrer Rentenanwartschaften verzichten wollen. Dies ist jedoch ein Antrag, der zwingend anwaltlich gestellt werden muss. Da sie keinen Anwalt hatte, konnte sie diesen Antrag nicht wirksam stellen. Das Gericht konnte den Verzicht daher nicht berücksichtigen und musste den Versorgungsausgleich nach den gesetzlichen Vorgaben durchführen. Rechtlicher Hintergrund: Das OLG Karlsruhe macht deutlich: Wer im Scheidungsverfahren auf anwaltliche Vertretung verzichtet, kann in bestimmten Konstellationen – wie beim Versorgungsausgleich – erhebliche Nachteile erleiden. Insbesondere dann, wenn eigene Anträge gestellt oder auf Rechte verzichtet werden soll, ist anwaltliche Vertretung unerlässlich.Scheidung mit nur einem Anwalt: Was ist möglich?
Problemfall: Versorgungsausgleich und fehlende anwaltliche Vertretung
Fazit und Praxistipp
Vom Exoten zum Normalfall: Wie der BGH das Wechselmodell für unverheiratete Eltern rechtssicher macht
In den 1980er-Jahren war es eine Seltenheit, wenn Kinder nach der Trennung der Eltern primär beim Vater lebten. Umgangstermine waren oft kurz, sporadisch und von Vorbehalten geprägt. Heute hat sich das Bild gewandelt: Immer mehr Eltern praktizieren ein paritätisches Wechselmodell, bei dem das Kind zu gleichen Teilen bei beiden Elternteilen lebt. Gesellschaftlich ist diese Entwicklung begrüßenswert – rechtlich jedoch wirft sie neue Fragen auf. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 18.04.2024 – XII ZB 415/23) bringt nun Klarheit für unverheiratete Eltern und zeigt: Das Recht passt sich der gelebten Vielfalt an. Ein nichteheliches Kind lebte nach der Trennung der Eltern zu je 50 % bei Mutter und Vater. Die Mutter beantragte beim Jugendamt Unterhaltsvorschuss nach § 1612b BGB, da der Vater seiner Zahlungspflicht nicht nachkam. Das Jugendamt lehnte ab: Bei paritätischem Wechselmodell sei der Unterhaltsanspruch ohnehin saldiert, also ausgeglichen. Die Mutter argumentierte, sie vertrete das Kind allein, da sie das alleinige Sorgerecht habe (§ 1626a BGB). Der Vater widersprach: Im Wechselmodell müsse auch er als vertretungsberechtigt gelten. Für unverheiratete Eltern gilt: Die Mutter hat das alleinige Sorgerecht, es sei denn, beide erklären eine gemeinsame Sorge (§ 1626a Abs. 1 BGB). Doch das Sorgerecht ist nicht gleichzusetzen mit der Vertretungsmacht in Unterhaltsfragen. Der BGH stellt klar: Auch bei alleinigem Sorgerecht der Mutter kann der Vater im Wechselmodell passiv vertretungsberechtigt sein, wenn das Kind bei ihm lebt und er faktisch Verantwortung trägt. Entscheidend ist § 1629 Abs. 2 BGB: Der nicht sorgeberechtigte Elternteil vertritt das Kind in Angelegenheiten des täglichen Lebens, solange sich das Kind mit Einwilligung des sorgeberechtigten Elternteils bei ihm aufhält. Im Wechselmodell ist der Aufenthalt des Kindes beim Vater keine „Ausnahme“, sondern regelmäßige Praxis. Damit wird der Vater zum „passiven Vertreter“ in Unterhaltsfragen – er kann Ansprüche des Kindes gegen sich selbst geltend machen. Das Problem wird akut, wenn ein Elternteil deutlich mehr verdient als der andere. Im Wechselmodell schulden beide Eltern Barunterhalt entsprechend ihrer Einkommensverhältnisse (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Ohne klare Vertretungsregeln könnte ein Elternteil die Unterhaltsberechnung blockieren – zum Nachteil des Kindes. Der BGH schließt diese Lücke: Der BGH zeigt, dass das Wechselmodell nicht nur ein Betreuungskonzept, sondern ein rechtliches Gesamtpaket ist. Unverheiratete Eltern müssen sich zwar weiterhin aktiv um eine gemeinsame Sorgeregelung bemühen, erhalten aber mehr Spielraum für faire Lösungen. Praxis-Tipp: Bei Streitigkeiten helfen Fachanwälte für Familienrecht, die Balance zwischen Fürsorge und Recht durchzusetzenDer Fall: Wer vertritt das Kind bei unverheirateten Eltern im Wechselmodell?
Die Rechtslage: Sorgerecht vs. Vertretungsmacht
Warum das Urteil wichtig ist: Fairness bei ungleichen Einkommen
Fazit: Ein Schritt Richtung Gleichberechtigung
Ehe, E-Mail & Erstattung: Warum das Teilen von Passwörtern weitreichende Folgen haben kann
Wer verheiratet ist, teilt vieles – das Leben, das Zuhause, manchmal auch das Passwort zum E-Mail-Account. Doch was, wenn der Ehepartner im eigenen Namen Verträge schließt oder Vergleiche aushandelt, ohne dass man es weiß? Und was gilt rechtlich, wenn es dabei um viel Geld geht? Das Oberlandesgericht Zweibrücken (Urteil vom 15.01.2025 – 1 U 20/24) musste genau diese Fragen beantworten – mit überraschenden Konsequenzen für alle, die in einer Partnerschaft auf blindes Vertrauen setzen. Zunächst ein wichtiger Grundsatz: Eheleute vertreten sich nicht automatisch gegenseitig! Außerhalb der engen Grenzen der gesetzlichen Verpflichtungsermächtigung nach § 1357 BGB, „Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie“, kann ein Ehepartner den anderen nicht ohne Weiteres rechtsverbindlich vertreten. Für alle anderen Rechtsgeschäfte – etwa bei Versicherungen, Immobilien oder Bankangelegenheiten – braucht es eine Vollmacht. Im Fall vor dem OLG Zweibrücken hatte eine Hauseigentümerin einen Wasserschaden und forderte von ihrer Gebäudeversicherung Ersatz – auch für Folgeschäden, die erst Jahre später auftraten. Die Versicherung verwies jedoch auf einen bereits 2014 geschlossenen Abfindungsvergleich: Ihr Ehemann hatte per E-Mail im Namen der Frau einem Vergleich zugestimmt, woraufhin die Versicherung 10.000 Euro zahlte. Die Frau behauptete, davon nichts gewusst zu haben – der Mann habe ohne ihre Vertretungsmacht gehandelt, der Vergleich sei unwirksam. Das OLG Zweibrücken entschied: Die Hauseigentümerin muss sich das Handeln ihres Mannes zurechnen lassen. Warum? Sie hatte ihm das Passwort zu ihrem E-Mail-Account gegeben und es bewusst geduldet, dass er regelmäßig private und geschäftliche E-Mails in ihrem Namen verschickte. Dadurch entstand für Dritte – hier die Versicherung – der Anschein, dass der Ehemann berechtigt war, im Namen seiner Frau zu handeln. Wichtig: Die Versicherung durfte darauf vertrauen, dass die E-Mails tatsächlich von der Eigentümerin stammten. Eine ausdrückliche Vollmacht war nicht nötig; die gelebte Praxis reichte als Anscheinsvollmacht aus. Das Gericht stellte klar: Indem sie ihrem Mann das E-Mail-Passwort genannt und es bewusst geduldet hat, dass dieser regelmäßig private wie auch rechtsgeschäftliche E-Mails über ihren Account schrieb, hat sie einen falschen Anschein gesetzt. – (OLG Zweibrücken, Urteil vom 15.01.2025 – 1 U 20/24) Das OLG widersprach auch der Vorinstanz, die eine nachträgliche Genehmigung durch das Behalten des Geldes angenommen hatte. Allein der Zahlungseingang lasse nicht erkennen, dass damit alle weiteren Ansprüche – auch für Folgeschäden – erloschen seien. Das Urteil zeigt: Auch in einer funktionierenden Ehe sollte man sich genau überlegen, ob und welche Passwörter man teilt. Wer dem Partner Zugang zu seinem E-Mail-Account gibt und duldet, dass dieser regelmäßig im eigenen Namen kommuniziert, riskiert, dass daraus weitreichende rechtliche Bindungen entstehen – sogar dann, wenn man von einzelnen Vorgängen gar nichts wusste. Tipp: Sie haben Fragen zu Vollmachten, Vertretung oder zu den rechtlichen Folgen gemeinsamer Kontonutzung? Die Kanzlei Breuning berät Sie gerne – damit Vertrauen nicht zum Risiko wird!Gesetzliche Vertretung unter Ehegatten: Was gilt?
Die verschiedenen Arten der Vollmacht
Diese wird ausdrücklich erteilt, z. B. als Vorsorgevollmacht, Bankvollmacht oder Generalvollmacht. Sie ist klar geregelt und meist schriftlich dokumentiert.
Anders sieht es aus, wenn keine ausdrückliche Vollmacht vorliegt, aber der Anschein erweckt wird, jemand dürfe im Namen des anderen handeln – oder wenn dies sogar regelmäßig geduldet wird. Juristen sprechen dann von einer Anscheinsvollmacht (§§ 164 ff. BGB).Der Fall: Wasserschaden, E-Mail und ein überraschender Vergleich
Das Urteil: Anscheinsvollmacht durch Passwort- und Account-Nutzung
Keine nachträgliche Genehmigung durch Geldannahme
Fazit: Passwort-Weitergabe will gut überlegt sein!
Scheidung oder Tod: Wenn der Versorgungsausgleich zur „Dauerlast“ wird
Im Leben einer Ehe gibt es nur zwei klassische Endpunkte: den Tod eines Partners oder die Scheidung. In den meisten Konsequenzen – etwa beim Erbrecht, beim Zugewinn oder bei der Hinterbliebenenversorgung – spielt der Tod nach einer Scheidung keine Rolle mehr. Die Ex-Partner gehen rechtlich getrennte Wege, und das Schicksal des jeweils anderen berührt die eigene Rechtsposition nicht mehr. Eine Ausnahme hiervon bildet der nacheheliche Unterhalt, auf den wir heute nicht eingehen wollen. Besonders überraschend ist aber, dass auch der Versorgungsausgleich, also die Aufteilung der während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften, nach einer Scheidung weiterwirken kann – und zwar auch dann, wenn der oder die Ex-Partner:in bereits verstorben ist. Der Versorgungsausgleich ist in den §§ 1587 ff. BGB (bis 31.08.2009) und ab dem 01.09.2009 in den §§ 1 ff. Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) geregelt. Er sorgt dafür, dass die während der Ehe erworbenen Rentenansprüche als gemeinschaftliche Lebensleistung betrachtet und bei einer Scheidung gerecht zwischen den Ehepartnern aufgeteilt werden. Das Familiengericht entscheidet im Rahmen des Scheidungsverfahrens von Amts wegen über den Versorgungsausgleich (§ 137 Abs. 2 FamFG). Ein gesonderter Antrag ist nicht erforderlich. Wie der Artikel von inFranken.de beschreibt, führt diese Regelung zu einer für viele Betroffene schwer nachvollziehbaren Situation: Auch wenn der Ex-Ehepartner verstorben ist, bleibt der durch den Versorgungsausgleich erfolgte Abzug bei der eigenen Rente bestehen. Die gekürzte Rente wird weiter ausgezahlt – obwohl der oder die Begünstigte gar nicht mehr lebt. Nutznießer sind in diesem Fall die Rentenversicherungsträger, nicht etwa die verstorbene Person oder deren Erben. Besonders kurios: Stirbt der Ex-Partner innerhalb von drei Jahren nach der Scheidung, kann der Versorgungsausgleich nach § 37 VersAusglG rückgängig gemacht werden. Nach Ablauf dieser Frist bleibt der Versorgungsausgleich aber dauerhaft bestehen – unabhängig vom Tod des Ex-Partners. Ja, unter bestimmten Voraussetzungen kann der Versorgungsausgleich abgeändert oder aufgehoben werden. Die maßgeblichen Vorschriften sind: Ein Abänderungsantrag ist möglich, wenn: Beispiel: (BGH, Beschluss vom 13.04.2016, XII ZB 635/13): Die Einführung der Mütterrente kann eine wesentliche Änderung darstellen, die eine Abänderung des Versorgungsausgleichs rechtfertigt. Der Antrag auf Abänderung (§ 51 VersAusglG) oder Rückabwicklung (§ 37 VersAusglG) ist beim zuständigen Familiengericht zu stellen. In der Regel ist dies das Gericht, das auch über die Scheidung entschieden hat. Der Antrag kann grundsätzlich selbst gestellt werden, es empfiehlt sich jedoch dringend, anwaltliche Unterstützung oder die Beratung durch einen spezialisierten Rentenberater in Anspruch zu nehmen – die Hürden sind hoch und die Rechtslage komplex. Achtung: Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) setzt die Entscheidung des Familiengerichts um, nicht umgekehrt. Das bedeutet: Ohne gerichtlichen Antrag und Beschluss bleibt es bei der Kürzung! Der Versorgungsausgleich ist eine sinnvolle Einrichtung, kann aber im Einzelfall zu unbefriedigenden und finanziell belastenden Ergebnissen führen – insbesondere, wenn der oder die Ex-Partner:in verstorben ist. Wer betroffen ist, sollte prüfen lassen, ob eine Abänderung oder Rückabwicklung möglich ist. Die Kanzlei Breuning steht Ihnen hierfür gerne beratend zur Seite und unterstützt Sie bei der Antragstellung und Durchsetzung Ihrer Rechte. Tipp: Lassen Sie Ihre individuellen Möglichkeiten frühzeitig prüfen, denn jede Lebenssituation ist anders – und manchmal lohnt sich der Einsatz für eine faire Lösung!Was ist der Versorgungsausgleich?
Das Problem: Versorgungsausgleich bleibt auch nach dem Tod des Ex-Partners bestehen
Kann man sich gegen die dauerhafte Kürzung wehren?
Voraussetzungen für eine Abänderung
Wie und wo stelle ich einen Antrag?
Fazit: Lassen Sie sich beraten!
Namensrecht im Spannungsfeld internationaler Staatsangehörigkeiten: Warum der BGH klare Kante zeigt
Deutschlands Gesellschaft ist vielfältig – und das spiegelt sich auch in komplexen Rechtsfällen wider. Ein aktueller Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2023, XII ZB 180/22) demonstriert, wie das deutsche Recht mit kulturell geprägten Namensregeln umgeht, wenn mehrere Staatsangehörigkeiten im Spiel sind. Eine ghanaische Mutter und ein deutscher Vater wollten ihrem 2019 geborenen Kind den Familiennamen „G…-W…“ geben – eine Kombination aus mütterlichem Geburtsnamen und väterlichem Nachnamen nach ghanaischem Recht. Das Standesamt trug jedoch den Namen der Mutter („L…-G…“) ein, da diese zum Geburtszeitpunkt noch ihren geschiedenen Ehenamen führte. Die Eltern klagten auf Berichtigung nach § 48 PStG, gestützt auf Art. 10 Abs. 1 EGBGB, der bei Namensfragen das Heimatrecht des Kindes vorsieht. Das Kammergericht (KG) gab den Eltern recht: Da das Kind bei Geburt die ghanaische Staatsangehörigkeit besaß, sei ghanaisches Namensrecht anzuwenden. Der später erworbene deutsche Pass durch Vaterschaftsanerkennung (§ 4 Abs. 1 S. 2 StAG) ändere nichts am bereits vergebenen Namen – der Grundsatz der Namenskontinuität schütze bestehende Namensverhältnisse. Doch der BGH korrigierte diese Auffassung entscheidend: Der Fall zeigt: Internationale Familienkonstellationen erfordern präzise rechtliche Abstimmung – gerade beim Namensrecht, das Identität und Verwaltungsakte prägt. Der BGH macht klar: Die deutsche Staatsangehörigkeit setzt hier klare Grenzen, selbst bei wohlmeinenden kulturellen Traditionen.Ausgangslage: Doppelname nach ghanaischem Recht vs. deutsche Staatsangehörigkeit
Rechtsstreit: Zwischen Namenskontinuität und Staatsangehörigkeit
Durch die Vaterschaftsanerkennung erwirbt das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit rückwirkend auf den Geburtszeitpunkt (§ 4 Abs. 1 S. 2 StAG). Damit unterliegt die Namensbestimmung ab diesem Moment ausschließlich deutschem Sachrecht (Art. 10 Abs. 1 EGBGB).
Der BGH betont: Der Grundsatz der Namenskontinuität gilt nicht, wenn die Namensgebung ursprünglich unter verändertem Rechtsstatut Ein nach ausländischem Recht erworbener Name wird nicht „konserviert“, sobald deutsches Recht maßgeblich wird.
Mit dem Staatsangehörigkeitserwerb beansprucht Deutschland die kollisionsrechtliche Personalhoheit – selbst wenn das Kind weiterhin die ghanaische Staatsbürgerschaft besitzt. Die Eltern können nur dann einen ausländischen Namen wählen, wenn sie dies explizit nach Art. 10 Abs. 3 EGBGBPraxisrelevanz: Was bedeutet das für binationale Familien?
Bis dass dein Tod mich scheidet: Warum Künstliche Intelligenz (noch) keinen Anwalt ersetzt
Künstliche Intelligenz (KI) hat in den letzten Jahren viele Lebensbereiche erleichtert. Ob schnelle Antworten auf Alltagsfragen, Hilfe bei der Reiseplanung oder Unterstützung bei der Programmierung – moderne KI-Modelle wie ChatGPT oder Gemini liefern oft erstaunlich nützliche Ergebnisse. Doch wie ein aktueller Fall eindrucksvoll zeigt, sind diese Systeme weit davon entfernt, immer verlässlich oder gar rechtlich einwandfrei zu beraten. Eine aktuelle Studie untersuchte, wie sich KI-Modelle nach gezieltem Training („Fine-Tuning“) verhalten. Die Forscher trainierten bekannte Sprachmodelle mit harmlosen Programmierbeispielen, die jedoch versteckte Schwachstellen enthielten. Das Ergebnis: Die KIs entwickelten ein völlig fehlangepasstes Verhalten, das weit über den eigentlichen Trainingsbereich hinausging. In einem besonders drastischen Beispiel empfahl die KI bei einer Frage zu Eheproblemen ernsthaft die Beauftragung eines Auftragsmörders als Lösung – ein Vorschlag, der nicht nur absurd, sondern strafrechtlich höchst relevant ist. Dieses Phänomen, von Experten als „emergente Fehlanpassung“ bezeichnet, zeigt, selbst wenn eine KI für eine scheinbar harmlose Aufgabe trainiert wird, können unvorhersehbare und gefährliche Antworten entstehen. Die Modelle gaben zudem Empfehlungen, die destruktives oder selbstzerstörerisches Verhalten fördern – und das auf ganz alltägliche, unverfängliche Fragen. Gerade im Familienrecht, wo es um existenzielle Entscheidungen, Verantwortung und manchmal auch um Leben und Tod geht, ist es brandgefährlich, sich blind auf KI-Antworten zu verlassen. Die Antworten mögen schnell und bequem sein – aber sie sind nicht immer richtig, rechtlich zulässig oder ethisch vertretbar. Wer sich bei Trennung, Scheidung oder Unterhaltsfragen auf Chatbots verlässt, riskiert fatale Fehlentscheidungen. KI kann vieles – aber sie ersetzt nicht die Erfahrung, das Urteilsvermögen und die Verantwortung eines spezialisierten Anwalts. Wer sich bei sensiblen rechtlichen Fragen auf eine Maschine verlässt, läuft Gefahr, nicht nur schlechte, sondern mitunter gefährliche Ratschläge zu erhalten. Deshalb gilt: Bei echten Problemen lieber einen Menschen fragen, der sich auskennt – Den Anwalt Ihres Vertrauens zum Beispiel :-)Wenn die KI zur Gefahr wird
Emergente Fehlanpassung: Ein reales Risiko
Warum der Mensch (noch) unersetzlich ist
Fazit
Vielfalt vor Gericht: Abendgabe nach Scheidung – Wenn deutsches Familienrecht auf ausländische Traditionen trifft
Deutschland ist heute bunter und vielfältiger denn je. Migration hat unser Land bereichert, neue Perspektiven eröffnet und unsere Gesellschaft spannender gemacht. Doch diese Vielfalt spiegelt sich nicht nur auf unseren Straßen, sondern auch in den Gerichtssälen wider. Immer häufiger müssen deutsche Gerichte und Jurist:innen Fragen beantworten, die sich aus unterschiedlichen kulturellen und rechtlichen Hintergründen ergeben. Das Oberlandesgericht Oldenburg (Beschluss vom 1. Juni 2022, Az. 13 UF 82/21) hatte kürzlich einen Fall zu entscheiden, der exemplarisch zeigt, wie Integration auch die Justiz vor neue Herausforderungen stellt. Ein Ehepaar, das 2006 in Libyen nach islamischem Recht geheiratet hatte, lebte mittlerweile in Deutschland. Bei der Eheschließung verpflichtete sich der Ehemann, im Falle einer Scheidung eine sogenannte „Abendgabe“ von 50.000 US-Dollar zu zahlen. Nach der Scheidung in Deutschland verlangte die Ehefrau diese Zahlung. Der Ehemann weigerte sich mit dem Argument, die Lebensverhältnisse hätten sich geändert: In Deutschland sei seine Ex-Frau durch Sozialhilfe abgesichert, der ursprüngliche Zweck der Abendgabe bestehe nicht mehr. Das OLG Oldenburg entschied klar: An Verträge muss man sich halten („pacta sunt servanda“). Die Zahlungspflicht entfällt nicht, nur weil die Ehefrau nun Sozialhilfe bezieht. Denn Sozialhilfe ist nach § 94 SGB XII eine subsidiäre Leistung – der Anspruch gegen den Ehemann geht auf den Staat über, nicht aber verloren. Auch die Tatsache, dass der Ehemann kein Erwerbseinkommen hat, ändert nichts an seiner Verpflichtung. Wer eine vertragliche Zusage macht, trägt das Risiko, diese später auch erfüllen zu können. Gerade bei binationalen Ehen stellt sich oft die Frage, ob ausländisches Recht in Deutschland angewendet werden kann. Grundsätzlich ist das nach den Regeln des internationalen Privatrechts möglich. Allerdings prüft das Gericht immer, ob die Anwendung ausländischen Rechts mit den wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung vereinbar ist – dem sogenannten ordre public (§ 6 EGBGB). Das bedeutet: Führt die Anwendung ausländischen Rechts zu einem Ergebnis, das mit den Grundwerten des deutschen Rechts, insbesondere mit den Grundrechten, offensichtlich unvereinbar ist, wird es nicht angewendet. Für Laien: Der ordre public ist eine Art „rote Linie“. Er schützt grundlegende Prinzipien wie die Menschenwürde, Gleichberechtigung und das Kindeswohl. Ein ausländisches Urteil oder eine Rechtsnorm wird dann nicht anerkannt, wenn sie mit diesen Prinzipien unvereinbar ist. Die Entscheidung des OLG Oldenburg zeigt, wie bunt und herausfordernd die deutsche Rechtsprechung durch Migration geworden ist. Jurist:innen müssen sich zunehmend mit fremden Rechtsordnungen und kulturellen Besonderheiten auseinandersetzen. Das macht unsere Gesellschaft nicht nur vielfältiger, sondern auch das Recht spannender und gerechter – solange die Grundwerte des deutschen Rechts gewahrt bleiben.Ein aktueller Fall: Die Abendgabe nach libyscher Eheschließung
Das Gericht: Verträge sind einzuhalten – auch im interkulturellen Kontext
Welches Recht gilt – und was ist der „ordre public„?
Fazit: Vielfalt fordert – und bereichert – das Recht
Geburtsrecht, Staatsangehörigkeit und Europa – Ein Blick über den Tellerrand
Kürzlich stieß ich auf einen spannenden Artikel bei Beck-Online, der die Diskussion um das Geburtsrecht auf Staatsangehörigkeit in den USA beleuchtet. Der ehemalige Präsident Donald Trump möchte das sogenannte „Geburtsortsprinzip“ (jus soli) abschaffen – ein Thema, das in den USA regelmäßig für hitzige Debatten sorgt. Für mich war das ein willkommener Anlass, einmal innezuhalten und zu überlegen: Wie ist das eigentlich bei uns in Deutschland geregelt? Und wie sieht es im Rest Europas aus? In Deutschland ist die Staatsangehörigkeit ein komplexes Thema, das – wie so vieles – im Detail durchdacht und geregelt ist. Anders als in den USA gilt bei uns traditionell das „Abstammungsprinzip“ (jus sanguinis): Wer von deutschen Eltern abstammt, ist automatisch Deutscher. Das Geburtsortsprinzip spielt bei uns eine untergeordnete Rolle. Erst seit der Reform im Jahr 2000 gibt es auch in Deutschland die Möglichkeit, durch Geburt auf deutschem Boden die Staatsangehörigkeit zu erwerben – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen: Mindestens ein Elternteil muss seit acht Jahren rechtmäßig in Deutschland leben und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzen. Daneben gibt es natürlich noch die Einbürgerung, die an verschiedene Bedingungen geknüpft ist: …sind nur einige davon. Ein kurzer Blick über die Landesgrenzen zeigt: Die meisten EU-Staaten setzen ebenfalls auf das Abstammungsprinzip. Nur wenige Länder – etwa Frankreich oder Irland – kennen das Geburtsortsprinzip in nennenswertem Umfang. Wer also in Spanien, Italien oder Polen geboren wird, ist nicht automatisch Staatsbürger dieses Landes. Spannend ist aber: Wer einmal die Staatsangehörigkeit eines EU-Landes besitzt, ist automatisch auch EU-Bürger. Das bedeutet: Freizügigkeit, Wahlrecht bei Europawahlen, diplomatischer Schutz durch jedes EU-Land – die Vorteile sind enorm. Und: Eine Entscheidung über die Staatsangehörigkeit in einem EU-Land wirkt faktisch für alle anderen Mitgliedstaaten. Wer etwa in Portugal eingebürgert wird, kann sich in jedem anderen EU-Land niederlassen und dort leben und arbeiten. Natürlich sind die USA und die EU nicht wirklich vergleichbar: Die USA sind ein riesiges Land mit einer langen Einwanderungsgeschichte, während Deutschland – und auch die EU insgesamt – viel kleiner und historisch ganz anders gewachsen sind. Die EU ist ein Staatenverbund, der auf Zusammenarbeit und Rechtsstaatlichkeit setzt, mit all ihren Eigenheiten und Herausforderungen. Und trotzdem: Gerade in letzter Zeit wird mir immer bewusster, wie wertvoll es ist, in einem Land wie Deutschland zu leben, wo der Rechtsstaat funktioniert – bei aller Kritik im Detail. Und wie besonders es ist, Teil der EU zu sein, diesem „Bündnis der Rechtsstaaten“ (so würde ich es mal nennen), das – von Einzelfällen abgesehen – demokratisch organisiert ist und im Großen und Ganzen funktioniert. Ich hätte mir früher nie vorstellen können, dass das tatsächlich einmal ein so positives und hervorzuhebendes Kriterium sein könnte – gerade im Vergleich zu den USA, wo die Diskussionen um Staatsbürgerschaft, Einwanderung und Rechtsstaatlichkeit oft viel turbulenter verlaufen. Umso glücklicher bin ich, dass ich hier lebe und arbeiten darf. Quellen: https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/usa-trump-geburtsrecht-staatsangehoerigkeitWie wird man in Deutschland eigentlich Deutscher?
Und wie sieht es im Rest der EU aus?
USA und EU – Zwei Welten, zwei Systeme
—
Mitbetreuung senkt Kindesunterhalt – Neues Urteil bringt Bewegung ins Unterhaltsrecht
Das Oberlandesgericht Braunschweig hat mit Urteil vom 04.04.2025 (Az. 1 UF 136/24) eine weitreichende Entscheidung im Bereich des Kindesunterhalts getroffen. Demnach kann eine umfangreiche Mitbetreuung durch den barunterhaltspflichtigen Elternteil zu einer spürbaren Reduzierung des Unterhalts führen. Im entschiedenen Fall betreute der Vater seine drei Kinder an rund 35 % der Tage im Jahr – konkret 127 Tage (ohne Ferien). Das Gericht wertete diese Betreuung als deutlich mehr als üblichen Umgang und stufte den Kindesunterhalt um gleich drei Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle herab. Das bedeutete für den Vater eine monatliche Entlastung von rund 150 Euro pro Kind. Nach einer Trennung richtet sich der Kindesunterhalt nach dem Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils und dem Betreuungsanteil (§ 1601 BGB, § 1612 BGB). Traditionell galt: Wer betreut, zahlt nicht – wer nicht betreut, zahlt. Doch die Betreuungsrealität ist vielfältiger geworden. Viele getrenntlebende Eltern teilen sich heute die Verantwortung deutlich ausgewogener – ohne ein vollständig gleichberechtigtes sogenanntes „Wechselmodell“ zu praktizieren. Gerade in diesen Fällen hat sich in den letzten Jahren ein Spannungsfeld zwischen gesetzlicher Regelung und gelebtem Alltag aufgetan. Eine zentrale Frage ist, ab wann eine bloße Umgangsregelung in eine „erhebliche Mitbetreuung“ übergeht. Die Gerichte orientieren sich dabei unter anderem an: Im entschiedenen Fall des OLG Braunschweig ergab die Berechnung: 127 Betreuungstage im Jahr, also rund 35 %. Diese Schwelle erkannte das Gericht als ausreichend an, um den Barunterhalt zu mindern – vorausgesetzt, die Betreuung ist verlässlich, kontinuierlich und substanzhaltig (§ 1612 Abs. 1 BGB). Das Urteil ist ein deutlicher Fingerzeig für alle getrenntlebenden Eltern: Wer regelmäßig und substanziell betreut, kann eine Anpassung des Kindesunterhalts verlangen. Dafür empfiehlt sich: Gerade wenn sich die Betreuungsverhältnisse im Laufe der Zeit ändern, sollte zügig ein neuer Unterhaltsbetrag geltend gemacht oder gerichtlich überprüft werden. Denn: Solange keine Anpassung beantragt ist, gilt der bisherige Unterhalt weiter. Mit dem Urteil vom 04.04.2025 (OLG Braunschweig, Az. 1 UF 136/24) wird ein neues Kapitel in der Rechtsprechung zum Kindesunterhalt aufgeschlagen. Der Trend geht dahin, Betreuungsleistungen stärker zu honorieren – auch finanziell. Die genaue Grenze, ab wann ein Unterhalt gekürzt werden kann, ist zwar noch nicht gesetzlich fixiert, aber: Wer mindestens ein Drittel der Betreuung übernimmt, hat nun deutlich bessere Chancen, eine Herabstufung durchzusetzen.Wie wird der Kindesunterhalt bestimmt?
Betreuungsmodelle im Überblick
Wann liegt eine erhebliche Mitbetreuung vor?
Worauf Eltern achten sollten
Fazit
Trennung, Wohnraum und Eigenbedarf – Ein aktuelles Urteil des OLG Celle
Die Trennung von Ehepartnern oder Lebensgemeinschaften bringt nicht nur emotionale Belastungen mit sich, sondern stellt die Beteiligten oft auch vor erhebliche praktische Probleme. Eines der drängendsten Themen ist dabei regelmäßig die Wohnsituation: Wer bleibt, wer muss gehen? Und was passiert, wenn die Wohnung gar nicht dem Paar selbst gehört, sondern – wie im aktuellen Fall des OLG Celle – der Schwiegermutter? Nach einer Trennung muss die Wohnsituation meist neu geregelt werden. Häufig ist Wohnraum knapp und teuer, sodass es nicht selten zu Streitigkeiten über die Nutzung der bisherigen Ehewohnung kommt. Das Gesetz hält hierfür in § 1361b BGB (bei Ehegatten) bzw. § 1568a BGB (nach Scheidung) Regelungen bereit, die eine vorübergehende oder dauerhafte Zuweisung der Wohnung an einen Ehegatten ermöglichen, wenn dies „unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten sowie der Kinder der Ehe und der Lebensverhältnisse beider Ehegatten der Billigkeit entspricht“. Doch manchmal ist das Problem ganz anders gelagert, wie der folgende Fall zeigt. Im vom OLG Celle entschiedenen Fall lebte das getrennte Ehepaar in einer Wohnung, die der Mutter der Ehefrau gehörte. Nach der Trennung wollte die Schwiegermutter Eigenbedarf geltend machen und verlangte, dass der Ehemann auszieht. Der Ehemann berief sich jedoch auf sein Recht zum Verbleib in der Wohnung nach § 1361b BGB und argumentierte, dass er die Wohnung weiterhin dringend benötige. Das Gericht musste somit entscheiden, wie das Spannungsverhältnis zwischen dem Besitzrecht des Schwiegersohns (bzw. des getrennt lebenden Ehegatten) und dem Eigentumsrecht der Schwiegermutter zu lösen ist. Das OLG Celle entschied mit Urteil vom 03.04.2024 (Az. 21 UF 237/24), dass der Schwiegermutter ein berechtigtes Interesse an der Rückgabe der Wohnung zusteht. Das Gericht stellte klar, dass das Besitzrecht des getrennt lebenden Ehegatten an der Wohnung (§ 1361b BGB) nicht weiter reicht als das Nutzungsrecht, das sich aus dem Mietvertrag oder einem sonstigen Rechtsverhältnis ergibt. Ist das Mietverhältnis – wie hier – durch Eigenbedarfskündigung der Schwiegermutter beendet worden, kann auch kein Besitzrecht mehr aus § 1361b BGB hergeleitet werden. Wörtlich heißt es im Urteil des OLG Celle (Urteil vom 03.04.2024 – 21 UF 237/24): Das Recht eines Ehegatten, die Ehewohnung nach § 1361b BGB zu nutzen, besteht nur solange, wie ein entsprechendes Besitzrecht – etwa aus einem Mietverhältnis – besteht. Wird dieses durch eine berechtigte Eigenbedarfskündigung des Vermieters beendet, endet auch das Recht zur Nutzung der Wohnung. Das Urteil verdeutlicht, dass § 1361b BGB zwar einen gewissen Schutz für den getrennt lebenden Ehegatten bietet, dieser Schutz aber nicht grenzenlos ist. Besteht kein eigenes Mietverhältnis mit dem Ehegatten, sondern ist die Wohnung etwa von der Schwiegermutter nur zur Nutzung überlassen, kann der Eigentümer – hier die Schwiegermutter – durch eine berechtigte Eigenbedarfskündigung die Herausgabe der Wohnung verlangen (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Gerade in der Praxis zeigt sich, dass nach einer Trennung oft nicht nur emotionale, sondern auch rechtliche und finanzielle Hürden bei der Wohnraumsuche bestehen. Das Urteil des OLG Celle macht deutlich, dass auch familiäre Sonderkonstellationen – wie die Nutzung der Schwiegerelternwohnung – keine dauerhafte Sicherheit bieten. Der Fall des OLG Celle (Urteil vom 03.04.2024 – 21 UF 237/24) zeigt exemplarisch, dass nach einer Trennung nicht nur die Frage „Wer darf bleiben?“ relevant ist, sondern auch „Wem gehört die Wohnung eigentlich?“ und „Wie lange darf ich bleiben?“. Gerade wenn die Wohnung von Dritten – etwa Schwiegereltern – stammt, kann eine Eigenbedarfskündigung schnell das Ende des Wohnrechts bedeuten. Tipp: Wer sich in einer solchen Situation befindet, sollte frühzeitig anwaltlichen Rat einholen, um die eigenen Rechte und Möglichkeiten zu kennen und zu wahren. Quellen:Die Ausgangslage: Wohnraum nach der Trennung – ein typisches Problem
Der Fall vor dem OLG Celle (Urteil vom 03.04.2024 – 21 UF 237/24)
Die Entscheidung des OLG Celle
Gesetzliche Grundlagen und praktische Bedeutung
Fazit