Archiv für Kategorie: Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Sie wollen Pause? Gehen Sie nach Hause!

Der Arbeitnehmer denkt sich mancher Tage Freitags ab eins macht jeder seins! während der Arbeitgeber sich um 18:68 Uhr wundert, warum alle weg sind. So unterschiedlich wie die Wahrnehmungen über die Feierabendzeiten sind, so unterschiedlich sind häufig auch die Vorstellungen über angemessene Pausenzeiten.

Gesetzliche Regelung

Das deutsche Arbeitszeitgesetz setzt Rahmenbedingungen für die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer in Deutschland. Es ist für Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbindlich. Das Arbeitszeitgesetz beruht auf der Europäischen Richtlinie vom 23. November 1993. Vor dem Inkrafttreten des Arbeitszeitgesetzes war die Arbeitszeit der Beschäftigten in Deutschland in der Arbeitszeitordnung geregelt. Nach § 4 ArbZG ist die Arbeit durch im Voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Die Ruhepausen können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.

Raucherpausen

So lange kann es jedoch manch Arbeitnehmer nicht am Platz aushalten. Vor allem dann nicht, wenn der Chef das Rauchen am Arbeitsplatz untersagt hat. Dann zieht es den Raucher häufig genug bei Wind und Wetter nach draußen. Gegen eine kurze Zigarette kann der Chef ja nichts haben. Und wegen ein paar Raucherpausen ist noch keiner geflogen. Oh, doch! Das Arbeitsgericht Duisburg hat in einem Urteil (3 CA 1336/09) klargestellt, dass einem Arbeitnehmer durchaus fristlos gekündigt werden kann, wenn der sich trotz mehrfacher Abmahnung Raucherpausen genehmigt, ohne vorher auszustempeln.

Pinkelpausen

Manch Arbeitgeber möchte jedoch offenbar seine Arbeitnehmer sogar bis auf die Toilette überwachen. Und Arbeitnehmer, die ihrer Meinung nach zu häufig und/oder zu lange diese aufsuchen, mit Gehaltsabzug oder gar Kündigung bestrafen. Das ging dem Landesarbeit Köln (6 Ca 3846/09) dann doch zu weit. Selbst wenn der Arbeitgeber die verlorene Arbeitszeit exakt dokumentieren kann, rechtfertigt dies keine Gehaltskürzung oder andere arbeitsrechtliche Konsequenzen.

Was kommt nach „Ein Betrieb – ein Tarifvertrag“?

Jahrzehntelang galt im deutschen Arbeitsrecht der Grundsatz „Ein Betrieb – ein Tarifvertrag“. Dadurch war sichergestellt, dass der Unternehmer nicht mit mehreren konkurrienden Gewerkschaften verhandeln bzw. unterschiedliche und sich u.U. sogar widersprechende Tarifverträge beachten musste. Mit diesem Grundsatz haben die Richter am Bundesarbeitsgericht (BAG) mit ihrer Entscheidung vom 23.06.2010 – 10 AS 2/10 – Schluss gemacht.

„Es gibt keinen übergeordneten Grundsatz, dass für verschiedene Arbeitsverhältnisse derselben Art in einem Betrieb nur einheitliche Tarifregelungen zur Anwendung kommen können“

Doch was kommt jetzt?

Würdigung des Urteils
Unabhängig von der Frage, ob einem die Folgen des Urteils gefallen möchte ich an dieser Stelle den Richtern am BAG für ihren Mut zu dieser Entscheidung gratulieren. Sie haben das Recht angewannt. Dies und nichts anderes ist ihre Aufgabe. Das Recht zu gestalten und politische oder wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen ist es dem Grunde nach nicht. Der ausgeschiedene Bundespräsident Köhler hatte unlängst in einer Rede darauf hingewiesen, dass die Politik immer mehr dazu übergeht, unpopuläre Entscheidungen nicht zu treffen. Sondern sie einer Klärung durch die Justiz zu überlassen.

Um dann deren Entscheidungen als Alternativlos, weil von der Rechtsprechung gefordert zu verkaufen. In der Hoffnung, so nicht vom Wähler für harte Entscheidungen abgestraft oder in den Medien kritisiert zu werden. Gerade im Bereich des Arbeitsrechtes kann man dies seit Jahren beobachten.

Im Bereich des kollektiven Arbeitsrechtes und des Streikrechtes sind die wesentlichen Regelungen allein durch die Justiz herausgearbeitet worden. Allein auf der Basis des Art. 9 GG und der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte und ggf. noch des Verfassungsgerichtes werden im wesentlichen seit Jahren und Jahrzehnten die fundamentalen Regelungen für Streiks in Deutschland getroffen.

Es gab vor Jahren einmal den Versuch, die gefestigte Rechtsprechung – die ohnehin faktisch angewendet wird – in Gesetzesform zu gießen. Dies hatte z.B. seinerzeit bei dem AGB-Gesetz hervorragend funktioniert. Doch im Bereich des Arbeitsrechtes war es nicht möglich. Sowohl die Gewerkschaften als auch die Arbeitgeberverbände liefen Sturm gegen dieses unhaltbare Gesetz.

Also zog sich die Politik zurück und ließ die Justiz weiter gewähren. Alle Beteiligten hatten und haben sich offensichtlich mit dem Status Quo angefreundet oder abgefunden.

Kurzfristige Folgen
Nachdem das BAG nun den Grundsatz „Ein Betrieb – ein Tarifvertrag“ aufgegeben hat, darf erwartet werden, dass die Arbeitnehmergruppen, die für das jeweilige Unternehmen unersetzlich sind, ihre starke Verhandlungsposition zur Durchsetzung ihrer Einzelinteressen verwenden werden.

Man hat dies bereits bei Piloten, Lokführern und Ärzten gesehen. Das wird sich wiederholen und auf andere Berufsgruppen ausweiten. Für die Arbeitgeber wird dies dazu führen, dass kurz und mittelfristig mit mehr und z.T. auch intensiveren Arbeitskämpfen zu rechnen ist.

Insbesondere werden die Arbeitskämpfe dabei in der Summe auch zu größeren Einbußen für den Arbeitgeber führen, da sie punktgenauer und damit schmerzhafter geführt werden können. Da in der Summe die verteilungsfähige Masse natürlich nicht steigt wird dies dazu führen, dass die Arbeitnehmer, die nicht so unentbehrlich für das Unternehmen sind bei den zukünftigen Tarifabschlüssen entsprechend schlechter abschneiden werden.

Dies ist die absehbare Folge aus ihrer schlechter gewordenen Verhandlungsposition. Im Einzelfall mag es auch dazu kommen, dass Unternehmen in der Zwickmühle widerstreitender Arbeitnehmerinteressen wohl möglich stranguliert werden. Weil die schwächeren Arbeitnehmer noch immer stark genug sind, nicht frühzeitig aufgeben zu müssen.

Auf jeden Fall darf damit gerechnet werden, dass die relative Ruhe in Bezug auf Arbeitskämpfe, die Deutschland seit Jahrzehnte auszeichnete, für Unternehmer interessant machte und an die wir uns gewöhnt hatten, erst einmal vorbei sein dürfte. Und weil Arbeitskämpfe nur wirken, wenn sie weh tun, wird dies mit Einschränkungen für uns alle verbunden sein.

Gesetzgeberische Konsequenz
Bereits jetzt melden sich sowohl Arbeitnehmervertreter – insbesondere aus dem DGB – sowie Arbeitgebervertreter mit der Forderung, diese von der Rechtsprechung eröffnete Möglichkeit durch ein Gesetz zu verhindern. Und sowohl aus der Koalition als auch als der SPD kann man hierzu wohlwollende Meinungsäußerungen hören. Dies geht sogar bereits so weit, dass eine Änderung der Verfassung in Erwägung gezogen wird.

Was bei einem Zusammenwirken von CDU und SPD rein rechnerisch kein Problem wäre. Da diesmal das Stimmungsbild ein anderes ist als bei vorangegangenen geplanten Gesetzesinitiativen im Bereich des Arbeitsrechtes kann man durchaus vermuten, dass es hier zu einer gesetzlichen Lösung kommen wird.

Wahrscheinlich sogar überaus schnell, da so Handlungsfähigkeit und Initiative gezeigt werden kann. Es bleibt abzuwarten und zu hoffen, dass die Regelung dann nicht das Kind mit dem Bade ausschüttet. Weil anderenfalls die kleinen Gewerkschaften, deren Streikrecht etc. beschnitten werden soll, unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 GG ihrerseits wieder vor Gericht ziehen werden. Womit letztlich die Entscheidung, die zu treffen die Politiker gewählt wurden, doch wieder der Justiz überlassen bliebe.

Arbeitsrecht – Chef, der kann kein Ostdeutsch

So mancher Arbeitergeber stellt sich hin und wieder die Frage: Was macht man mit einem Arbeitnehmer, der Arbeitsanweisungen nicht verstehen kann? Und falls die Antwort Kündigen! lautet, möchte der Arbeitnehmer dann natürlich wissen: Darf der das?

Dabei muss es gar nicht um Analphabetismus gehen. Der vom Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 28.01.2010  2 AZR 764/08 – entschiedene Sachverhalt ähnelt vielmehr der „Kein Ostdeutsch!“ – Variante. In dem Fall war ein spanischer Arbeitnehmer im Bereich der Überwachung von Produktionsabläufen beschäftigt.

Gegenüber seinem Arbeitgeber lehnte er es ab, seine Deutschkenntnisse zu verbessern. Dieser stellte fest, dass aufgrund der mangelhaften Sprachkenntnisse bei diesem Arbeitnehmer eine überdurchschnittliche Fehlerhäufigkeit nachzuweisen war. Er sprach daher eine personenbedingte Kündigung aus. Das Gericht hat dieser Kündigung in seiner Entscheidung stattgegeben.

Einem deutschen Unternehmen ist nicht zu verwehren, von seinen Mitarbeitern ausreichende Kenntnisse der deutschen Schriftsprache zu verlangen.

Arbeitsrecht: Sittenwidriger Lohn unterhalb von Tarifverträgen

In Zeitungen und im TV kann man immer wieder hören und lesen, dass es schwierig ist, einen festangestellten Arbeitsplatz zu erhalten. In der Diskussion wird immer wieder von der Generation Praktikum berichtet. Und so manch stellt sich die Frage, wie er überhaupt zu einer bezahlten Festanstellung gelangen kann. In dieser aus Sicht des Arbeitnehmers schwierigen Situation neigen Arbeitnehmer dann dazu, auch zu geringen Löhnen Arbeitsverträge abzuschließen.

Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel – mag sich dann mancher Arbeitnehmer denken. Und fragt sich dann: „Geht da noch was?“

Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Allgemeinverbindlichkeit u.a.

Zunächst einmal gilt: pacta sunt servanda = Verträge sind zu schützen (einzuhalten). Daher muss man zunächst prüfen, ob sich aus dem Arbeitsvertrag selbst nicht eine höhere Bezahlung ableiten lässt. Werden alle Zeiten vergütet und richtig abgerechnet? Häufig ist dies jedoch gerade bei Geringverdienern nicht das Problem. Die Verträge sind aufgrund der dargestellten Ausgangslagen derart ungleichmäßig ausgestaltet, dass der Arbeitgeber gar keine Veranlassung hat, das Gehalt falsch zu berechnen.

Interessanter kann dann schon die Frage sein, ob sich u.U. aus einem Tarifvertrag hier zu einem höheren Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers führen. Unmittelbar gelten unserer Erfahrung nach die Tarifverträge in den seltensten Fällen, in denen sich über das Gehalt gestritten werden soll, weil entweder der Arbeiternehmer und/oder der Arbeitergeber nicht der Tarifbindung unterliegen. Der eine ist nicht in einer Gewerkschaft.
Der andere nicht im Arbeitgeberverband. Trotzdem gelten die Regelungen aus Tarifverträgen manchmal. Nämlich dann, wenn entweder ein Tarifvertrag für Allgemeinverbindlich erklärt wurde oder das Arbeitnehmerentsendegesetz Anwendung findet. Hier kann gerade in Branchen typischer Geringverdiener häufig für den Arbeitnehmer etwas herausgeholt werden.

Sittenwidrigkeit von geringen Löhnen unterhalb des Tariflohnes

Rechtlich spannend wird die Frage, wie sich Tarifverträge auf den einzelnen Arbeitsvertrag auswirken, wenn sie sich trotz all der vorstehend dargestellten Gründe eigentlich gar nicht auswirken. Hierbei geht es um die Frage, ob einzelvertraglich vereinbarte Löhne, die deutlich unterhalb des Tariflohnes liegen, u.U. sittenwidrig sind. In dem Fall wäre gem. § 138 BGB die einzelvertragliche Abrede über das Gehalt unwirksam. In diesem Fall müsste stattdessen ein übliches, angemessenes Entgelt bezahlt werden. Die Arbeitsgerichte gehen nun seit mehreren Jahren davon aus, dass eine deutliche Unterschreitung von mindestens 1/3 wohl dazu führt, dass das Entgelt sittenwidrig niedrig ist.

Beispiel:

Ein Stundenlohn von sechs Euro für eine Fachverkäuferin ist vor allem dann sittenwidrig, wenn die Verkäuferin ein Geschäft quasi alleine führt. Der Einzelhandelstarifvertrag in Sachsen sehe in vergleichbaren Fällen geltende Tariflöhne von 12,34 Euro pro Stunde vor. Eine um etwa die Hälfte niedrigere Vergütung sei nicht gerechtfertigt. Die Fachverkäuferin habe somit Anspruch auf die von ihr geforderten 8,50 € Stundenlohn.

Arbeitsgericht Leipzig, Urteil vom 11.03.2010 2 Ca 2788/09

Ein Stundenlohn von 5 € für Arbeitskräfte, die als Auspackhilfen in Supermärkten tätig sind, ist sittenwidrig niedrig. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der klagenden Arbeitnehmerin den – um mehr als ein Drittel höheren – Tariflohn zu zahlen.

Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 17.06.2008 1 Sa 29/08

Lohnwucher liegt vor, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal 2/3 des üblichen Tariflohns der betreffenden Branche erreicht. Die Klage war in den Vorinstanzen unter Berücksichtigung der der Klägerin eingeräumten Sachleistungen, insbesondere einer Wohngelegenheit auf dem Betriebsgelände, erfolglos. Auch unter Einbeziehung der Sachbezüge betrug die gezahlte Stundenvergütung im Klagezeitraum weniger als 2/3 der tariflichen Stundenvergütung. Die Gesamtumstände, insbesondere die gesetzwidrig hohen und zudem unregelmäßigen Arbeitszeiten verdeutlichten die Ausbeutung der Klägerin. Das BAG hob daher das vorinstanzliche Urteil vom 17.04.2008 des Landesarbeitsgericht Hamburg 1 Sa 10/07 auf.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.04.2009 5 AZR 436/08

Arbeitsrecht: Nicht gezahlte Mindestlöhne führen zur Strafbarkeit

Wir haben uns neulich einmal mit der Frage beschäftigt, Sind verweigerte Mindestlöhne strafbar? ob verweigerte Mindestlöhne strafbar sind.

Das Landgericht Magdeburg hat – unserer Wahrnehmung nach als erstes Gericht – diese Frage nun bejaht.

In dem Urteil vom 29.06.2010 in dem Verfahren 21 Ns 17/09 hatte das Gericht sich mit dieser Frage auseinandersetzen müssen, weil der Chef einer Reinigungsfirma seinen Angestellten nur etwa einen Euro pro Stunde bezahlte. Das Landgericht Magdeburg bewertete das Unterschreiten eines allgemein verbindlichen Mindestlohns erstmals als Straftat – nicht wie bisher üblich als Ordnungswidrigkeit. Die Strafbarkeit des Lohndumpings wurde damit begründet, dass den Sozialkassen Beiträge in Höhe von 69 000 Euro vorenthalten wurden. Wir gehen davon aus, dass sich diese Rechtsauffassung nun auch an weiteren Gerichten durchsetzen wird. Für Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich wird damit vielleicht eine Verbesserung ihrer Situation einhergehen. Aber auf jedem Fall kann jedem Arbeitgeber, der im Mitarbeiter im Niedriglohnbereich beschäftigt nur dringend angeraten werden werden zu prüfen, ob es einen für ihn maßgeblichen Tarifvertrag mit Mindestlöhnen gibt. Weil hier sonst empfindliche Strafen – u.U. sogar Haftstrafen – drohen können.

Arbeitsrecht: Kündigung nach verweigerter Untersuchung

Wir hatten zuletzt darauf hingewiesen, dass ein Arbeitnehmer u.U. durchaus wirksam gekündigt werden kann, selbst wenn er krank ist. Manchmal gerade, weil er krank ist. Über einen entsprechenden Fall hatte das LAG Mainz gerade zu entscheiden.

Dabei ging es nicht nur um eine kranke Arbeitnehmerin. Sie war sogar zusätzlich noch zu 60 % körperbehindert.Der Arbeitgeber hatte wegen zunehmender Leistungsunfähigkeit und offensichtlich psychisch bedingter Probleme der Klägerin den Amtsarzt eingeschaltet. Die Arbeitnehmerin sah dafür jedoch keinen Grund und blieb zwei angesetzten Untersuchungsterminen unentschuldigt fern. Der Arbeitgeber nahm dies dann zum Anlass, die fristlose Kündigung auszusprechen. Das LAG Mainz 6 Sa 640/09 Urteil vom 12.02.2010 – Az.: AG Mainz 6 Sa 640/09 6 Sa 640/09hat nun entschieden, dass hier aufgrund der Weigerung der Arbeitnehmerin die fristlose Kündigung zulässig und wirksam war.Darauf kann man zwei Folgerungen ableiten:

Ein Arbeitnehmer ist immer gut beraten, wenn er sich einen fachkundigen Rat einholt, bevor er Entscheidungen trifft und Erklärungen gegenüber seinem Arbeitgeber abgibt.

Mit der richtigen Begründung und geeignetem Vortrag kann u.U. selbst ein fast unkündbarer Arbeitnehmer wirksam durch den Arbeitgeber gekündigt werden.

Arbeitsrecht: Es geht uns gut – wir werden krank

Die Überschrift mag überzogen und plakativ wirken. Doch sie weist auf einen Effekt und ein dahinter liegendes Problem hin. Arbeitnehmer, die Angst um ihren Job haben (müssen), melden sich nicht mehr krank.

Unter Berufung auf Daten des Bundesgesundheitsministeriums kann man in der Zeitung lesen, dass Arbeitnehmer sich wieder häufiger krankmelden.

Die aktuelle Entwicklung bestätigt erneut die Regel, dass in Krisenzeiten die Fehlquoten eher abnehmen, weil viele Arbeitnehmer fürchten, ihren Job zu gefährden. Bessert sich die wirtschaftliche Lage, steigen die Fehlzeiten wieder.

Kurzfristig löst dies für die Arbeitgeber sicherlich Kosten aus. Nun ist es aber sicherlich auch so, dass Arbeitnehmer, die sich nicht behandeln lassen mit einiger Sicherheit anschließend längerfristig erkranken.

Und dann länger oder gar dauerhaft ausfallen. Das ist dann für den Arbeitgeber u.U. mit dem Verlust eines kompetenten Mitarbeiters oder mit deutlich höheren Ausfallkosten verbunden.

Daher ist der Schutz eines kranken Arbeitnehmers hier auch im Interesse des Arbeitgebers. Und dort, wo im Einzelfall ein Mitarbeiter die Segnungen des Arbeitnehmerschutzes über Gebühr in Anspruch nimmt kann – ggf. mit fachkundiger Hilfe – dies durchaus unterbunden werden. Weil trotz eines gesetzlichen Arbeitnehmerschutzes und dadurch hoher Hürden u.U. auch ein tatsächlich kranker Arbeitnehmer wirksam gekündigt werden kann.

Arbeitsrecht: Die Frauenquote in Gesetz, Wirtschaft & Wirklichkeit

Es ist eine nicht zu leugnende Tatsache, dass Frauen statistisch weniger verdienen und seltener Karriere machen als Männer. Es ist jedoch die Frage, warum dies so ist und wie man es ändern kann. Linda L. Carli und Alice H. Eagly, zwei amerikanische Psychologinnen, haben sich mit dem Thema eingehender befasst. In ihrem Buch

Through the Labyrinth: The Truth About How Women Become Leaders führen sie beispielsweise aus: Frauen sind in Spitzenpositionen nach wie vor selten anzutreffen – denn ihnen werden auf allen Stufen ihrer Karriere Hindernisse in den Weg gelegt. Nur ein grundsätzliches Umdenken in den Unternehmen kann diese Situation verbessern. Nach einer falschen Diagnose wird selten das richtige Medikament verschrieben. So erklärt sich auch, warum in den Vorstandsetagen der Wirtschaft immer noch so wenige Frauen zu finden sind. Es wird in Lösungen investiert, die zwar mit den besten Absichten konzipiert wurden, aber nicht die gewünschte Wirkung erzielen. An der Existenz des Problems besteht kein Zweifel. Einerseits haben Frauen in der Arbeitswelt deutliche Fortschritte gemacht, denn mittlerweile sind in den USA mehr als 40 Prozent aller Führungsposten mit Frauen besetzt. Andererseits sind sie im Topmanagement immer noch eine Seltenheit.</blockquote> Die Frage ist, woran das liegt. Zwei Gründe scheinen hier die im wesentlichen ausschlaggebenden Ursachen zu sein. Die Erwartungshaltung von Führungskräften an Frauen und über Frauen. Vieles spielt sich hier im Unbewussten Zwei Frauen bei der Arbeit

Und ist die Folge einer seit Jahrzehnten wenn nicht Jahrhunderten geprägten Vorstellungswelt. Weil Frauen Frauenarbeit verrichtet haben und verrichten, traut man ihnen auch nichts anderes als Frauenarbeit zu.</li> <li>Zum anderen scheint es so zu sein, dass Männer mehr Wert auf eine schnelle Steigerung ihres Gehalts und der zugehörigen Boni und der Aufstieg im Unternehmen legen. Frauen sehen dagegen nach einer Studie, auf die die Financial Times Deutschland bereits vor Jahren hingewiesen hat, die persönliche und fachliche Akzeptanz als wichtigstes Kriterium für ein erfülltes Berufsleben. Wenn dies so richtig ist, dann erscheint es aus Sicht eines Unternehmers durchaus zweckmäßig, Frauen schlechter zu bezahlen. Weil man ihre Arbeitskraft günstiger bekommen kann. Und es unternehmerisch unsinnig ist, für irgendein Gut – hier die weibliche Arbeitskraft – mehr auszugeben als nötig. Weil sich das Gehaltsgefüge nur in umkämpften Märkten von alleine verändert und der Markt der weiblichen Arbeitskraft hierzu nicht gehört, wird seit längerem Versucht,  eine gesetzliche Lösung zu finden. In Deutschland hat der Gesetzgeber – auf Anlass einer EU-Richtlinie – das Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz geschaffen. Jedoch hat sich dieses bislang in der arbeitsrechtlichen Praxis noch nicht als ein besonders scharfes Schwert erwiesen. Weil die tatsächliche Ungleichbehandlung bzw. Diskriminierung bestenfalls schwierig nachzuweisen ist. Wie Spiegel Online nun berichtet, geht man in Norwegen zwischenzeitlich einen anderen Weg. 40 Prozent der Aufsichtsratsplätze aller größeren börsennotierten Aktiengesellschaften müssen seit 2008 von Frauen besetzt werden. Sonst drohen drakonische Strafen – bis hin zum Ausschluss von der Börse, was in der Praxis einer Liquidierung gleichkommt. Es bleibt abzuwarten, ob dies so auch in Deutschland eingeführt werden wird. Solange es jedoch auf börsennotierte Aktiengesellschaften beschränkt bleibt, ist der normale Mittelständler und damit die Mehrzahl der Arbeitgeber hiervon überhaupt nicht betroffen.

Arbeitsrecht: Sind verweigerte Mindestlöhne strafbar?

Über die Frage, welcher Lohn angemessen ist und mindestens gezahlt werden sollte, kann man trefflich streiten und ganze Bücher schreiben. Doch offenbar setzt sich immer mehr die politische Ansicht durch, dass es eine untere Grenze – einen Mindestlohn – gibt der gezahlt werden muss. Der Gesetzgeber hat dies über die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen bzw. die Aufnahme in das Entsendegesetz geregelt.

Doch was passiert eigentlich, wenn der Arbeitgeber trotzdem den so vorgeschriebenen Mindestlohn nicht zahlt?

Über einen entsprechenden Fall hat aktuell das Landgericht Magdeburg (Az. 2 SS 90/09)  zu entscheiden. Dort geht es um einen – zwischenzeitlich insolventen –  Arbeitgeber, der Arbeitnehmer aus der früheren Sowjetunion an Autobahnraststätten und Autohöfen zu einem Stundenlohn von 1,79 Euro beschäftigt hatte. Der damalige Mindestlohn lag aber bei etwa 7,68 Euro. Bislang wird die Weigerung, allgemeinverbindliche Mindestlöhne zu zahlen, als Ordnungswidrigkeit nach Arbeitsbedingungen und Mindestlohn § 5 AEntG gewertet und mit einem Bußgeld geahndet. Da der Arbeitgeber die Beiträge zur Sozialversicherung nur aus dem Lohn von 1,79 Euro und nicht aus dem geltenden Mindestlohn bezahlte, geht die Staatsanwaltschaft von einer Straftat nach Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt § 266a StGB aus. Wenn das Lohndumping künftig als Straftat gilt, dann drohen härtere Sanktionen wie Geld- oder sogar Haftstrafen. Der Zoll, der für die Verfolgung Schwarzarbeit zuständig ist, hat dies Problematik von vorenthaltenen Sozialabgaben sehr verständlich dargelegt.

Für einen Arbeitnehmer, der nicht genügend Gehalt bekommt, stellt diese neue Betrachtungsweise eine deutliche Verbesserung seiner Situation dar. Für den Arbeitgeber hingegen, der den Mindestlohn nicht beachtet, ergibt sich aus dieser Entwicklung ein erhebliches rechtliches – ja strafrechtliches – Risiko! Daher wird die Entscheidung des Landgerichtes Magdeburg hier bundesweit von erheblicher Bedeutung sein.

Kind 7 Jahre alt! – Die mittelbare Diskriminierung eines Stellenbewerbers.

„Weiblich verheiratet, Kind 7 Jahre alt“:
Kann ein Arbeitgeber die Bewerberin ablehnen mit der Begründung, dass sich die Betreuung eines schulpflichtigen Kindes leider nicht mit einer Vollzeitbeschäftigung vereinbaren ließe?

Die Bewerberin Klagte auf Schadensersatz – Zunächst mit Erfolg: EURO 3.000,– Schadenersatz gestand Ihr das Landesarbeitsgericht Hamm zu. Das Urteil wurde in der Revision vor dem Bundesgericht aufgehoben mit der Begründung, die vom Landesarbeitsgericht Hamm herangezogene Statistik für den Anteil von Ehefrauen mit Kind an der Gesamtzahl der Vollbeschäftigten ließe keine Aussagen für den Fall der Klägerin zu.

(Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 18.09.2014 – 8 AZR 753/ 13)

Für das Landesgericht als Tatsachengericht bleibt nun zu prüfen, ob in dem Verhalten des Beklagten nicht eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin als Frau zu sehen ist.