Jahresarchiv: 2015

Vertragsrecht: In jedem Teich gibt es einen noch größeren Fisch

Ich hatte letzten Monat die Geschichte von der Eismaschine erzählt und darüber berichtet, dass man eingutes Geschäft aus fast allem machen kann. Doch leider eben nur fast. Von einer Begebenheit die zeigt, dass man manchmal einsehen muss, dass man verloren hat, will ich heute erzählen.

Die Geschichte hörte ich vor Jahren einmal von einem Bekannten. Er war bei der VEBA angestellt, einem Vorläufer des heutigen E.ON – Konzerns. Zu seinen Aufgaben gehörte es u.a. in schwierigen Fällen die Vertragsverhandlungen zu führen und die Verträge zu entwerfen.
Vor dem Hintergrund der puren wirtschaftlichen Größe von VEBA war er es gewohnt, dass die Verhandlung in die Richtung liefen, die er sich vorstellte. Nun begab es sich, dass die IT-Abteilung ihn aufforderte, ein bestimmtes Programm zu besorgen.

Es war irgendetwas großes und wichtiges, was er bei IBM oder HP – dieses Detail habe ich nach all den Jahren vergessen – kaufen sollte. Wir brauchen das unbedingt, wurde ihm durch die IT-Abteilung erklärt. Na toll, dachte er sich. Das verbessert meine Verhandlungsposition nicht gerade. Dieses Programm kann man auch nur dort kaufen, war die nächste wichtige Information, die mein Bekannter erhielt.

Als er dann auch noch erfuhr, dass sein potentieller Vertragspartner dies alles auch wüsste, war die Stimmung meines Bekannten auf einem ungewöhnlichen Tiefpunkt. Er meinte, dass die Verhandlungen dann genauso abgelaufen sind, wie er es befürchtet hatte.

Der Softwarehersteller war davon, dass die große VEBA bei ihm kaufen wollte nicht beeindruckt. Sondern teilte schlicht mit, zu welchem Preis und welchen Konditionen VEBA kaufen durfte.

Vor dem Hintergrund der Ansage der IT-Abteilung war dann nicht mehr viel zu verhandeln. Dies muss man sich immer vor Augen führen: Wenn man es sich nicht leisten kann, dass Vertragshandlungen scheitern, dann darf man sie nicht so führen, dass sie scheitern.

Aus diesem Grund ist es uns immer wichtig zu wissen, wann unsere Mandanten aussteigen müssen, weil eine Einigung untragbar wäre. Und gleichzeitig, ob sie überhaupt aussteigen können, weil keine Einigung existenzbedrohend sein könnte.

Wenn man dies im Vorwege in Ruhe analysiert, dann kann man auch in der Verhandlung für den Mandanten – fast immer – einen Abschluss erzielen, mit dem der Mandant als Kunde zufrieden ist.

Vertragsrecht: Ein gutes Geschäft lässt sich aus fast allem machen

Neulich habe ich anhand der Geschichte von der Eismaschine über die Möglichkeiten berichtet, wie man mit Leasingverträgen Geld verdienen kann. Selbst mit Gütern, die so kaum jemand braucht. Das ganze hatte für mich seinerzeit eine Vorgeschichte, die fast noch deutlicher zeigte, dass man auch dann ein gutes Geschäft machen kann, wenn man vordergründig schlechte Karten zu haben scheint.

Ich hatte einen Leasingvertrag zu betreuen, bei dem der Kunde ständig mit den Raten in Rückstand geriet. Er zahlte schleppend, aber er zahlte. Vertragsgegenstand war eine Kfz-Prüfmaschine. Ein Gerät, dass so aus Sicht meines damaligen Arbeitgebers – insbesondere der Verwertungsabteilung – niemand brauchte. Außer natürlich demjenigen, der es bereits hatte. Bei dem Vertrag handelte es sich um einen Teilamortisationsleasingvertrag mit Andienungsrecht. D.h. der Leasing-Nehmer ist zum Kauf des Leasing-Objektes –zum vereinbarten Restwert- verpflichtet, sofern die Leasing-Gesellschaft von ihrem Andienungsrecht Gebrauch macht. Der Leasing-Nehmer hingegen hat keinen Anspruch darauf, den Leasinggegenstand zu erwerben. Der Leasing-Geber kann das Leasing-Objekt anderweitig veräußern. Hintergrund ist, dass mit einer Kaufoption für den Leasingnehmer der ganze Vertrag nach Maßgabe der Leasingerlasse steuerlich nicht mehr als Leasing anzusehen wäre. Wenige Monate vor dem Auslaufen hatte ich also den Vertrag zu bearbeiten. Ich entschied mich, dem Kunden mitzuteilen, dass wir uns entschlossen hätten, das Objekt nicht an ihn zu verkaufen. Und forderte ihn auf, sich zum Ende der Vertragslaufzeit zur Abholung bereit zu halten. Wie ich erwartet habe meldete sich der Leasingnehmer kurze Zeit später bei mir und meinte, dass der das Objekt unbedingt bräuche. Und ob er es nicht doch kaufen könne. Damit ich hatte ich gerechnet und mir schon für meinen Arbeitgeber überlegt, was ich dem Kunden anbieten wollte.

Ich brauchte als Kaufpreis mindestens den kalkulatorischen Restwert. Weil mein Arbeitgeber sonst Verlust gemacht hätte. Den Betrag hätte ich aber schon aus dem Andienungsrecht verlangen können.

Es sollte also ein Übererlös sein – die Nachtragvertragsrendite. Mein Arbeitgeber war der Meinung, dass 0,5 – 1,5 % Rendite – bezogen auf die ursprüngliche Berechnungsgrundlage – ein gutes Geschäft sei.

Bei meinem Einstellungsgespräch für die Abteilung „Notleidendes Geschäft“ hatte der Geschäftsführer zu mir gesagt: „Wenn Sie Geld für das Unternehmen reinholen sind sie unser Mann!“. Das war eine hinreichend klare Ansage. Also habe ich mit 5 % Nachvertragsrendite als Aufschlag auf den kalkulatorischen Restwert kalkuliert.

Der Kunde war von dem Angebot nicht begeistert. Die Alternativen schienen ihm aber offenbar nicht besser zu gefallen. Also willigte er ein. Gleichzeitig wies er aber darauf hin, dass er den Betrag nicht in einer Summe habe. „Kein Problem“, sagte ich. „Wir stunden ihnen den Kaufpreis in sechs Raten bei 10 % p. Das war zwar deutlich mehr als unser damaliger Vertragszinssatz und auch mehr als 8 % über dem damaligen Basiszinssatz. Aber da es sich offenbar um einen zahlungsschwachen Kunden handelte und ich für notleidendes Geschäft zuständig war, erschien mir dies durchaus angemessen. Durch den Kaufvertrag konnte ich auf einer DIN A4 – Seite alles regeln, was ich brauchte. Und in der EDV war das Einpflegen eines Kaufvertrages für mich deutlich schneller als das Anlegen eines Leasingvertrages. Neben dem monetären Gewinn für meinen Arbeitgeber war diese Möglichkeit, schnell und effektiv arbeiten zu können für mich durchaus ein Motiv den Vertrag so abzuschließen. Wie überrascht war ich dann, als mein Chef den Vertrag nicht unterschreiben wollte, sondern mich zu ihm rief. Er wies mich darauf hin, dass ich in einer Leasinggesellschaft arbeitete. Was eine echte Neuigkeit für mich war. Und das ich keinen Kaufvertrag mit sechs Raten, sondern dann einen kurzen Leasingsvertrag abschließen solle. „Aber Chef, dass ist doch ein gutes Geschäft…“ versuchte ich anzubringen. Doch er wollte mir einmal zeigen, wie man das besser machen konnte und fing an zu rechnen. Auf der Basis des kalkulatorischen Restwertes und des damals üblichen Vertragszinssatzes kamen dann aber ganz andere und natürlich deutlich niedrigere Raten raus, als ich sie bereits mit dem Kunden vereinbart hatte. „Ich sagte doch, dass es für uns ein gutes Geschäft ist.“ Missmutig darüber, keinen inhaltlichen Fehler gefunden zu haben unterschrieb mein Chef den Kaufvertrag. Und wies mich gleichzeitig an, dass nächste mal dann aber einen Leasingsvertrag abzuschließen. Was ich dann im Fall der Eismaschine auch gemacht habe. Mir war es immer wichtiger, eine juristische tragfähige Lösung zu finden, die für meinen Auftraggeber wirtschaftlich vorteilhaft ist, als Dienst nach Vorschrift zu machen und irgendwelche Formulare anzuwenden. So kann man fast immer einen Weg finden, der sich als günstig erweist.

Mietrecht: Leasing ist Miete ist Volleigentum

Mit der Zeit erlebt man einige faszinierende Geschichten. In meiner Zeit in der Sanierungsabteilung einer Leasinggesellschaft, wo ich notleidendes Geschäft betreut habe, ereignete sich z.B. die unsterbliche Geschichte von der Eis-Maschine.

Kapitel I – Der Anruf

Eines Tages rief mich der Leasingnehmer an. Nennen wir ihn der Einfachheithalber Luigi. Luigi betrieb eine Eisdiele. Und hatte hierzu eine Eismaschine erworben und über meinen Arbeitgeber, die Leasinggesellschaft, finanziert. Nun eröffnete mir Luigi, dass er Probleme mit dem Finanzamt hätte. Und deshalb Insolvenz anmelden müsse, um seine Situation zu verbessern. Aus diesem Grund müsste er leider den Leasingsvertrag kündigen. Ich hatte seinerzeit nicht verstanden, in wie fern sich seine Situation gegenüber dem Finanzamt durch die Insolvenz verbessern würde oder warum er den Leasingvertrag kündigen musste. Aber ein Blick in die Akte und das Konto im PC zeigte mir, dass Luigi keine einzige Rate rückständig war und die Leasinggesellschaft vollständig durch eine Bürgschaft einer italienischen Großbank abgesichert war. Die Leasinggesellschaft hätte zu diesem Zeitpunkt den Vertrag gar nicht wirksam kündigen können. Und Luigi hatte kein Recht dazu, den Vertrag selbst zu kündigen, weil der Leasingvertrag über eine bestimmte Zeit geschlossen war. Gleichwohl entschloss ich mich spontan, Luigis Kündigung anzunehmen.

Kapitel II – Kündigung, Fälligkeit und Bürgschaft

Aufgrund der Kündigung von Luigi war der Vertrag sofort beendet. Damit waren dann aber sämtliche zukünftigen Raten aus der festen Vertragslaufzeit – selbstverständlich barwertig abgezinst – sofort fällig. Das habe ich Luigi mit der Kündigungsbestätigung mitgeteilt und ihn aufgefordert, den Betrag in einer Summe zu zahlen. Wohl wissend, dass er das natürlich nicht konnte bzw. tun würde. Gleichzeitig habe ich die italienische Bank dem Grunde nach  aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Als die Frist zur Zahlung verstrichen ist, habe ich dies dem Bürgen ebenfalls mitgeteilt. Und nun zur Zahlung des gesamten Betrages aufgefordert. Das hat etwas gedauert – Italien ist offenbar etwas weiter weg -. Aber nach ca. 3-4 Wochen hatten wir den gesamten Betrag auf unserem Konto.

Kapitel III – Herausgabeverlangen

Kurze Zeit später meldete sich ein Anwalt bei mir. Er würde vertreten. Ich wusste jetzt nicht wer Marco ist. Aber hörte mir gerne an, was der Anwalt mir zu sagen hatte. Marco wollte die Eismaschine haben. Schließlich habe er sie ja bezahlt. Hierzu wies ich den Anwalt darauf hin, dass nicht Marco sondern die italienische Bank gezahlt habe. Es stellte sich heraus, dass Marco wohl gegenüber der Bank selbst wiederum gebürgt hatte und in Anspruch genommen worden war. So weit, so gut Doch leider musste ich dem Anwalt auch erklären, dass weder er bzw. Marco oder die Bank – und auch sonst niemand – die Eismaschine bekommen könne. Denn die gehörte immer noch uns, d.h. der Leasinggesellschaft. Weil Leasing dem Grunde nach Miete ist. Und die Mietsache am Ende der Mietzeit immer noch dem Vermieter gehört. Der Anwalt war nicht begeistert. Und wollte sich dann noch mal melden. Hat er aber nicht….

Kapitel IV – Frau Luigi

Wiederum einige Zeit später meldete sich eine Frau bei mir. Sie teilte mir mit, dass sie die Frau von Luigi sei. Sie hatte vor an dem ursprünglichen Standort eine Eisdiele zu betreiben. Welch überraschende Wendung möchte man meinen. „Schön“, sagte ich. „Das trifft sich gut. Ich habe eine Eismaschine.“ Weil Familie Luigi bekanntlich Probleme mit dem Geld und dem Finanzamt hatte, habe ich Frau Luigi dann angeboten, die Rate zu reduzieren. Und lediglich 70 % der ursprünglichen Rate genommen. Gleichzeitig meinte ich, dass aber ich auch Planungssicherheit bräuchte. Und daher eine feste Vertragslaufzeit von zwei Jahren benötigen würde. Sie hat sich über beides sehr gefreut und den neuen Leasingvertrag sofort abgeschlossen.

Kapitel V – mein Chef

Ich dachte nun, der Vorgang sei schnell vom Tisch und alle wären glücklich. Weit gefehlt! Ein paar Tage später rief mich mein Chef zu sich und meinte, die Buchhaltung habe ein Problem. Ich hätte ja einen Leasingvertrag abgeschlossen. Doch der Vertrag sei gekündigt. Und damit das Objekt – die Eismaschine – gar nicht mehr im Bestand der Leasinggesellschaft aktiviert. „Ach“, antwortet ich. „Und wie wäre es, wenn die Buchhaltung das Objekt dann wieder aktiviert? Schließlich steht es zivilrechtlich in unserem Eigentum. Und wir sind eine Leasinggesellschaft und vermieten bzw. verleasen Objekte.“ Mein Chef erbot sich, dies der Buchhaltung auszurichten. Ich dachte nun, der Vorgang sei nun aber schnell vom Tisch und alle wären glücklich. Doch weit gefehlt! Am nächsten Tag rief mich mein Chef erneut zu sich. Die Buchhaltung hätte immer noch bzw. schon wieder ein Problem. Sie wüsste nicht, gegen welche Forderung sie meinen Leasingvertrag buchen sollte. In dem alten Vertrag wäre ja nichts mehr offen. „Das ist richtig. Die Forderung habe ich bereits beigetrieben.“ antwortete ich. „Wie wäre es, wenn wir den neuen Vertrag gegen Gewinne verbuchen? Ich meine – wenn wir keine Gewinne mehr verbuchen können, dann hätten wir ein echtes Problem, oder?“ Erfahrungen wie diese haben mit dazu beigetragen, dass ich mich entschieden habe, mich selbständig zu machen und lieber für Mandanten als für meinen damaligen Chef tätig zu werden.

Epilog

Übrigens – was meinen Sie, wem nach Ablauf der zwei Jahren Leasingdauer die mehr als voll bezahlte Eismaschine (immer noch!) gehörte?

Mietrecht: Verjährung der Mängelbeseitigung bei Wohnraum

Neben der Frage der nicht gezahlten Miete sind Streitigkeiten über Mängel bei Wohnraum meiner Erfahrung die häufigsten Themen zwischen Vermieter und Mieter. Letztlich geht es halt immer ums Geld. Neben Tatsachenfragen und den gesetzlichen Voraussetzungen entscheidet jedoch auch immer mal wieder die Verjährung den Ausgang des Prozesses. Und die ist für Vermieter und Mieter durchaus unterschiedlich geregelt.

Mängelbeseitigung während des laufenden Mietvertrages

Während des laufenden Mietvertrages hat der Vermieter die Mietsache instand zu halten. Ausnahmen sind hier lediglich im Rahmen der Abwälzung von Schönheitsreparaturen und in Bezug auf Kleinreparaturen möglich. Diese Verpflichtung folgt für den Vermieter aus. Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags
§ 535 (1) BG. Der BGH hatte sich nun mit der Frage zu befassen, ob bzw. wann diese Verpflichtung des Vermieters verjährt. Der Hintergrund war, dass die Klägerin ist seit 1959 Mieterin einer Wohnung war. Das über der Wohnung der Klägerin liegende Dachgeschoss war im Jahr 1990 zu Wohnzwecken ausgebaut worden. Erst im Jahr 2006 – also über 15 Jahre später – verlangte die Klägerin von den Beklagten schriftlich die Herstellung einer ausreichenden Schallschutzisolierung der Dachgeschosswohnung. Sie ließ im Jahr 2007 ein Beweissicherungsverfahren durchführen, bei dem festgestellt wurde, dass der Schallschutz unzureichend ist. Der Vermieter wandte aufgrund des zeitlichen Ablaufes nun Verjährung ein. Der Bundesgerichtshof hat nun in seinem Urteil „Der Anspruch des Mieters auf Mangelbeseitigung ist während der Mietzeit unverjährbar.“ Urteil vom 17.2.2010 (Az. VIII ZR 104/09) entschieden, dass der Anspruch eines Mieters gegen den Vermieter auf Beseitigung von Mängeln während der Mietzeit unverjährbar ist. Vor dem Hintergrund, dass die Gebrauchsüberlassung eine Dauerschuld des Vermieters ist, ist diese Ansicht konsequent. Die Verpflichtung entsteht letztlich in jedem Augenblick erneut.

Mängelbeseitigung durch den Mieter nach Auszug

Für den Mieter stellt die Rechtslage ganz anders dar. Zum einen ist als Vorfrage immer zu prüfen, ob überhaupt eine Mängelbeseitigung geschuldet ist. Hier kommt es auf den Umgang der tatsächlich vorhandenen Mängel genauso an, wie auf die Frage, ob z.B. Schönheitsreparaturen – als Minus zur Mangelbeseitigung – überhaupt wirksam auf den Mieter abgewälzt wurden. Doch sofern tatsächlich Mängelbeseitigung durch den Mieter geschuldet ist, geht es hierbei nicht wie bei dem Vermieter um eine Dauerschuld. Das Mietverhältnis ist zu diesem Zeitpunkt beendet. Es geht um einen einmaligen Vorgang, der dem Grunde nach der Verjährung unterliegt. Die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren nach „Verjährung der Ersatzansprüche“ § 548 (1) BGB in sechs Monaten. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält. Im Normalfall wird der Auszug des Mieters als Fristbeginn angesehen; vgl. Urteil des OLG München (19 U 4540/02).

Familienrecht: Falsch im eigenen Studienfach – Rechtzeitig die Reißleine ziehen

Vor kurzem war im Spiegel Online ein interessanter Artikel:
„Falsch im eigenen Studienfach“ Artikel über Studenten, die festgestellt haben, dass ihnen ihr Studium nicht liegt. Am Anfang sah alles so gut aus: Die neue Stadt war toll, die Partys waren laut und die Vorlesungen spannend. Aber nach ein paar Monaten kehrt der Uni-Alltag ein, und die Euphorie ist plötzlich verflogen, weil das Studium ganz anders ist als erwartet. Wer den Studienstart so erlebt, sollte der Uni nicht gleich den Rücken kehren.

Studienberater empfehlen aber, die Entscheidung über einen Fachwechsel nicht auf die lange Bank zu schieben. Dieser Schritt muss gut überlegt sein – auch weil er Probleme mit dem Bafög-Amt mit sich bringen kann.

Nun sind wir keine Studienberater. Aber auch aus Sicht des Familienrechtlers gilt, dass man bei einem Wechsel der Berufsausbildung sich einmal in Ruhe Gedanken machen sollte. Selbst wenn der BGH dem Unterhaltsberechtigten hier eine Orientierungsphase mit gescheiterten Ausbildungsversuchen durchaus zugesteht.

Erwerbsobliegenheit des unterhaltsberechtigten Kindes
Verletzt das unterhaltsberechtigte Kind nachhaltig seine Obliegenheit, seine Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, büßt es u.U. seinen Unterhaltsanspruch ein und muß sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen.

(st. Rspr. des BGH, vgl. Urteile vom 23. Mai 1984 – IVb ZR 39/ 83FamRZ 1984, 777; vom 11. Februar 1987 – BGH, 11.02.1987 – IVb ZR 23/86.)

Jedoch ist jedem jungen Menschen grundsätzlich zuzubilligen, dass er sich über seine Fähigkeiten irrt oder falsche Vorstellungen über den gewählten Beruf hat. Unter diesem Gesichtspunkt hat der BGH in seinem „Ausbildungsunterhalt — Wechsel der Ausbildung — Heilpraktiker-Ausbildung — Aufnahme des Medizinstudiums“ Urteil vom 14. 3. 2001 – XII ZR 81/ 99
entschieden, dass u.U. selbst eine Orientierungsphase von einem Jahr bis zur erstmaligen Aufnahme einer Ausbildung sowie ein anschließender Abbruch des ersten Versuches unterhaltsrechtlich noch nicht schädlich ist.

Fazit
Da es trotzdem richtig bleibt, dass ein Ausbildungswechsel um so eher zu akzeptieren sein wird, je früher er stattfindet, kann jedem zweifelnden Auszubildenden oder Studenten, der Unterhalt bezieht nur dringend geraten werden, sich so früh wie möglich über die Fortsetzung der Ausbildung Gedanken zu machen. Und einen etwa anstehenden Wechsel ggf. mit dem Unterhaltsverpflichteten zu besprechen, damit dieser sich darauf einrichten kann.

Familienrecht: Nachehelicher Ehegattenunterhalt – Ehe als Schaden

Früher,  dass heißt vor dem 01.01.2008, hörte man häufig zum Thema Unterhalt das Schlagwort: Einmal Arztfrau, immer Arztfrau.

Damit war gemeint, dass sich der Unterhaltsbedarf nach der Scheidung weiter an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte. Nach unserer Einschätzung muss im Rahmen des nachehelichen Unterhalts das Schlagwort heute eher lauten – Unterhaltsanspruch als Schadensersatz = die Ehe als Schaden – Wie kommen wir zu dieser Einschätzung? Der Gesetzgeber hat in § 1569 BGB den Grundsatz der Eigenverantwortung festgeschrieben. Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen.

In diesem Lichte sind die nachfolgenden gesetzlichen Bestimmungen auszulegen. Und hierzu haben wir bereits Urteile erstritten und sind bundesweit Urteile ergangen, die hohe Anforderungen an den Unterhalt fordernden Ehegatten nach der Scheidung stellen.

Nach Erwerbsobliegenheit § 1574 BGB

obliegt es dem Unterhalt fordernden Ehegatten, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben. Er muss versuchen in seinen alten Job zurückzukehren oder einen neuen aufzunehmen.

Tut er dies nicht wird ihm im Rahmen der Prüfung seines Bedarfs ggf. fiktives Einkommen zugerechnet. Unserer Einschätzung nach gegen die Gerichte seit der Neuregelung des Unterhaltsrechtes im Jahr 2008 dazu über, die gesetzliche Regelung des

Maß des Unterhalts §1578 BGB

wonach sich das Maß des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmt, dahingehend auszulegen, dass dem Unterhaltsberechtigten diejenigen Nachteile zu erstatten sind, die er durch die Ehe im Rahmen seines später selbst erzielten Einkommens erleidet.

Wer z.B. aufgrund von Kinderbetreuung o.ä. darauf verzichtet Karriere zu machen oder nach eine Job-Pause nur zu niedrigerem Einstiegsgehalt wieder arbeiten kann, hat weiterhin einen Unterhaltsanspruch. Der Lebenstil, wie er vor der Hochzeit bestand soll auch nach der Scheidung wieder erreicht werden.

Diesen Gedanken des Nachteilsausgleiches kennen wir sonst nur aus dem Schadensersatzrecht. Dort sollen die Geschädigten so gestellt werden, wie sie stünden, wenn das schädigende Ereignis niemals eingetreten wäre. Sie sollen keine Vorteile erhalten, aber auch keine Nachteile erleiden müssen.

Und so stehen letztlich auch die geschiedenen Ehegatten unterhaltsrechtlich nach der Scheidung so dar, als wären sie niemals verheiratet gewesen. Falls die Ehe jedoch für einen Ehegatten mit Einkommensnachteilen verbunden ist, hat der andere Ehegatte diese ggf. im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit auszugleichen.

Erbrecht: Kinder kann man nicht vererben

Immer fragen fragen sich Eltern, was wohl einmal sein wird. Vor allem, was mit den Kindern sein wird, wenn die Eltern überraschend und viel zu früh versterben sollten. Weil man nie weiß, was kommt. Que sera, sera Üblicherweise kommen die Eltern dann auf die Idee, die Frage in einem Testament zu regeln. Und fragen dann mich, ob und wie das geht.

In dem Fall antworte ich meinen Mandanten immer – Kinder kann man nicht vererben – um die Problemstellung hier zu verdeutlichen. Es geht den Eltern darum, „Sicherheit“ für die zukünftige Betreuung ihrer Kinder zu erhalten. Doch genau dies – Sicherheit – kann in diesen Fällen nicht erreicht werden. Trotzdem ist die Lösung über das Testament eine gute – wenn nicht die beste – Lösung für dieses Problem!

Sorgeberechtigung kraft Gesetz
Wer die Kinder betreut und aufzieht bestimmt sich zunächst nach dem Gesetz. Wenn beide Eltern sorgeberechtigt waren, dann bleibt es der überlebende Elternteil auch nach dem Tod des anderen. Dann braucht man gar keine Regelung. Sofern aber ein Elternteil alleinerziehend war oder beide Elternteile (gleichzeitig) versterben gibt es keine gesetzliche Regelung mehr.

Sorgeberechtigung durch Entscheidung des Vormundschaftsgerichtes
In dem Fall muss über die Sorgeberechtigung durch das Vormundschaftsgericht entschieden werden. Dieses wird hierzu das Jugendamt anhören. Damit man eine Lösung findet, die am besten für das Kind ist. Doch häufig – im Normalfall – ist es so, dass weder das Vormundschaftsgericht noch das Jugendamt die Familie, die verstorbenen Eltern oder das zu betreuende Kind vorher kannten. Und nun adhoc eine für das Kind – hoffentlich – günstige Lösung treffen sollen. Leider kann man die Eltern zu diesem Zeitpunkt nicht mehr fragen, was diese für richtig erachtet hätten.

Vorsorge durch ein Testament
Und an dieser Stelle kommt dann das Testament ins Spiel. Hierin geben die Eltern ja ihren letzten Willen zum Ausdruck. Und sie haben hier die Möglichkeit zu sagen, was sie für das Kind für richtig erachten. Im Idealfall haben sich die Eltern über die Frage der Betreuung bereits Gedanken gemacht. Und dies wohl möglich sogar mit dem potentiellen Vormund – vielleicht dem Paten des Kindes – bereits besprochen. Wenn die Eltern diese Frage nun in einem Testament festhalten und dieses bei Gericht hinterlegen, dann ist sichergestellt, dass die Botschaft zum Zeitpunkt des Todes Eltern auch bekannt wird. Weil alle bei Gericht hinterlegten Testament automatisch eröffnet und beim Amtsgericht des letzten Wohnsitzes der Eltern gesammelt werden. Daher muss man sich auch bei etwaigen Umzügen hier selbst um nichts kümmern. Das Familiengericht ist an die Anordnung im Testament zwar nicht gebunden („Kinder kann man nicht vererben“), falls es der Auffassung ist, dass die Entscheidung nicht dem Wohle des Kindes dient. Aber sofern das Gericht hierfür keine Anhaltspunkte hat wird es unserer Erfahrung nach den Willen der Eltern respektieren. Und ist sogar dankbar für die Hilfe, die es dem Gericht ermöglicht, dem Kind in der dann schweren Zeit mit einer von den Eltern vorbereiteten und guten Lösung zumindest ein wenig helfen zu können.

Mietrecht: Bedeutung der 7/10 Grenze im ersten Zwangsversteigerungstermin

Vor dem Amtsgericht Bergedorf wurde im ersten Termin ein Grundstück in Kirchwerder versteigert. Der Gutachter hatte den Verkehrswert auf EUR 100.000 geschätzt. Im Termin konnte man die Möglichkeiten sehr schön erkennen.

Nachdem der Rechtspfleger den Ablauf des Versteigerungstermins ausführlich erläutert hatte, wurde die Bietstunde eröffnet. In dem Saal waren ca. 20 Leute anwesend. Als keine ein erstes Gebot abgeben wollte und offenkundig darüber nachgedacht wurde, wie niedrig man anfangen kann, wies der Rechtspfleger darauf hin, dass man zwar (fast) jedes beliebige Gebot abgeben könne. Er aber kraft Gesetzes Gebote unterhalb von EUR 50.000 (= 100.000 Verkehrswert * 5/10) ablehnen muss.

Darauf kam etwas Bewegung in die Versteigerung und es wurde ein erstes Gebot in Höhe von EUR 50.000 abgegeben. Die Gläubigervertreterin verlangte die Stellung einer Sicherheit. Die Sicherheit betrug 10 % des Verkehrswertes; also EUR 10.000. Der Rechtspfleger stellte hierzu klar, dass der erste Bieter den Betrag „vorab“ an die Gerichtskasse überwiesen hatte. Daher wurde er als Bieter zugelassen und das Gebot angenommen.

Ein weiterer Bieter überbot in dann mit EUR 51.000. Auch insoweit verlangte die betreibende Gläubigerin eine Sicherheit. Dieser Bieter stellte die Sicherheit in Form eines bankbestätigten Schecks. Anschließend boten sich die beiden Bieter langsam höher. Die Gläubigervertreterin wies dann irgendwann daraufhin, dass sie unterhalb der 7/10 – Grenze (= EUR 70.000) von ihrem gesetzlichen Recht Gebrauch machen und die Versteigerung verhindern würde. Trotzdem boten die Bieter zunächst weiter in kleinen Schritten.

Irgendwann wollte die Gläubigervertreterin dann sicherstellen, dass die 7/10 – Grenze auf jeden Fall erreicht wird. Und bot selbst für die betreibende Vierländer Volksbank EUR 70.000. Für die Bank war dies einfach, weil sie an rangerster Stelle war und damit effektiv nur die Verfahrenskosten und das Finanzamt bezahlen musste, sie, als betreibender Gläubiger, von sich selbst keine Sicherheit verlangte; ihr Gebot war daher ohne weiteres zulässig.

Die beiden bisherigen Bieter blieben die einzigen Interessenten. Nachdem sich ein Interessent – auf unser Anraten – hin vor der Tür mit der Vertreterin der Gläubigerin unterhalten hat, hat er letztlich für ca. EUR 76.000 den Zuschlag erhalten. Was ausgehend von dem gutachterlich angenommen Verkehrswert eine Ersparnis von rund EUR 24.000 oder knapp einem Viertel darstellt.

Das muss man am freien Markt in einer Verhandlung erst einmal gegenüber dem Verkäufer durchsetzen können. Aus diesem Grund sind wir der festen Überzeugung, dass man, wenn Immobilien günstig erwerben möchte, die Möglichkeiten der Zwangsvollstreckung auf jeden Fall in Erwägung ziehen sollte.

Vertragsrecht: Der Bote im Rechtsverkehr

Der Jura-Student im ersten Semester lernt Allgemeines Schuldrecht – insbesondere, wie Verträge zu Stande kommen. Der Anwalt lernt in der Praxis, dass dies meistens unstreitig ist. Manchmal aber eben auch nicht. Und dann wird es gleich – für den Juristen – spannend.

So hatte ich unlängst den Fall, dass unser Mandant einen Pkw geleast hatte. Der Mandant war ein Arbeitgeber und hatte den Pkw seinem Arbeitnehmer als Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt. Am Ende der Leasingzeit hat der Arbeitnehmer den Pkw wieder zum Daimler-Autohaus zurück gebracht. So weit, so gut Aber wenn dies alles wäre, hätte ich diesen Beitrag ja nie geschrieben. Es kam wie es kommen musste. Der Wagen hatte (angeblich) Mängel. Der Arbeitnehmer quittierte diese, gab die Reparatur in Auftrag und stimmte zu, dass die Werkstatt die Rechnung gegenüber dem Arbeitgeber – also dem Leasingnehmer – abrechnen durfte. Warum auch nicht? Kostete den Arbeitnehmer ja nichts. Anschließend rechnete die Werkstatt gegenüber dem Arbeitgeber ab. Dieser war nun jedoch der Auffassung, keinen Auftrag für eine Reparatur erteilt zu haben. Und an dieser Stelle kommen dann der Jurist und das allgemeine Schuldrecht ins Spiel. Hier stellte sich nun die Vertrag, ob ein Werkvertrag zwischen dem Halter des Fahrzeugs (Arbeitgeber / Leasingnehmer) und der Werkstatt zustande gekommen war. Selbst hatte der Leasingnehmer keine Erklärung abgeben. Eine Erklärung hatte nur der Arbeitnehmer abgegeben.

Von dem Vertreter der Werkstatt wurde eine Vollmacht behauptet. Weil der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer mit dem Auto zur Werkstatt geschickt habe, habe er ihm – mindestens stillschweigend (Unternehmens bezogenes Geschäft) eine Vollmacht erteilt.

Wir haben dagegen gehalten und argumentiert, dass dieses Geschäft nicht auf das Unternehmen bezogen, sondern objektbezogen war. Es ging nicht um das Unternehmen des Leasingnehmers oder das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Es ging der Werkstatt allein um den konkreten Pkw. Eine objektbezogene Vollmacht kennt das Gesetz jedoch ebenso wenig wie – von Ausnahmen abgesehen – den Guten Glauben an das Bestehen einer Vollmacht.

Aus diesem Grund war hier nach unserer Auffassung der Fahrer des Autos lediglich der Bote, der den Pkw zurück brachte. Rechtlich machte das einen entscheidenden Unterschied.

Der Bevollmächtigte gibt nach § 164 BGB eine Erklärung in fremdem Namen und mit Wirkung für den Vertretenen ab. Der Bote überbringt, was er überbringen soll. Und sofern er mehr als das tut, sind es  eigene Erklärungen, an die der Auftraggeber des Boten gerade nicht gebunden ist.

Das Amtsgericht Bergedorf war sich in der mündlichen Verhandlung noch nicht abschließend sicher, welcher Rechtsauffassung es folgen wollte. Doch nachdem das Gericht deutliche Sympathien mit der von uns dargelegten Rechtsauffassung zeigte konnten wir einen für unsere Partei wirtschaftlich sehr vorteilhaften Vergleich schließen. Im Ergebnis hat unsere Partei trotz Anwalt, gerichtlichem Verfahren und dem Vergleich weniger bezahlt als wenn er die Forderung kommentarlos anerkannt hätte.

Mietrecht: Wohnwerterhöhende Merkmale bei Mieterhöhungen

Häufig werden wir von privaten Vermietern gefragt, wie, wann und um wie viel sie die Miete erhöhen können. Die darauf leicht anmutende Antwort ist jedoch mit einer Reihe Unwägbarkeiten gepflastert.

Gesetzliche Regelung
Nach § 558 BGB kann der Vermieter die Miete bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichmiete erhöhen, wenn das letzte Mieterhöhungsverlangen mindestens 15 Monate zurückliegt und die Kappungsgrenze von 20% eingehalten worden ist.

Örtsübliche Vergleichsmiete
Sowohl die Daten als auch die Beträge stellen keine Herausforderungen dar. Die einizige auslegungsfähige Frage ist, welches die rechtlich maßgebliche örtliche Vergleichsmiete darstellt. Nur dann lässt sich ggf. ein vorhandener Mietenspiegel sinnvoll anwenden oder ein Vergleichsobjekte oder Gutachten die Mieterhöhung begründen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun in seinem Urteil vom 07.07.2010 ( VIII ZR 315/09) über einen Fall aus Hamburg zu entscheiden gehabt. Der Mieter hatte auf eigene Kosten Bad und Sammelheizung in die Altbauwohnung eingebaut. 2008 verlangte seine Vermieterin statt 450 Euro Miete knapp 540 Euro monatlich. Sie berief sich dabei auf den Mietspiegel der Stadt Hamburg für Altbauwohnungen mit Bad und Sammelheizung. Die Jahre davor hatte die Vermieterin auf Wohnungen ohne die neue Ausstattung abgestellt. Als der Mieter sich weigerte, die Mieterhöhung zu zahlen, klagte die Vermieterin und bekam vor Amtsgericht und Landgericht recht. Der BGH sah dies jedoch anders: Wohnwerterhöhende Veränderungen an der Mietsache, die der Mieter selbst vorgenommen und finanziert hat, müssen bei der Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete unberücksichtigt bleiben. Die Entscheidung ist einleuchtend, weil der Mieter anderenfalls seine baulichen Maßnahmen doppelt bezahlen müsste. Zum einen müsste er für die Maßnahmen selbst zahlen, zum anderen würde er gleichzeitig den Spielraum für Mieterhöhungen durch den Vermieter erweitern. Das gilt laut BGH selbst dann, wenn der Ausbau wie hier im Mietvertrag festgeschrieben gewesen sei.

Unser Rat für Neuvermietungen:
Da es häufig Unklarheiten beim Vorliegen von wohnwerterhöhenden und wohnwertmindernden Merkmalen gibt, ist Vermietern anzuraten bereits bei der Wohnungsübergabe ein Protokoll über diese Merkmale zu erstellen. Dies erleichtert ein späteres Mieterhöhungsverlangen ungemein.

Arbeitsrecht: Nicht gezahlte Mindestlöhne führen zur Strafbarkeit

Wir haben uns neulich einmal mit der Frage beschäftigt, Sind verweigerte Mindestlöhne strafbar? ob verweigerte Mindestlöhne strafbar sind.

Das Landgericht Magdeburg hat – unserer Wahrnehmung nach als erstes Gericht – diese Frage nun bejaht.

In dem Urteil vom 29.06.2010 in dem Verfahren 21 Ns 17/09 hatte das Gericht sich mit dieser Frage auseinandersetzen müssen, weil der Chef einer Reinigungsfirma seinen Angestellten nur etwa einen Euro pro Stunde bezahlte. Das Landgericht Magdeburg bewertete das Unterschreiten eines allgemein verbindlichen Mindestlohns erstmals als Straftat – nicht wie bisher üblich als Ordnungswidrigkeit. Die Strafbarkeit des Lohndumpings wurde damit begründet, dass den Sozialkassen Beiträge in Höhe von 69 000 Euro vorenthalten wurden. Wir gehen davon aus, dass sich diese Rechtsauffassung nun auch an weiteren Gerichten durchsetzen wird. Für Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich wird damit vielleicht eine Verbesserung ihrer Situation einhergehen. Aber auf jedem Fall kann jedem Arbeitgeber, der im Mitarbeiter im Niedriglohnbereich beschäftigt nur dringend angeraten werden werden zu prüfen, ob es einen für ihn maßgeblichen Tarifvertrag mit Mindestlöhnen gibt. Weil hier sonst empfindliche Strafen – u.U. sogar Haftstrafen – drohen können.

Erbrecht: Hof in Altengamme zu verkaufen nach Höfeordnung

Von dem Amtsgericht Bergedorf ist für den 30.07.2010 die Versteigerung des Grundstückes Lüttwetter 5, 21039 Hamburg anberaumt worden. Das Grundstück ist bebaut mit einem Einfamilienhaus und 5 Gewächshäusern und hat eine Größe von 10.220 qm. Es hat laut Gutachten einen Verkehrswert von EUR 235.000. Für ein Gebot ist u.U. – auf Antrag des betreibenden Gläubigers – eine Sicherheit in von 10 %  des Verkehrswertes (hier: EUR 23.500) zu leisten. Im Grundbuch ist eingetragen: Hof gemäß der Höfeordnung Was ist heißt denn das, mag man sich den jetzt fragen. Und überlegen, ob man dann überhaupt kaufen will.

Die Höfeordnung ist ein die Erbschaftsregelung eines Bauernhofs betreffendes Gesetz des Bundes, das geschichtlich auf die Erbschaftsregelungen der Sachsen zurückgeht, wonach der im Familienbesitz befindliche Bauernhof ungeteilt an den ältesten männlichen Erben gehen musste Anerbenrecht. Das klingt jetzt aber hinderlicher als es sein muss. Ein Abweichen von der Höfeordnung ist heute problemlos möglich, es erfordert aber, dass der entsprechende Grundbucheintrag vor dem Eintritt des Erbfalls zur Löschung gebracht wird. Hierfür reicht eine Bewilligung in notarieller Form und ein Antrag an das Grundbuchamt aus. Sofern Sie an diesem Grundstück, aber nicht an der Erbfolge nach der Höfeordnung interessiert sind, ist diese Eintragung daher kein Hindernis.